Oder: wenn eine Niederlage wieder so richtig schmerzt
Es ist dieser Moment, in der sich deine Gefühlslage an der Seitenlinie komplett verändert. Quasi mit dem Schlusspfiff schießt der Gegner noch ein Tor und deine innere Lava sprudelt an die Oberfläche. Frust, Wut, Trauer – alles vermengt sich miteinander und entlädt sich in einem Moment. Du weißt nicht, wohin, fragst noch mal beim Schiedsrichter nach, warum er wie entschieden hat, weißt aber gleichzeitig, dass es falsch ist, nichts bringt und vor allem nichts mehr verändert. Du setzt dich auf die Bank, allein, starrst auf den Platz, leicht geblendet vom grellen Flutlicht. Eigentlich willst du mit niemandem sprechen und gleichzeitig mit jedem Beteiligten noch mal das gesamte Spiel durchgehen. Niederlagen oder Unentschieden, die in letzter Sekunde entstehen, schmerzen unheimlich. Mit dieser Emotion im Moment selbst und auch in den Minuten, Stunden und Tagen danach umzugehen, ist eine Kunst. Wem Fußball, seine Spieler und sein Verein etwas bedeuten, leidet und muss lernen, mit diesem Leid umzugehen. Das ist ein Prozess.
Als 18-jähriger Trainer war ich dazu kaum in der Lage, hatte Emotionen, Wortwahl und Handlungen nicht immer im Griff. Dieser innere 18-Jährige begleitet einen fast die gesamte Zeit der Trainerlaufbahn und schaut immer mal wieder vorbei. Peinliches Schiedsrichter-Gepöbel, Sündenbock-Suche in den eigenen Reihen, Hasstirade auf den schlechten Untergrund – Ausreden finden ist leicht und mindert vielleicht in der ersten Phase nach der Niederlage die Wut, doch nachhaltig ist das nicht. Schlagt dem inneren 18-Jährigen die Tür vor der Nase zu.
Ich kann nur jedem empfehlen, sich direkt nach dem Spiel mit allem zurückzuhalten. Keine elendig langen Ansprachen im Kreis oder in der Kabine nach Abpfiff, keine Diskussionen mit Gegner und Schiedsrichter. Zieht euch kurz zurück, lasst es sacken, starrt ins Nichts und sucht gegebenenfalls sogar das Weite. In zweiter Instanz hilft ein Gespräch mit Co-Trainer, Kapitän oder anderen Führungsspielern – aber erst mit einem Sicherheitsabstand von ein bis zwei Stunden. Versucht nach einem Abendspiel nicht, direkt ins Bett zu gehen. Lest ein Buch, stöbert im Internet, schaut Fernsehen, bis ihr eure Augen nicht mehr aufhalten könnt. Am nächsten Tag geht die Sonne wieder auf und ihr seht das Spiel und alle Ereignisse deutlich klarer, objektiver und vor allem mit mehr Distanz. Diese Distanz ermöglicht erst eine sachliche Analyse. Denn nur diese bringt euch und eure Spieler weiter. Jeder der Verantwortung trägt, muss sich als erstes wieder aufrichten, Zuversicht ausstrahlen und mit Dingen, die geschehen und Vergangenheit sind, abschließen.
In schwachen, emotionalen Momenten vergesse ich all dies und der 18-Jährige schaut wieder vorbei. Das ärgert mich fast noch mehr, als der Misserfolg selbst. Erst denken, dann handeln. Selbstreflektion ist der Schlüssel, um ein gutes Vorbild zu sein. Nur so zieht ihr Spieler und Umfeld nachhaltig auf eure Seite und überzeugt von eurer Sache. Stärke zeigt sich nicht im Moment des Erfolgs, sondern in der dunkelsten Minute der Niederlage. Daraus ziehe ich die intensivste Art von Motivation.