Hat Kovac sich verzockt?

Bayern-Trainer fehlt Plan B – Klopp gewinnt Trainer-Duell

Zweieinhalb Torchancen in 90 Minuten – das ist die ernüchternde Bilanz der Bayern im Rückspiel des Champions League-Achtefinales gegen den FC Liverpool. Die Konsequenz war das verdiente Ausscheiden gegen einen Gegner, der zwar außerordentlich gut aber mit alternativem Matchplan nicht unschlagbar war.

Genickbruch 0:1

Besonders auffällig: Die Spielidee der Bayern. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, mit viel Ballbesitz in der eigenen Hälfte den Gegner laufen zu lassen und somit aus dem Spiel zu nehmen. Auch wenn Liverpool von Beginn an hoch presste, hatten die Engländer bis zum 1:0 kaum Liverpool typische Ballgewinne, geschweige denn Torchancen. Und genau hier ist aus Trainersicht der Knackpunkt. Kovac‘ Plan A mit Ballbesitz und Spielkontrolle das 0:0 zu halten und auf die eine Lücke zu lauern, ging nur bis zum Rückstand auf. Das änderte sich aufgrund der Auswärtstorregel auch durch den Ausgleich nicht. Als seine Mannschaft ab dem 1:1 weiterhin gezwungen war, auf ein Tor zu spielen, fehlte ihr der Plan B und das vorher so kontrollierte Spiel glitt ihr aus der Hand. Das blieb auch in der zweiten Halbzeit so. Bis auf einen guten tiefen Ball von Ribéry auf Gnabry, dessen Hereingabe Lewandowski knapp verpasste, hatte der FC Bayern nicht eine einzige Szene im Strafraum von Gäste-Keeper Alisson Becker.

Hohes Pressing mit Flugbällen überspielen

Hohes Angriffspressing, besonders auf dem Level des FC Liverpool, kann eine Mannschaft kaum mit flachen Bällen ausspielen, auch nicht der FC Bayern München. Fast alle Bayern-Spieler sind durchgehend dem Ballführenden entgegengekommen. Dem Spiel fehlte jegliche Tiefe. Die Außenverteidiger Rafinha und Alaba waren im Aufbau tief gebunden und auch alle drei zentralen Mittelfeldspieler standen den Innenverteidigern Hummels und Süle fast auf den Füßen. Passwege Richtung Gnabry und Ribéry stellte Liverpool geschickt zu und Lewandowski war als Mittelstürmer allein auf weiter Flur. Auch wenn es vielleicht nicht immer schön aussieht und auch nicht der Stil des FC Bayern sein mag, sind Flugbälle ein probates Mittel gegen hohes Angriffspressing des Gegners. Dabei müssen es nicht immer lange Bälle weit hinter die gegnerische Abwehr sein. Vor allem Flugbälle zwischen die Linien spielen das Pressing auseinander. Selbst wenn der erste Ball nicht kontrolliert werden kann, ist der zweite Ball in der Regel frei und kann von den dann nachrückenden Spielern erobert werden. Liverpool stand durchgehend hoch und bot so viel Raum zwischen eigener Kette und Torwart. Raum, der bespielt werden muss. Kovac ist aber bis zuletzt nicht von seinem Plan abgewichen, auch nicht, als Coman ins Spiel kam. Der Wechsel von Martinez auf Goretzka kam zudem zu spät. Wenn Plan A nicht funktioniert – und das war spätestens zum Ende der ersten Halbzeit sichtbar – dann brauche ich einen Plan B. Klingt platt, ist auf dem Niveau aber unabdingbar.

Kovac kann und wird sich weiterentwickeln

Also ja, Kovac hat sich verzockt. Im Hinspiel hat sein Plan A gut funktioniert. Da war 0:0 ein gutes Ergebnis. Das Spiel zu kopieren war im Rückspiel aber spätestens mit dem 0:1 gescheitert. Die Aussagen von Lewandowski und Hummels nach dem Spiel, die durch die Blume suggerieren, dass der Plan auch ihrer Meinung nach zu defensiv ausgelegt war, bestätigen das. Zu keiner Zeit hatte man das Gefühl, dass es für Bayern ein Do-or-Die-Spiel ist. Vielleicht fehlt Kovac auf diesem Niveau etwas die Erfahrung. Es wäre schön zu sehen, dass er sich bis zum nächsten internationalen K.o.-Spiel weiterentwickeln kann. Das Zeug dazu hat er – ohne Zweifel. Die Bayern-Bosse sollten ihn auch lassen.

Klopp’s Meisterstück

Das Duell der beiden Trainer ging am Ende klar an Jürgen Klopp. Nicht, weil seine Mannschaft das Spiel gewann und zurecht im Viertelfinale steht, sondern weil „Kloppo“ sein Team perfekt gecoacht hat. Sein Coaching hat dem Gegner jegliche Möglichkeiten im Spiel nach vorne geraubt. Klopp hat seine Mannschaft bis zu letzten Minuten immer wieder hinten rausschieben und weiter aggressiv nach vorne verteidigen lassen. Während sich andere Teams – und auch Liverpool in der Vergangenheit – spätestens nach der 2:1-Führung zurückziehen und dem Gegner das Feld überlassen, hat die Mannschaft weiterhin an Klopps Schachzug festgehalten und der Trainer selbst dafür gesorgt, dass sie diesen bis zum Schlusspfiff auch nicht vergisst. Klopp matt!

Löw macht alles richtig und doch alles falsch

Sportliche Entscheidung richtig, Umsetzung stillos

Diese Nachricht bewegt Fußball-Deutschland. Bundestrainer Joachim Löw sortiert die Weltmeister Jerome Boateng, Thomas Müller und Mats Hummels aus der Nationalmannschaft aus. Richtig oder falsch? Beides!

Hummels, Müller und Boateng passen nicht mehr ins Konzept

Unbestritten haben alle drei Bayern-Spieler noch jede Menge Qualität, aber eben nicht mehr genug, um den Umbruch in der DFB-Elf mitzugestalten. Besonders Boateng und Müller spielten zuletzt eine untergeordnete Rolle in München. Schon in den letzten Länderspielen des vergangenen Jahres war zu erkennen, dass für die beiden in der Startformation der Nationalmannschaft kein Platz mehr ist. Müllers Spielstil widerspricht den neuen Anforderungen Löws an seine Offensivspieler, welche Leroy Sané, Timo Werner und Co. sichtbar erfüllen. Tempo, Dribbling und das Spiel in die Tiefe sind das, was Löw von seiner neuen Generation sehen will. Im Abwehrzentrum braucht der Bundestrainer vor allem Kontinuität, die Boateng aufgrund vieler Verletzungen im Verein kaum noch zeigen kann, wenngleich ich ihn noch immer für einen herausragenden Innenverteidiger halte. Einzig Hummels hätte Löw nicht ganz abschreiben sollen. Grundsätzlich ist dieser Schritt aber richtig.

Fragwürdiger Stil des Bundestrainers

Er vollzieht diesen aber mit viel zu vielen Nebengeräuschen. Verdienten Nationalspielern gibt man die Möglichkeit, selbst aus dem DFB-Team zurückzutreten und nimmt ihnen diese Entscheidung in ihrer Finalität nicht einfach ab. Er hatte eigentlich gar keinen Grund, die Entscheidung in aller Entgültigkeit zu verkünden. Auch der Zeitpunkt ist fragwürdig. Das letzte Länderspiel fand im November 2018 statt, das nächste in zwei Wochen. Der einzige Grund, der diesen Zeitpunkt rechtfertigt, ist, dass Löw und seine Gefolgsleute die ersten Spieltage in der Bundesliga abwarten und die Leistungskurve der drei Münchener beobachten wollten. In der Tat war kaum eine Steigerung zu erkennen, die eine weitere sportliche Berücksichtigung in der Nationalmannschaft rechtfertigt. Ob dies die Wahl des Zeitpunktes der Entscheidung geprägt hat oder nicht, wird Löw der Öffentlichkeit vielleicht noch mitteilen.

Boomerang-Gefahr für Löw

Unterm Strich aber passt dieser Schritt kaum zum Bundestrainer und es mangelt ihm etwas an Authenzität. Bekannt dafür, häufig zu lange an seinen Eckpfeilern festzuhalten, jetzt diesen Kahlschnitt zu wagen, gibt eine fette Delle in seiner Glaubwürdigkeit. Es bleibt zu wünschen, dass es sportlich die richtige Entscheidung sein wird, damit diese Geschichte nicht wie ein Boomerang Löws Hinterkopf trifft.

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