Wenn der Blick in den Spiegel schmerzt

Die heile Amateurfußball-Welt, die ich mir in den vergangenen Wochen geschaffen habe, tat gut. Ergebnisse gut, Training extrem gut, Stimmung im Team sehr gut. Dann folgte der heutige Tag. Ich ärgere mich so unendlich über mich selbst, dass der Blick in den Spiegel schmerzt. Persönlich war es heute meine erste Saisonniederlage (bei der anderen war ich im Urlaub). Was mich so an mir selbst ärgert? Meine Nachlässigkeit.

Heute hat gar nichts gepasst. Wir waren schlecht. Welche Faktoren im Einzelnen dafür verantwortlich waren, ist am Ende gar nicht so entscheidend, sondern der Fakt, dass ich selbst so weit weg von einer guten Leistung war, dass es mich erschreckt. Und jede Minute mehr, die seit Abpfiff verstreicht, sorgt dafür, dass mir bewusster wird, dass sich die Nicht-Leistung heute seit ein, zwei Wochen angebahnt hatte und ich im Zuge des guten Starts eben nachlässig geworden bin. Der Dringlichkeit meiner Performance bin ich wegen eines guten Gefühls nicht mehr nachgekommen.

Ich habe weniger intensiv das Training und entsprechende Inhalte vorbereitet, mich dabei davon blenden lassen, dass die Intensität in den Einheiten aufgrund des neuen Konkurrenzskampfs und der guten Stimmung ausreichen würde, die Ansprache und die Aufgabenverteilung für die vergangenen zwei, drei Spiele dürftig durchgeführt und im Spiel keine Antworten und Lösungen gefunden. Alles in allem bequem, unkonzentriert, ohne Fokus. Diese Erkenntnis trifft mich als Trainer sehr, weil es nicht mein Anspruch ist. Aber…

Faktor Zeit ein Problem

Das Problem: Diese Nachlässgikeit hat einen Ursprung, der nur schwer beim Schopf zu packen ist: der Faktor Zeit. Fünf Wochen war ich wegen meines Armbruchs krankgeschrieben, dann eine Woche im Urlaub, seit zwei Wochen arbeite ich wieder vollends. Genau in diesen zwei, drei Wochen hat sich mein Fokus auf den Fußball verschoben. Kind, Arbeit, Kind, dann schnell rüber zum Platz. Dort bin ich froh, dass das Training aktuell gut läuft. Inhaltlich zielgerichtet ist dies dann kaum, weil ich es nicht optimal vorbereiten kann. Auf den ersten Blick fiel das nicht groß ins Gewicht, heute wurde es mir offenbart.

Will ich meine schlechte Performance heute auf diese Ausrede schieben? Nein! Ich bin es meinen Jungs und auch mir selbst gegenüber schuldig, einen Weg zu finden, auf dem ich Fußball in der Vor- und Nachbereitung so unterbringe, dass ich besser bin als der Status Quo. Sonst muss ich Schluss machen oder den Anspruch so herunterfahren, dass meine Leistung dazu passt.

Geht es anderen Trainern auch so?

Ich würde es aber als gutes Zeichen werten, dass ich mich heute im Spiegel nicht angucken kann, dass ich jede einzelne Handlung heute hinterfrage und dass es mir alles andere als gefällt, dass ich nicht geliefert habe. Dazu kommt die Lust, es kommende Woche besser machen zu wollen. Das definiert zumindest unbewusst meinen eigentlich hohen Anspruch.

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Ich würde gerne wissen, wie das andere Trainer auf diesem Niveau mit Familie lösen und freue mich über Rückmeldungen. Dann kann ich ab morgen vielleicht auch wieder in den Spiegel schauen.

Tschüs, Lars: Ein Fußball-Abschiedsbrief an einen Krieger

Nun ist es also doch soweit. Dieses Mal konnte ich dich nicht mehr überreden. Nach acht Jahren an meiner Seite ist Schluss. Auch wenn ich dich lieber weiterhin bei mir gewusst hätte, ist dein Ende als Herrenfußballer verständlich. Lieber Lars, hier kommt mein öffentlicher Abschiedsbrief an einen Menschen, der mein Fußballerleben in einem Maße bereichert hat wie nur wenige andere. Tschüs, Lars!

Schon vor einem Jahr, als zwei andere verdiente Spieler, und vor allem enge Freunde, unser Team verließen, wählte ich diesen Weg des Abschieds. Zu schwierig wird es sonst am Sonntag, alle Worte so über die Lippen zu bringen, wie ich es gerne tun würde. Zu emotional fällt mir auch dieses Ende.

2016 bist du zu uns gekommen. Du wärest es gerne früher, hast du mal gesagt. Und du hast recht. Häufig kreuzen sich Wege später, als es vielleicht möglich gewesen wäre. Aber am Ende bin ich einfach froh, dass es überhaupt soweit gekommen ist.

Erstes Punktspiel, neue Eindrücke

Ich erinnere mich noch gut an dein erstes Punktspiel für uns. BU2 auswärts an der Dieselstraße. Jeder Zweikampf, jeder geklärte Ball wurde von dir gefeiert wie ein eigenes Tor. Wir haben uns damals verwundert die Augen gerieben, der Gegner war genervt. In diesem Moment hast du dich in unser aller Herzen gespielt. Ich habe seither nie wieder einen Spieler gesehen, der so genau auf den Punkt bis unters Dach motiviert ist, der so sehr gewinnen will, der alles für sein Team tut – auf und neben dem Platz.

Lars, du bist als Fußballer ein Vorbild an Leidenschaft. Ich weiß, dass du es manchmal nicht sehen magst, aber du hast jeden einzelnen deiner Mitspieler damit inspiriert. Ja, es mag dauern, bis man sich an deine Art und Weise gewöhnt, aber dann ist es das wertvollste Gut, das man in einer Mannschaft haben kann.

Auch als Co-Trainer eine Bereicherung

Vor einem Jahr, als du schon spielender Co-Trainer warst, als wir gerade den Pokal gewonnen haben und du dich eigentlich schon neben den beiden anderen Legenden verabschiedet sehen wolltest, hast du dich noch mal überreden lassen. Ein Jahr zum Übergang, zu kurzfristig war dein damaliger Wunsch, zu wenig vorbereitet. Ich bin froh, dass du Ja gesagt hast. Auch wenn du zu Beginn der Saison mehr spielen musstest, als du eigentlich wolltest, warst du vor allem als Co-Trainer eine enorme Bereicherung für die Mannschaft und mich. Immer, wenn es nötig war, hast du wieder deine Buffer geschnürt. Ich werde dir nicht oft genug Danke dafür sagen können.

Dass wir deinen sportlich herausragenden Jahren nun genau das Ende geben können, was du verdient hast, erfüllt mich mit Stolz. An deiner Seite wird Yannik auflaufen, mit dem du schon früher auf dem Feld standest. Ein Szenario wie gemalt. Ein sich schließender Kreis.

Ein Vorbild durch und duch

In all den Jahren warst du Stammspieler, ab und zu auch mal Kapitän – immer ein Anführer. Einer, an dem sich andere orientieren konnten, einer, der immer für die anderen da war. Schmerzen hast du ignoriert, immer und immer wieder. Du hast deinen Körper geschunden, Jahr für Jahr. Niemand kann dir jemals hoch genug anrechnen, was du für dieses Team, für diesen Sport gegeben hast. Du bist ein Krieger.

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Aber da ist ja nicht nur der Fußball. Da ist ja auch noch dieses andere. Freundschaft. Keine zwei Jahre kannten wir uns, da warst du schon mit auf meinem JGA, als Gast auf meiner Hochzeit, ein paar Jahre später Onkel Lars für meine Tochter. Wir haben uns oft gestritten, wir waren oft nicht einer Meinung. Aber wir haben uns immer lieb gehabt, immer diese Freundschaft weiterentwickelt. Ich bin froh über jede gemeinsame Erinnerung, die uns der Fußball beschert hat, jeden Moment Freude und Trauer, jeden Drink, jede Party, jedes Jahr Malle.

Einmal noch Fußball und dann (vorerst) ein letztes Mal Malle. Weitere Erinnerungen, weitere Momente, die ich immer mit dir verbinden werde. Jetzt genieß dein letztes Spiel. Es gehört dir. Tschüs, Lars!

Ich sehe für Nichts die Rote Karte – ein Sehnsuchts-Appell an die Schiedsrichter

Jan-Hendrik Schmidt, Trainer der 3. Herren des Niendorfer TSV, wischt sich mit der Hand übers Gesicht an der Seitenlinie.

Es ist meine 17. Saison im Herrenfußball. Die ersten Jahre als Spielertrainer, seit meinem zweiten Kreuzbandriss 2015 nur noch als Trainer. Ich bin emotional, ich kann gegnerischen Trainern, Spielern oder auch den Schiedsrichtern mal auf den Sack gehen. In all der Zeit habe ich mich aber niemals daneben benommen, jemanden beleidigt oder jemandem körperlich wehgetan. Ich bin ein Freund von Kommunikation, von Erklärungen, von Menschen, die einen in ihrer Situation sehen und sich der emotionalen Lage des Gegenübers bewusst sind. Im Fußball schlägt das Herz auf dem Platz. Man ärgert sich, man freut sich, man leidet. Mal schießt man übers Ziel hinaus, dann gibt man sich die Hand. Heute habe ich eine glatt Rote Karte bekommen – und ich möchte darüber sprechen, dass ich das nicht hinnehmen kann.

Ich halte mich selbst für eine Person, die nach abkühlender Emotion, nach sinkendem Puls und weichendem Adrenalin sich selbst hinterfragen kann. Sowohl inhaltlich im Kontext meiner Trainertätigkeit (Was habe ich falsch, was habe ich richtig gemacht?) als auch in Bezug auf meinen Umgang mit meinem Team, den Gegnern und eben auch den Schiedsrichtern. Doch dieses Mal bin ich an einem Punkt, an dem ich für mich nicht mehr damit argumentieren kann, dass die Unparteiischen einen schwierigen Job haben, dass wir Bezirksliga spielen und eben auch Bezirksliga-Schiris gestellt bekommen, dass wir froh sein müssen über jeden, der an den Wochenenden diese Tätigkeit ausübt.

Willkür sorgt für Frustrationen

All das sehe ich so, aber heute nicht. Wir haben ein Spiel verloren. Verdient. Wir spielen schlecht. Seit Wochen. Ich finde vermutlich zu wenig Lösungen, die Mannschaft setzt zu wenig um, mental ist die Saison ob der Tabellensituation seit Wochen gelaufen. Das sorgt für Frust. Klar. Heute bekommt ein Spieler beim Stand von 0:2 und einem gepfiffenen Elfmeter gegen uns die Rote Karte dafür, dass er ruft „Wir sind so schlecht“. Vermutlich gibt es eine lange Sperre wegen Schiedsrichterbeleidigung, die es nie gegeben hat. Schwierig. Schon zuvor wurden alle Reaktionen auf Pfiffe, die in einem völlig gängigen Maß erfolgten, mit Gelb sanktioniert. Darauf kann man sich natürlich einstellen im Laufe eines Spiels und das haben wir nicht, der Gegner schon. Es ist aber das xte Spiel in diesem Jahr, in dem keinerlei Nachfragen erlaubt sind, in dem jede Reaktion sanktioniert wird. Das Fass ist übergelaufen. Emotionen sollten dann sanktioniert werden, wenn sie zu häufig erfolgen, zu scharf im Ton sind, beleidigend und ähnliches. Aber Emotionen gehören dazu. Bitte lasst sie ein bisschen laufen, vor allem in einem Spiel, das überhaupt nichts derlei hergegeben hat, keine Fouls, keine Beleidigungen, keine strittigen Szenen. Schiedsrichter sollten in der Lage sein, Emotionen der Beteiligten zu evaluieren, nicht sie zu verbieten.

Nachspielzeit sorgt für Redebedarf

Als ich mich beim Stand von 0:3 darüber aufregte, dass der Schiedsrichter vier Minuten bei hoher Frustration auf unserer Seite nachspielen ließ, kam er zu mir, erklärte mir warum, drehte wieder ab. „Jede Woche dasselbe“, sagte ich. Er kam erneut zu mir und zeigte mir Gelb. Berechtigt. Damit kann ich leben. Mein Co-Trainer fragte nach, warum die Gelbe Karte? Nicht aggresiv, nur lauter als normal. Dafür zückte der Schiedsrichter glatt Rot. Ich fragte nach warum – und sah ebenfalls glatt Rot. Keine Erklärung. Nichts. Glatt Rott für nichts, einfach nichts. Eine normale Nachfrage. Stell mich meinetwegen mit Gelb-Rot runter. Das wäre auch maßlos überzogen, aber okay, damit hätte ich leben können. Erkläre wenigstens, warum du was machst.

Nach dem Abpfiff wollte ich mit dem Schiedsrichter sprechen, fragte ihn ruhig, warum er mir Rot gegeben hat. Keine Antwort, keine Erklärung. Jetzt werde ich vermutlich gesperrt, vielleicht sogar mehr als ein Spiel. Für absolut nichts.

Ich hätte aufhören müssen, etwas zu sagen. Mein Co-Trainer hätte nicht mehr nachfragen dürfen. Ja, im Nachhinein muss der klügere nachgeben. In dem Moment wollten wir beide tatsächlich einfach nur wissen, wie er seine Entscheidung begründet. In welchem Universum ist das eine grobe Unsportlichkeit, eine Beleidigung, oder was sonst noch im Regelwerk steht. Wie hätte ich diese Form der Konsequenz erahnen können?

Was mich traurig macht: die Außendarstellung. Auf den ersten Blick werde ich meiner Vorbildfunktion nicht gerecht. Ich stand vor meinem Team, wollte Verantwortung für mein Handeln übernehmen. Aber ich konnte nicht mehr sagen, weil ich nichts gemacht habe. Alle wussten das – und doch fühlt es sich beschissen an.

Ich habe keine Lust, mir immer wieder erzählen lassen zu müssen, dass Emotionen verboten sind. Dann kann ich aufhören mit diesem Sport. Wirklich.

Es gibt auch positive Beispiele

Zwei positive Beispiele: Auswärtsspiel in der Hinrunde. Foul an unseren Stürmer. Taktisch. Klar Gelb aus meiner Sicht. Ich ärgere mich. Keine Reaktion. Der Ärger kann dadurch schon abebben. Dann der Halbzeitpfiff. Ich frage nach. Der Schiedsrichter erklärt mir seine Sicht der Dinge. Ich bleibe anderer Meinung, aber verstehe seine Perspektive und schätze seine Art der Kommunikation.

Heimspiel. Giftiger Kick, aggressiver Gegner. Ähnlich wie heute gibt es für jede Reaktion die Gelbe Karte. Sofort. Wir stellen uns darauf ein, werden ruhiger. Nach dem Spiel kommen der Schiedsrichter und ich ins Gespräch. Ich frage nach, warum es immer direkt Gelb gab. Er erklärt mir, dass er beiden jüngeren Assistenten das Spiel einfacher machen wollte, ihnen zeigen wollte, dass hier schnell Ruhe ist. Ich bin zwar anderer Meinung, dass man so ein Spiel leiten sollte, aber verstehe seinen Ansatz. Wir plaudern noch. Top. Gute Kommunikation.

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Ich weiß, ich bin manchmal schwierig, verlange kommunikativ einiges von anderen. Ich weiß, ich kann nerven. Aber ich bin nicht unfair, nicht beleidigend. Ich bin einfach emotional. Lasst mich emotional sein. Lasst Fußballer emotional sein. Ihr sollt euch nicht alles gefallen lassen. Aber macht doch nicht aus einem emotionslosen Amateurkick eine Karten-Party, nur weil ihr da Bock drauf habt. Bitte. Mir ist es auch egal, ob ich mit dieser Offenheit hier an anderer Stelle anecke, dass mir das vielleicht sogar nachteilig ausgelegt wird. Aber ich kann Willkür und Ungerechtigkeit nicht ertragen. Nie.

Emotionale Belastbarkeit: Wie sehr muss ich als Amateurtrainer meine Gefühle kontrollieren?

Trainer Jan-Hendrik Schmidt mit verzweifelter Geste an der Seitenlinie. Er schreibt den Blog Mein Leben im Trainingsanzug

Es ist tatsächlich fast ein dreiviertel Jahr her, dass ich mich hier ausgiebig über mein Trainerdasein geäußert habe. Lange Zeit dachte ich, es wäre auf der Prioritätenliste weiter unten anzusiedeln und bei zu großen zeitlichen Engpässen streichbar, jetzt habe ich gemerkt, dass mir die Auseinandersetzung mit dem Fußball auf dieser Plattform fehlt und dass sie eigentlich zu meinem Seelenheil beiträgt. Viel passender dazu könnte mein Anliegen gar nicht sein. Es geht um die emotionale Belastbarkeit als Trainer. Ein Thema, das viele Facetten hat, und vielleicht gerade im Amateurfußball etwas zu kurz kommt.

Gerade im letzten Training hatte ich einen Moment, in dem meine emotionale Belastbarkeit im Grenzbereich lag. Mit viel Hingabe und Leidenschaft wollte ich meiner Mannschaft Verbesserungen fürs Spiel in die Tiefe an der Taktiktafel aufzeigen. Dafür hatte ich die Übung unterbrochen. Wer mich hört, spürt sofort, dass mir viel daran liegt, dass die Jungs im gemeinsamen Spiel besser werden. Die volle Aufmerksamkeit meiner Spieler hatte ich aber nicht – und das tat weh. So weh, dass ich die Kontrolle über meine Gefühle verloren habe. Nichts schlimmes. Ich war nicht laut, eher fordernd, aber in einer Art von Kommunikation, die als Führungsperson eher wehleidig und klagend rüberkommt. Und da stellt sich mir die Frage: Wie viel Inneres darf ich als Amateurtrainer nach außen kehren?

Darf ich Resonanz vom Team einfordern?

Zum Hintergrund: Meine Mannschaft, die in Hamburgs Bezirksliga spielt, ist in Sachen Spielermaterial so gut wie vielleicht noch nie. Das hat man in vielen Phasen der Saison gesehen. Leider fehlt es sehr oft an Mentalität. An die Grenze zu gehen, unbedingt besser werden zu wollen, das ist eine große Mangelerscheinung unseres Teams. Zu oft in dieser Saison waren wir an einem Punkt wie jetzt gerade, an dem wir uns deshalb selber ein Bein stellen. Und wenn ich dann zusätzlich das Gefühl habe, dass ich versuche, die Leidenschaft fürs Besserwerden aufzubringen, diese auch authentisch fülle, dann verlange ich ein gewisses Maß an Resonanz.

Irgendwie scheint der Podcast der DFB-Akademie „Trainer*innen-Kompetenzen im Profifußball“, aktuell immer genau meine Probleme zu behandeln. Zuletzt war es die Kompetenz Disziplin, die mit Christian Streich, Trainer des SC Freiburg, besprochen wurde, jetzt eben jene emotionale Belastbarkeit. Eintracht Frankfurts Chefcoach Dino Toppmöller liefert in der Folge einblicke. Es sind seine Worte, die mich nachdenklich machen. Dass man eben nicht die Contenance verlieren sollte, sondern in der Kommunikation mit seinen Spielern emotional belastbar bleibt.

Toppmöller und Co. sprechen viel von Authentizität

Gilt das aber auch für Amateurtrainer? Muss ich nach einem langen Arbeitstag, nach Familienzeit mit Frau und Kind, auch auf dem Trainingsplatz immer die Kontrolle behalten? Nicht falsch verstehen: Ich habe mich ja nicht verloren in irgendeiner überzogenen Wutrede. Aber meine Leidenschaft als Maßstab für die Spieler zu setzen, ist zumindest diskutabel. Eine vollumfängliche Antwort auf meine Frage habe ich nicht. Toppmöller selbst liefert aber einen Ansatz: Authentizität. Diese Kompetenz wird übrigens auch von den meisten anderen Trainerpersönlichkeiten im Podcast immer und immer wieder genannt. So lange die Spieler nicht das Gefühl bekommen, man spiele eine andere Rolle, sind auch leichte Ausbrüche aus der eigentlichen in Ordnung.

Doch emotionale Belastbarkeit umfasst nicht nur die Interaktion mit dem eigenen Team. Es geht auch um den Umgang mit seinem Staff, mit dem Verein, mit Gegnern und Schiedsrichtern. Und da merke ich aktuell doch immer wieder, dass ich an meine Grenzen komme – und dass diese Grenze auch gerade deshalb erreicht ist, weil ich mich anders als vielleicht in den ein, zwei Saisons zuvor wieder mehr mit Inhalten auseinandergesetzt habe, mehr Input gebe. Das darf eigentlich nicht mit einer Erwartungshaltung an die Spieler einhergehen, aber ich muss zugeben: irgendwie tut es das.

Emotionale Belastbarkeit für mich als Trainer erreicht

Und hier ist eben meine Grenze erreicht. Ich halte mich für einen Trainer, der klare Vorstellungen hat und diese auch offen und deutlich kommuniziert. Ich weiß auch, wie Gruppendynamiken funktionieren, dass für eine gewisse Mentalität auch die Mischung an Charakteren wichtig ist. Aber ich habe nunmal die Jungs, die da sind. Und ich wünsche mir so sehr, dass es einen dauerhaften Push im Team gibt, einen Impuls von Spielerseite aus, bei dem ich das Gefühl habe, die Jungs bringen sich emotional und inhaltlich-rational selbst auf ein Level, konstanter in ihren Performances sein zu wollen, gieriger im Training, sich gegenseitig antreibender, wenn wir die Kabine verlassen und auf dem Platz arbeiten.

Ich weiß gerade nicht mehr, was ich noch tun kann, um diese Entwicklung weiter zu fördern. Und eben auch deshalb ist die Grenze meiner emotionalen Belastbarkeit erreicht.

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Das mindert nicht meine eigene Leistungsbereitschaft. Hilfestellung zu geben, Spieler und Menschen zu fördern und zu entwickeln, macht mir an diesem Job unglaublich viel Spaß. Und doch wünschte ich manchmal, so wie eben jetzt, ich wäre damit ansteckender.

Zum Saisonstart fehlen wieder viele Spieler: Warum der Spielplan kompletter Irrsinn ist

Amateurfußball Hamburg NIendorfer TSV 3

Die Saison steht vor der Tür. Noch eine Woche bis zum ersten Punktspiel. Und wie in jedem Jahr begleitet einen dieselbe Herausforderung. Plötzlich ist der halbe Kader weg. Saison für Saison habe ich mir eingeredet, dass dies auch an der Urlaubsplanung der Spieler liegt. Mittlerweile ist mir klar, dass Studenten eben ab Mitte/Ende Juli Semesterferien haben, dass Schüler in die Schulferien starten, dass Familienväter Kita-Schließzeiten berücksichtigen müssen und dass auch jeder andere im Sommer mal gerne wegfährt, wenn es sich anbietet. Es ist halt die beste Jahreszeit dafür. Der Spielplan ist schlichtweg ein Witz.

Am 7. Mai fand das letzte Punktspiel der vergangenen Saison statt. Am 28. Juli startet nun die neue Spielzeit. Was macht das für einen Sinn, die Sommerpause in einer Zeit zu haben, in der kaum jemand in den Urlaub fahren kann, und den Saisonstart so zu planen, dass viele Teams personelle Schwierigkeiten bekommen? Warum spielt man nicht bis in den Juni und startet dann irgendwann Mitte/Ende August mit der neuen Spielzeit? Vor allem hat es sich in Hamburg in den vergangenen Jahren mehr und mehr verschoben. Immer früheres Saisonende, immer früherer Saisonstart.

Kader aufblähen hilft nur temporär

Das Problem, pünktlich zum Saisonstart mit Mini-Kader zu trainieren, am Wochenende irgendwie 13-15 halbwegs fitte Spieler zusammenzukratzen, habe ich nicht exklusiv. Das ist klar. Aber macht es deshalb mehr Sinn? Wer jetzt sagt, ich solle deshalb den Kader größer machen: Spoiler, das habe ich getan. Der Bumerang trifft dann im Herbst den eigenen Hinterkopf, wenn plötzlich 26 Mann auf dem Trainingsplatz stehen und sich um die 18 Kaderplätze streiten.

Dort, wo Geld für Amateurfußball gezahlt wird, mag das nicht so sein. Aber wenn ich mehrere hundert Euro im Monat für mein Hobby bekäme, würde ich als Spieler vermutlich auch im Juni meinen Urlaub machen, was ich als Trainer übrigens genau so handhabe, damit ich dann in der Vorbereitung und zum Start da sein kann. Aber ab der Landesliga, spätestens ab der Bezirksliga zahlen nicht mehr alle beziehungsweise immer weniger Vereine. In der Kreisliga und tiefer dürfte das Problem noch größer sein, was beim Blick auf die erste Pokalrunde und die vielen Nicht-Antritte deutlich wird.

Spielplan an die Lebensrealitäten anpassen

Deshalb ist das hier ein klares Plädoyer dafür, den Spielplan zu überdenken und an die Lebensrealität von Studenten, Schülern und Vätern anzupassen. Die eine Gruppe dazwischen ist tatsächlich die einzige, die im Sommer wirklich da ist und dann erst ab September oder später urlaubt. Über Lehrer habe ich hier noch gar nicht gesprochen, aber das versteht sich ja von selbst. Passt den Spielplan bitte an!

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