Auch im Amateurfußball gilt: Erfolg ist ein bisschen planbar – wenn man nur will

Nun also rollt der Ball wieder. Meine Herren-Saison Nummer 19 steht an. 71 Tage nach dem Pokalsieg in der vergangenen Spielzeit beginnt die neue mit der ersten Runde von Neuem. Zeit, einen Blick auf das zurück zu werfen, was uns vor etwas mehr als zwei Monaten gelungen ist. Das war nämlich in Summe kein Zufall. Es folgt ein Versuch der Erklärung von Erfolg.

Im Herbst 2024 sah wirklich gar nichts danach aus, als könnte die vergangene Saison eine erfolgreiche werden. Sieben Punktspiele in Folge konnten wir nicht gewinnen. Nach gutem Saisonstart wurden wir in der Liga durchgereicht. Im Pokal gewannen wir in dieser Phase mit viel Glück gegen einen von drei weiteren Bezirksligisten im Wettbewerb. Zwar bekamen wir noch vor der Winterpause die Kurve, aber unterm Strich taumelten wir ziellos durch die Serie, obwohl sich die Jungs vor Saisonstart eigentlich selbst klare Ziele gesetzt hatten.

In der Pause analysierte ich die vergangenen Monate. Natürlich hatten wir mit Ausfällen zu kämpfen, ab und an war das Spielglück nicht auf unserer Seite, aber das durften keine Ausreden sein, denn die Tendenz war eindeutig. Das Team hat ein Problem mit Mentalität. Ein inflationär benutzter Begriff, der nicht allgemeingültig als Fazit gebraucht werden darf. Denn abseits des Platzes stimmte es. Die Stimmung war gut. Aber jedes Mal, wenn es im Training oder im Spiel nicht lief, duckten sich einige weg, andere reagierten gereizt, wenn Kritik von Mitspielern geäußert wurde. Eine extreme Dünnhäutigkeit war spürbar.

Hinrunden-Analyse: Die Mannschaft hat ein Mentalitätsproblem

Ich kam zu dem Schluss, dass es der der Mannschaft in erster Linie an einem gemeinsamen Ziel fehlte. Eine Hinrunde ist häufig merkwürdig. Die heißen Spiele im Pokal sind noch weit weg, in der Liga kann man schnell der Musik ganz vorne hinterherlaufen und im Niemandsland den Fokus verlieren. Hier die Spannung hochzuhalten, ist für ein Team wie unseres, das nicht mit dem klaren Ziel Aufstieg oder gar Meisterschaft in die Saison geht, es ob der Teamstruktur auch gar nicht kann, eine große Herausforderung.

Mit dem Jahreswechsel ändert sich das. Rettet man sich im Pokal in die zweite Saisonhälfte, hält man auch nur grob den Anschluss zum oberen Tabellendrittel, dann bekommt die restliche Saison ein Gesicht, eine Art Struktur. Sie wird greifbarer. Das habe ich schon häufiger erlebt. Das gilt übrigens auch für den Abstiegskampf. Auch hier ist das Bild der Spielzeit nach der Winterpause ein klareres.

Trainer Jan-Hendrik Schmidt coacht seine Mannschaft vom Niendorfer TSV.
Mentalität einzufordern war der Schlüssel in der Rückrunde.

Foto © Thorge Huter

Deshalb war für mich klar, das Erreichen des Pokalfinals als das große Ziel in den Vordergrund zu stellen. Da wir zur Winterpause schon im Halbfinale standen, konnte ich den Termin für die Vorschlussrunde als Zeitpunkt ausgeben, zu dem wir am absoluten Limit sein müssen – körperlich wie inhaltlich. Das Datum Mitte April (Ostermontag) war fett vermerkt im Kalender. Auf diese Erzähung, das höchste Level bis dahin zu erreichen, baute ich die gesamte Rückrunde auf.

Visuelle Veranschaulichung als Hilfestellung für die Mannschaft

Die Liga, für die das Ziel Top-Sechs ausgerufen wurde (wir waren Achter mit vier Punkten Rückstand auf Platz 6 und sieben auf Platz 5) sollte als Rhythmus-Finder dienen. Mentalität, Spiele unbedingt gewinnen zu wollen, sollte entwickelt, Abläufe vor allem gegen den Ball gefestigt werden. Jeder sollte sich dem Ziel, das Finale zu erreichen und um etwas spielen zu können, unterordnen. Das Thema Kommunikation untereinander wurde aufgearbeitet.

Zu Verdeutlichung erstellte ich eine Pyramide mit fünf Stufen unter dem Motto „Paso corto, vista larga“, also in etwa „kleiner Schritt, großer Blick“. Die erste Stufe war Mentalität und Kommunikation, die zweite Training, die dritte Offensive, die vierte Defensive, die fünfte Standards. Die Priorisierung erfolgte in dieser Reihenfolge, also bildete Mentalität und Kommunikation das Fundament usw. Für jede einzelne Stufe formulierte ich Glaubenssätze.

Den Fünf-Stufen-Plan stellte ich der Mannschaft vor Beginn der Rückrunde vor. Was auch immer einzelne Spieler, davon halten, wenn ich da in der Kabine mit einer PowerPoint aufdribble, der Plan war im Hirn. In regelmäßigen Abständen bezog ich mich auf die fünf Stufen, auf das Wording, auf das Ziel.

Niendorfs Yannick Schlewing jubelt über ein Tor.
Das Gefühl, immer antworten zu können, hatte sich im Laufe der Rückrunde in der Mannschaft breitgemacht.

Foto © Thorge Huter

Das Resultat: Ein beeindruckender Siegeslauf in 2025

Und die Mannschaft agierte wie ausgewechselt. Wir starteten mit zwei Siegen, es folgten drei Remis, darunter gegen den späteren Meister ein 3:3 nach 0:3-Rückstand, dann gab es fünf Siege in Folge und wir waren vor dem Halbfinale auf dem absoluten Peak. Dass das Spiel dann ein totaler Krampf wurde, weil der Kopf dann doch mehr mitspielte, als erhofft, gehörte zu dieser Reise dazu. Aber: bis zur 84. Minute lagen wir mit 0:2 zurück, trafen noch zweimal und setzten uns im Elfmeterschießen durch. Die einzige Pflichtspielniederlage in 2025 folgte dann im vorletzten Punktspiel. Danach gab es noch einmal drei Punkte, die uns bis auf Platz drei in der Liga katapultierten und den Sieg im Finale.

Die Mannschaft hatte es unterbewusst verstanden, was zu tun ist, um Fußballspiele zu gewinnen. Auch wenn die Attraktivität unseres Spiels unter dem Fokus auf Mentalität und Ergebnis litt, hat sich im Sog des gemeinsamen Ziels wirklich alles andere verbessert. Von vielen engen Spielen zogen wir bis auf eins alle auf unsere Seite. 2:1 wurde zum Standard-Ergebnis der Rückrunde. Die Intensität im Training war fast ungebrochen hoch. Und das alles, obwohl wir überwiegend mit 14-16 Spielern unterwegs waren.

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Auch wenn die Mannschaft es vermutlich nicht glaubt: der Schlüssel für diesen Weg liegt hinter dem Vereinen unter etwas Gemeinsamen. Das ist so unglaublich mächtig, so unglaublich wirkungsvoll. Es klingt vielleicht beinahe einfach, aber das ist es nicht. Es muss sehr konkret sein – und dieses Bild ist über eine ganze Saison hinweg sehr schwer zu schärfen. Deswegen ziehe ich auch meinen Hut vor allen Trainern und Teams, denen es gelingt, ein klares Ziel vor Saisonbeginn zu formulieren und bis zum Ende den Fokus so stark aufrecht zu erhalten, dass es am Ende auch erreicht werden kann.

Erkenntnisgewinn: Darum bin ich der Trainer, der ich bin

Jan-Hendrik Schmidt, Trainer der 3. Herren des Niendorfer TSV, im Spielerkreis nach einem Spiel.

Immer wieder werde ich mit der Frage konfrontiert, ob ich als Trainer nicht mal etwas anderes machen möchte. Anderer Verein, andere Mannschaft, andere Spielklasse. Jedes Jahr gibt es externe Anfragen. „Nein“, lautet stets meine Antwort – natürlich mit dem Zusatz der Dankbarkeit für das Interesse. Warum auch immer habe ich erst jetzt den Sinn dahinter verstanden, warum ich als Trainer nicht weiterkommen möchte. Ein Erkenntnisgewinn.

Es ist ein paar Jahre her, als mich noch mal der Ehrgeiz packte. Ich bewarb mich auf den Lehrgang zur B-Lizenz, nachdem ich bereits weit mehr als zehn Jahre als Trainer im Herren- und Jugendbereich tätig war. Ich wurde abgelehnt. Eine der schlimmsten Zurückweisungen, die ich in meinem Leben je erfahren habe. Es folgte ein langes, ehrliches Streitgespräch mit dem Verbandssportlehrer, den ich schon lange kannte. Dabei fiel ein Satz, der mich verletzte, aber der aus der heutigen Perspektive betrachtet, einfach wahr war. „Du hast mir nie gezeigt, ein ambitionierter Trainer sein zu wollen.“ Rums. Das hatte gesessen. Ich war wütend, verteufelte das Ausbildungsssystem, wohlwissend, dass ich mich inhaltlich nicht verstecken musste, auch wenn mir vielleicht der Sprech der Lehrbücher nicht Wort für Wort geläufig war. Kollegen sprachen mir gut zu. „Sie wissen ja, was ich kann“, dachte ich. Das gab mir ein gutes Gefühl. Thema durch.

Heute blicke ich etwas anders auf die Geschehnisse, auf alles, was ich in mittlerweile 18 Jahren Trainerdasein erleben durfte. Auf meine Zurückhaltung, Schritte nach vorne machen zu wollen, etwas Neues sehen zu wollen, mehr erreichen zu wollen. Ich habe mich gefragt, warum das so ist. Lange Zeit habe ich gedacht, dass mein Zeitfenster für all das einfach geschlossen sei. Die Phase, als Anfang 20-Jähriger, ist lange her. Ich habe es verpasst, meine Ambitionen zu formulieren und ihnen nachzujagen.

Ich war nie der Trainer, der nach Höherem strebte

Jetzt weiß ich, dass ich nie welche hatte, dass es für mich in meiner Rolle als Trainer nie darum ging, etwas für mich zu tun, einen Weg, gar ein Ziel zu verfolgen. Es war nie meine Aufgabe, junge Fußballer auszubilden, verschiedene Mannschaften zu formen, Lizenz für Lizenz zu absolvieren. In all dem sind andere besser, finden andere ihre Erfüllung. Neue Herausforderungen zu suchen, sich auf neue Gegebenheiten einzulassen. Nichts davon oblag mir.

Versteht mich nicht falsch. Ich bin ehrgeizig. Sehr sogar. Ich will gewinnen. Ich will besser werden. Als Mensch, als Trainer. Ich will meine Spieler im einzelnen besser machen und ich will, dass sich die Mannschaft weiterentwickelt. Und dennoch habe ich mir diese Frage gestellt, warum ich seit 19 Jahren an diesen Verein gebunden bin und insbesondere seit 18 Jahren an die von mir mit Freunden gegründete Mannschaft, obwohl von ihnen kaum noch einer bei mir spielt.

Anstoß für diesen Erkenntnisgewinn war die Verkündung des Karriereendes als Herrenspieler eines weiteren Freundes, der zehn Jahre Teil meines Team war und im Laufe der Zeit zu einem meiner engsten Freunde geworden ist. Wenn es für mich nicht darum ging, als Trainer voranzukommen, worum geht es mir dann? Was ist der Sinn hinter all dem, hinter dem Zeitaufwand, dem Stress.

Meine Aufgabe war das Zusammenbringen von Menschen

Und da wurde es mir klar: Der Sinn hinter all dem ist, dass ich Menschen zusammenbringe. Das mag für externe Leser und Beobachter banal, vielleicht etwas abgehoben klingen, aber das ist es nicht. Im Gegenteil. Es ist alles. Besagter Spieler, der zur neuen Saison in der Ü32 weiterkicken wird, also in jener Mannschaft, in der ein Großteil meiner engsten Freunde spielt, die im Kern aus Spielern meines Ursprungsteams gebildet wurde, war zehn Jahre lang an meiner Seite. Ich kannte ihn zuvor nicht. Sein Wechsel zu uns war Zufall. Wir hatten früh eine Verbindung. Er wurde ein Freund. Spieler von damals, die er vorher auch nicht kannte, sind nun auch seine Freunde. Seine zukünftige Frau und er kamen sich auf meiner Hochzeit näher. Sie ist die Schwester einer meiner ehemaligen Jugendspieler, mit dessen Familie sich über die Zeit ebenfalls eine starke Verbindung aufgebaut hatte und der auch mitterweile Teils meines Teams ist. Wir waren zusammen im Urlaub, haben unglaublich viel Zeit zusammen verbracht, beide sind auch wichtige Personen für meine Tochter. Jetzt ist meine Frau Trauzeugin von der zukünftigen Braut.

Ich habe diesen Spieler dabei begleiten dürfen, wie er von einem manchmal nervigen 22-Jährigen zu einem erfolgreichen Mann gereift ist. All die Momente, die uns durch das Zusammenkommen als Gruppe geschenkt wurden, bleiben für immer. Und ich kann unzählige weitere solcher Verbindungen aufschreiben. Da ist meine Frau, Schulfreundin der heutigen Ehefrau meines langjährigen Kapitäns, die ich nur dadurch kennenlernen konnte, weil es dieses Team gab, das Menschen anzog. Und dann ist ein Spieler, der allen völlig fremd nach Hamburg kam, dessen Trauzeuge ich Jahre später sein durfte. Und, und, und… Ich habe so viel gegeben und dafür ein Vielfaches bekommen, aber nie mit dieser Absicht.

Das gemeinsame Erwachsenwerden der vergangenen 18 Jahre, die unzähligen tiefen Freundschaften, die in der Zeit entstanden sind, zwischen mir und anderen, oder die durch die Existenz dieser Gruppe zwischen anderen entstanden sind, ist für mich mehr Wert als jede Lizenz, jede höhere Spielklasse, jeder Zeitungsbericht über einen selbst als Trainer.

Die Geschichte wiederholt sich

Und all das, es endet nicht. Keine handvoll Spieler aus früheren Tagen ist noch Teil des Teams. Dafür sind es zahlreiche Kicker, die ich im Jugendbereich über viele Jahre begleiten durfte, die jetzt den Kern der Truppe bilden. Und es wiederholt sich. Ich sehe uns und mich vor 10-15 Jahren, wenn ich diese Mannschaft anschaue. Aber ich gucke nicht nur zu. Ich bin weiter Teil davon. Ich sehe die Begeisterung, mit der diese Menschen jede Woche gemeinsam Zeit verbringen, ich sehe so viele Freundschaften, die entstehen, so viele Erinnerungen, die geschaffen werden, so viel Liebe und Freude. Ich fühle mich jung, gebraucht, geschätzt. Ohne Druck, ohne Erwartungen. Es geht nur um die Menschen.

Jetzt mag mir der ein oder andere unterstellen, dass ich mir mein Versagen, kein ambitionierter Trainer sein zu können, schönrede. Auch damit habe ich mich auseinandergesetzt. Und ich dachte mir über einen längeren Zeitraum, dass da sogar etwas dran sein könnte. Aber diese Gedanken sind weg. Ich bin frei. Der Sinn meines Trainerdaseins liegt so klar vor mir wie noch nie – und damit auch die Akzeptanz dafür, dass andere mich vielleicht belächeln, immer auf derselben Stelle zu treten. Aber das tue ich gar nicht. Ich komme immer weiter – als Mensch. Und davon abgesehen: die Deutung dieses so immens wuchtigen Teils meines Lebens überlasse ich nicht anderen Menschen. In Sachen Fußball habe ich meinen Frieden gefunden, meinen Sinn erkannt. Und was soll ich sagen, außer, dass ich unendlich dankbar dafür bin.

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Also werde ich auch beim nächsten Mal freundlich nein sagen, wenn ich gefragt werde, ob ich mal etwas Neues ausprobieren möchte. Dennoch wird irgendwann auch der Tag kommen, an dem ich nicht mehr kann. Aber dieser Tag ist noch fern.

2024: Ein Jahr am Rande der eigenen Grenze

Jan-Hendrik Schmidt, Trainer der 3. Herren des NIendorfer TSV, jubelt über ein Tor.

Seit einiger Zeit beschäftigt mich diese Frage schon: Wie lange bin ich noch Trainer? Die Antwort bleibe ich mir selbst schuldig – noch. Im vergangenen Jahr war die Frage gleichzeitig präsenter denn je und so weit weg wie lange Zeit nicht mehr. Ein Blick zurück auf ein Fußball-Jahr 2024, das sportlich so viel versprach und es dann nicht halten konnte. Was mich bei Laune hält? Die Entwicklung in der Kabine.

Januar/Februar/März: Der Start ins Jahr ist eisig, im wahrsten Sinne. Kein Training auf dem Platz möglich, dafür Kraftzirkel im Kabinentrakt, Soccerhalle. Dann taut es und wir testen gleich zwei Mal gegen Landesligisten. Wir verlieren, aber wir spielen gut. Mutig, mit Idee, fehlerhaft immer mal wieder, aber wir sind gut vorbereitet auf den schwierigen Start mit vielen starken Gegnern unserer Staffel. Doch die Ergebnisse passen nicht, trotz überwiegend guter Leistungen. Nur ein Punkt aus den ersten drei Spielen und der Zug der Spitzengruppe fährt wieder ohne uns ab. Aus Zuversicht und Selbstvertrauen werden leise Zweifel, die wir dann im März mit zwei Siegen hintereinander kurzzeitig aus dem Weg räumen. Es folgt ein verrücktes 4:4, das schlimmer nicht sein könnte und damit der endgültige Wendepunkt dieser Saison. Final besiegelt durch die Niederlage beim Letzten. Alles, was wir uns nach der Winterpause aufgebaut hatten, war eingerissen. Und schon war der Blick mehr Richtung Sommerpause gerichtet als Richtung folgende Aufgaben. Malle war gebucht und irgendwie wirkte das sportliche Geschehen beinahe zweitrangig.

Der Mallorca-Trip als Retter eine mauen Saison

April/Mai/Juni: Und es wurde noch schlimmer. Ein taumelndes Team mit schwachen Leistungen und wilden Ergebnissen, das sich dank zweier Siege irgendwie im Niemandsland festbeißen konnte. Eine sportlich verkorkste Saison, die auch in der Kabine nur wenig Anhaltspunkte für Entwicklung bot. Auch der Abschied einer Team-Ikone tat weh. Doch dann kam der Trip nach Mallorca, erstmalig fast nur mit der Nachfolge-Generation des langjährigen Gründungsteams. Megapark und Bierkönig brachten eine Gruppe zusammen, die bunt war. Vorfreude auf die neue Saison machte sich bemerkbar, Ideen für ein intensiveres Miteinander entstanden am Pool an der Playa de Palma. Die von mir länger ersehnte Partizipation nahm ihren Anfang. Ein gutes Gefühl.

Juli/August/September: Ich verändere zur neuen Saison ein paar Dinge in Sachen Teilnahme. Standardsituation werden outgesourced an die Mannschaft, auch die Zielsetzung wird in Gruppen erörtert und vorgetragen. Personell geht es mit nur wenig Änderungen in die neue Spielzeit, noch einmal wird der Kader verjüngt, zwei Musterknaben ehrlicherweise, was die Integration spielend leicht macht. Ich merke aber zunehmend auch, wie schwierig greifbar die ganz jungen Jahrgänge für mich mittlerweile sind. 2006 bin ich 18 geworden. Jetzt kicken Spieler in meiner Mannschaft, die in dem Jahr geboren worden sind. Irre. Die Vorbereitung läuft sportlich etwas holprig mit einem entscheidenden Spiel gegen einen Kreisligisten, in dem wir zur Pause 0:3 zurückliegen und bodenlos spielen, in der zweiten Halbzeit aber ganz anders agieren und noch auf 3:3 stellen können. Alles, was da in der Halbzeit besprochen wurde, prägt die kommenden Wochen. Wir spielen zum Ligastart diszipliniert, gewinnen erstmals überhaupt seit dem Bezirksliga-Aufstieg 2014 die ersten beiden Spiele. Trotz zweier Dämpfer bleiben wir in der Spur und treffen dann nacheinander auf die Topteams der Liga, gegen die wir fast alles gut aussehen, teils sehr mutig und aggressiv mitspielen, phasenweise dominant. Die Nachwehen des Malle-Trips sind spürbar. Das im Sommer abermals entstandene Führungsvakuum wird häppchenweise gefüllt, nach den Spielen bleiben die Jungs länger in der Kabine, die Teamabende erfreuen sich reger Teilnahme. Erstmalig glaube ich, dass das fußballerische Potenzial des Teams endlich so abgerufen werden kann, dass es für die Spitzengruppe reicht.

Total-Absturz im Herbst

Oktober/November/Dezember: Wir gewinnen noch unsere Pflichtaufgabe im Pokal, ehe ansatzlos der totale Absturz beginnt. Wirklich gar nichts hatte darauf hingedeutet. Im Oktober bin ich das erste Wochenende privat verhindert, das Team verliert in meiner Abwesenheit gegen einen schlagbaren Gegner trotz vieler Chancen aber auch nach zugegebenermaßen schwacher Leistung. In der Rückmeldung werden mir dann zu positive Signale gesendet und ich verkenne die Situation. Es folgt ein Fiasko daheim mit Platzverweis und Klatsche. Eine Woche später reagiert die Mannschaft zwar in Sachen inhaltlicher Disziplin, wirkt aber zunehmend ideenloser im Spiel nach vorne. Das Selbstvertrauen ist weg, die Punkte nach einem Patzer in der Schlussphase auch. Ein weiteres Desaster folgt in einem Heimspiel. Ein blutleerer Auftritt, bei dem wir eine Halbzeit in Überzahl spielen dürfen und dabei gegen einen abermals schlagbaren Gegner ganz schlecht aussehen und keine Durchschlagskraft haben. Es ist das Spiel, nachdem ich mental auf Grund gehe. Das Team wirkt tot. Keine Ansprache zieht. Ich frage mich, ob die Spieler, von denen eben ein sehr großer Teil trotz der jungen Jahre schon sehr lange unter mir spielt, vielleicht doch mal einen neuen Impuls brauchen. Ich kommuniziere diese Gedanken aber nur einem sehr kleinen Kreis, aus dem sofort sorgenvolles Feedback kommt und die Existenz des Teams mit mir verknüpft wird. Die Art und Weise gibt etwas Mut – Frage nach dem „Wie lange noch?“ vertagt.

Mitten in diese Zeit fällt eine englische Woche mit einem Pokalspiel auswärts in Billstedt auf einem Dienstag um 19 Uhr. Ohnehin fehlen viele Spieler gegen einen sehr starken Gegner, gegen den wir erneut ohne Selbstvertrauen aber endlich mal wieder mit Herz spielen. Dann verletzt sich unser Kapitän und ein enger Freund von mir schwer. Schlüsselbeinbruch. Ich bin bei der Erstversorgung dabei, telefoniere während das Spiel schon weiterläuft mit dessen Verlobten, organisiere das weitere Prozedere. Als ich fast wieder bei der Trainerbank ankomme, halte ich kurz inne. Es wird alles zu viel. Mir kommen die Tränen. Es geht mir zu nahe. Das Team kämpft und gewinnt in Überzahl glücklich mit 1:0. Eine Runde weiter. Balsam für die Seele der Jungs. Beim Tor spüre ich nichts – und das kurz vor Schluss.

Teaminterne Sitzung ohne mich als Wendepunkt

Doch das Spiel ist kein Brustlöser. Es folgen zwei weitere Spiele, die von grenzenloser Verunsicherung geprägt sind. Wie trainiert man Selbstvertrauen? Ich habe selten eine Mannschaft gesehen, die bei allem personellen Aderlass eigentlich so gut besetzt ist, aber zwei Klassen schlechter spielt, weil die Angst mit im Fußballschuh hockt. Doch dann passiert es. Aus dem Team heraus gibt es einen Impuls. Endlich. Ein Spieler prescht nach vorne, gründet eine WhatsApp-Gruppe ohne Trainer mit ein paar Spielern, zitiert den Rest der Truppe zur Aussprache vor dem nächsten Heimspiel. Früheres Treffen als üblich. Ich weiß, dass ich über all die Jahre wenig Raum gelassen habe für Führung. Doch der wurde immer genutzt durch enge vertraute Spieler, die nun aber nicht mehr Teil des Teams waren. Mein Drang, mehr Raum zu geben, entfaltete sich also parallel zur abnehmenden Führungsverantwortung im Team. Kein guter Mix.

Ohne mein Beisein werden Dinge angesprochen, die den Spielern wichtig sind. Ich weiß bis heute nicht genau, was alles besprochen wurde. Und obwohl das meiner Neugier widerspricht, bewahre ich die Situation genau so. Wir spielen furios, führen schnell hoch, machen den Sack nicht zu und zittern am Ende etwas unnötig – 3:2. Eine Woche später gibt es den nächsten Sieg und auch wenn das letzte Spiel vor der Winterpause ergebnistechnisch ordentlich in die Hose geht, ist die Tendenz wieder steigend.

Die Saison kann doch eine gute werden

Fazit: Unterm Strich muss man sagen, dass auch diese Saison vermutlich gelaufen ist in der Liga. Das Gute: Im Pokal stehen wir im Halbfinale, das am Ostermontag gespielt wird. Das kann uns tragen wie vor zwei Jahren, als wir Pokalsieger wurden. Aber selbst wenn ich Ende Mai nicht wieder Trainer eines Pokalsiegers sein sollte, könnte die Saison eine andere Bewertung erfahren wie die vorige, wenn diese Tendenz in Sachen Kabine eben jene steigende ist. Dann könnte es eine gute Spielzeit sein.

Dass ich nach so vielen Jahren, es ist meine 18. Saison als Herrentrainer, doch noch Neues erlebe, sehe, wie aus jungen Männern langsam Erwachsene werden, die Verantwortung spüren und verantwortlich handeln, zeigt mir, dass ich weiterhin noch von dieser Tätigkeit profitiere, dass ich weiterhin lerne, dass ich weiterhin Menschen um mich herum versammle, die mich begeistern. Und deshalb mache ich das ja – irgendwie.

Wenn der Blick in den Spiegel schmerzt

Die heile Amateurfußball-Welt, die ich mir in den vergangenen Wochen geschaffen habe, tat gut. Ergebnisse gut, Training extrem gut, Stimmung im Team sehr gut. Dann folgte der heutige Tag. Ich ärgere mich so unendlich über mich selbst, dass der Blick in den Spiegel schmerzt. Persönlich war es heute meine erste Saisonniederlage (bei der anderen war ich im Urlaub). Was mich so an mir selbst ärgert? Meine Nachlässigkeit.

Heute hat gar nichts gepasst. Wir waren schlecht. Welche Faktoren im Einzelnen dafür verantwortlich waren, ist am Ende gar nicht so entscheidend, sondern der Fakt, dass ich selbst so weit weg von einer guten Leistung war, dass es mich erschreckt. Und jede Minute mehr, die seit Abpfiff verstreicht, sorgt dafür, dass mir bewusster wird, dass sich die Nicht-Leistung heute seit ein, zwei Wochen angebahnt hatte und ich im Zuge des guten Starts eben nachlässig geworden bin. Der Dringlichkeit meiner Performance bin ich wegen eines guten Gefühls nicht mehr nachgekommen.

Ich habe weniger intensiv das Training und entsprechende Inhalte vorbereitet, mich dabei davon blenden lassen, dass die Intensität in den Einheiten aufgrund des neuen Konkurrenzskampfs und der guten Stimmung ausreichen würde, die Ansprache und die Aufgabenverteilung für die vergangenen zwei, drei Spiele dürftig durchgeführt und im Spiel keine Antworten und Lösungen gefunden. Alles in allem bequem, unkonzentriert, ohne Fokus. Diese Erkenntnis trifft mich als Trainer sehr, weil es nicht mein Anspruch ist. Aber…

Faktor Zeit ein Problem

Das Problem: Diese Nachlässgikeit hat einen Ursprung, der nur schwer beim Schopf zu packen ist: der Faktor Zeit. Fünf Wochen war ich wegen meines Armbruchs krankgeschrieben, dann eine Woche im Urlaub, seit zwei Wochen arbeite ich wieder vollends. Genau in diesen zwei, drei Wochen hat sich mein Fokus auf den Fußball verschoben. Kind, Arbeit, Kind, dann schnell rüber zum Platz. Dort bin ich froh, dass das Training aktuell gut läuft. Inhaltlich zielgerichtet ist dies dann kaum, weil ich es nicht optimal vorbereiten kann. Auf den ersten Blick fiel das nicht groß ins Gewicht, heute wurde es mir offenbart.

Will ich meine schlechte Performance heute auf diese Ausrede schieben? Nein! Ich bin es meinen Jungs und auch mir selbst gegenüber schuldig, einen Weg zu finden, auf dem ich Fußball in der Vor- und Nachbereitung so unterbringe, dass ich besser bin als der Status Quo. Sonst muss ich Schluss machen oder den Anspruch so herunterfahren, dass meine Leistung dazu passt.

Geht es anderen Trainern auch so?

Ich würde es aber als gutes Zeichen werten, dass ich mich heute im Spiegel nicht angucken kann, dass ich jede einzelne Handlung heute hinterfrage und dass es mir alles andere als gefällt, dass ich nicht geliefert habe. Dazu kommt die Lust, es kommende Woche besser machen zu wollen. Das definiert zumindest unbewusst meinen eigentlich hohen Anspruch.

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Ich würde gerne wissen, wie das andere Trainer auf diesem Niveau mit Familie lösen und freue mich über Rückmeldungen. Dann kann ich ab morgen vielleicht auch wieder in den Spiegel schauen.

Tschüs, Lars: Ein Fußball-Abschiedsbrief an einen Krieger

Nun ist es also doch soweit. Dieses Mal konnte ich dich nicht mehr überreden. Nach acht Jahren an meiner Seite ist Schluss. Auch wenn ich dich lieber weiterhin bei mir gewusst hätte, ist dein Ende als Herrenfußballer verständlich. Lieber Lars, hier kommt mein öffentlicher Abschiedsbrief an einen Menschen, der mein Fußballerleben in einem Maße bereichert hat wie nur wenige andere. Tschüs, Lars!

Schon vor einem Jahr, als zwei andere verdiente Spieler, und vor allem enge Freunde, unser Team verließen, wählte ich diesen Weg des Abschieds. Zu schwierig wird es sonst am Sonntag, alle Worte so über die Lippen zu bringen, wie ich es gerne tun würde. Zu emotional fällt mir auch dieses Ende.

2016 bist du zu uns gekommen. Du wärest es gerne früher, hast du mal gesagt. Und du hast recht. Häufig kreuzen sich Wege später, als es vielleicht möglich gewesen wäre. Aber am Ende bin ich einfach froh, dass es überhaupt soweit gekommen ist.

Erstes Punktspiel, neue Eindrücke

Ich erinnere mich noch gut an dein erstes Punktspiel für uns. BU2 auswärts an der Dieselstraße. Jeder Zweikampf, jeder geklärte Ball wurde von dir gefeiert wie ein eigenes Tor. Wir haben uns damals verwundert die Augen gerieben, der Gegner war genervt. In diesem Moment hast du dich in unser aller Herzen gespielt. Ich habe seither nie wieder einen Spieler gesehen, der so genau auf den Punkt bis unters Dach motiviert ist, der so sehr gewinnen will, der alles für sein Team tut – auf und neben dem Platz.

Lars, du bist als Fußballer ein Vorbild an Leidenschaft. Ich weiß, dass du es manchmal nicht sehen magst, aber du hast jeden einzelnen deiner Mitspieler damit inspiriert. Ja, es mag dauern, bis man sich an deine Art und Weise gewöhnt, aber dann ist es das wertvollste Gut, das man in einer Mannschaft haben kann.

Auch als Co-Trainer eine Bereicherung

Vor einem Jahr, als du schon spielender Co-Trainer warst, als wir gerade den Pokal gewonnen haben und du dich eigentlich schon neben den beiden anderen Legenden verabschiedet sehen wolltest, hast du dich noch mal überreden lassen. Ein Jahr zum Übergang, zu kurzfristig war dein damaliger Wunsch, zu wenig vorbereitet. Ich bin froh, dass du Ja gesagt hast. Auch wenn du zu Beginn der Saison mehr spielen musstest, als du eigentlich wolltest, warst du vor allem als Co-Trainer eine enorme Bereicherung für die Mannschaft und mich. Immer, wenn es nötig war, hast du wieder deine Buffer geschnürt. Ich werde dir nicht oft genug Danke dafür sagen können.

Dass wir deinen sportlich herausragenden Jahren nun genau das Ende geben können, was du verdient hast, erfüllt mich mit Stolz. An deiner Seite wird Yannik auflaufen, mit dem du schon früher auf dem Feld standest. Ein Szenario wie gemalt. Ein sich schließender Kreis.

Ein Vorbild durch und duch

In all den Jahren warst du Stammspieler, ab und zu auch mal Kapitän – immer ein Anführer. Einer, an dem sich andere orientieren konnten, einer, der immer für die anderen da war. Schmerzen hast du ignoriert, immer und immer wieder. Du hast deinen Körper geschunden, Jahr für Jahr. Niemand kann dir jemals hoch genug anrechnen, was du für dieses Team, für diesen Sport gegeben hast. Du bist ein Krieger.

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Aber da ist ja nicht nur der Fußball. Da ist ja auch noch dieses andere. Freundschaft. Keine zwei Jahre kannten wir uns, da warst du schon mit auf meinem JGA, als Gast auf meiner Hochzeit, ein paar Jahre später Onkel Lars für meine Tochter. Wir haben uns oft gestritten, wir waren oft nicht einer Meinung. Aber wir haben uns immer lieb gehabt, immer diese Freundschaft weiterentwickelt. Ich bin froh über jede gemeinsame Erinnerung, die uns der Fußball beschert hat, jeden Moment Freude und Trauer, jeden Drink, jede Party, jedes Jahr Malle.

Einmal noch Fußball und dann (vorerst) ein letztes Mal Malle. Weitere Erinnerungen, weitere Momente, die ich immer mit dir verbinden werde. Jetzt genieß dein letztes Spiel. Es gehört dir. Tschüs, Lars!

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