Nun also rollt der Ball wieder. Meine Herren-Saison Nummer 19 steht an. 71 Tage nach dem Pokalsieg in der vergangenen Spielzeit beginnt die neue mit der ersten Runde von Neuem. Zeit, einen Blick auf das zurück zu werfen, was uns vor etwas mehr als zwei Monaten gelungen ist. Das war nämlich in Summe kein Zufall. Es folgt ein Versuch der Erklärung von Erfolg.
Im Herbst 2024 sah wirklich gar nichts danach aus, als könnte die vergangene Saison eine erfolgreiche werden. Sieben Punktspiele in Folge konnten wir nicht gewinnen. Nach gutem Saisonstart wurden wir in der Liga durchgereicht. Im Pokal gewannen wir in dieser Phase mit viel Glück gegen einen von drei weiteren Bezirksligisten im Wettbewerb. Zwar bekamen wir noch vor der Winterpause die Kurve, aber unterm Strich taumelten wir ziellos durch die Serie, obwohl sich die Jungs vor Saisonstart eigentlich selbst klare Ziele gesetzt hatten.
In der Pause analysierte ich die vergangenen Monate. Natürlich hatten wir mit Ausfällen zu kämpfen, ab und an war das Spielglück nicht auf unserer Seite, aber das durften keine Ausreden sein, denn die Tendenz war eindeutig. Das Team hat ein Problem mit Mentalität. Ein inflationär benutzter Begriff, der nicht allgemeingültig als Fazit gebraucht werden darf. Denn abseits des Platzes stimmte es. Die Stimmung war gut. Aber jedes Mal, wenn es im Training oder im Spiel nicht lief, duckten sich einige weg, andere reagierten gereizt, wenn Kritik von Mitspielern geäußert wurde. Eine extreme Dünnhäutigkeit war spürbar.
Hinrunden-Analyse: Die Mannschaft hat ein Mentalitätsproblem
Ich kam zu dem Schluss, dass es der der Mannschaft in erster Linie an einem gemeinsamen Ziel fehlte. Eine Hinrunde ist häufig merkwürdig. Die heißen Spiele im Pokal sind noch weit weg, in der Liga kann man schnell der Musik ganz vorne hinterherlaufen und im Niemandsland den Fokus verlieren. Hier die Spannung hochzuhalten, ist für ein Team wie unseres, das nicht mit dem klaren Ziel Aufstieg oder gar Meisterschaft in die Saison geht, es ob der Teamstruktur auch gar nicht kann, eine große Herausforderung.
Mit dem Jahreswechsel ändert sich das. Rettet man sich im Pokal in die zweite Saisonhälfte, hält man auch nur grob den Anschluss zum oberen Tabellendrittel, dann bekommt die restliche Saison ein Gesicht, eine Art Struktur. Sie wird greifbarer. Das habe ich schon häufiger erlebt. Das gilt übrigens auch für den Abstiegskampf. Auch hier ist das Bild der Spielzeit nach der Winterpause ein klareres.

Foto © Thorge Huter
Deshalb war für mich klar, das Erreichen des Pokalfinals als das große Ziel in den Vordergrund zu stellen. Da wir zur Winterpause schon im Halbfinale standen, konnte ich den Termin für die Vorschlussrunde als Zeitpunkt ausgeben, zu dem wir am absoluten Limit sein müssen – körperlich wie inhaltlich. Das Datum Mitte April (Ostermontag) war fett vermerkt im Kalender. Auf diese Erzähung, das höchste Level bis dahin zu erreichen, baute ich die gesamte Rückrunde auf.
Visuelle Veranschaulichung als Hilfestellung für die Mannschaft
Die Liga, für die das Ziel Top-Sechs ausgerufen wurde (wir waren Achter mit vier Punkten Rückstand auf Platz 6 und sieben auf Platz 5) sollte als Rhythmus-Finder dienen. Mentalität, Spiele unbedingt gewinnen zu wollen, sollte entwickelt, Abläufe vor allem gegen den Ball gefestigt werden. Jeder sollte sich dem Ziel, das Finale zu erreichen und um etwas spielen zu können, unterordnen. Das Thema Kommunikation untereinander wurde aufgearbeitet.
Zu Verdeutlichung erstellte ich eine Pyramide mit fünf Stufen unter dem Motto „Paso corto, vista larga“, also in etwa „kleiner Schritt, großer Blick“. Die erste Stufe war Mentalität und Kommunikation, die zweite Training, die dritte Offensive, die vierte Defensive, die fünfte Standards. Die Priorisierung erfolgte in dieser Reihenfolge, also bildete Mentalität und Kommunikation das Fundament usw. Für jede einzelne Stufe formulierte ich Glaubenssätze.
Den Fünf-Stufen-Plan stellte ich der Mannschaft vor Beginn der Rückrunde vor. Was auch immer einzelne Spieler, davon halten, wenn ich da in der Kabine mit einer PowerPoint aufdribble, der Plan war im Hirn. In regelmäßigen Abständen bezog ich mich auf die fünf Stufen, auf das Wording, auf das Ziel.

Foto © Thorge Huter
Das Resultat: Ein beeindruckender Siegeslauf in 2025
Und die Mannschaft agierte wie ausgewechselt. Wir starteten mit zwei Siegen, es folgten drei Remis, darunter gegen den späteren Meister ein 3:3 nach 0:3-Rückstand, dann gab es fünf Siege in Folge und wir waren vor dem Halbfinale auf dem absoluten Peak. Dass das Spiel dann ein totaler Krampf wurde, weil der Kopf dann doch mehr mitspielte, als erhofft, gehörte zu dieser Reise dazu. Aber: bis zur 84. Minute lagen wir mit 0:2 zurück, trafen noch zweimal und setzten uns im Elfmeterschießen durch. Die einzige Pflichtspielniederlage in 2025 folgte dann im vorletzten Punktspiel. Danach gab es noch einmal drei Punkte, die uns bis auf Platz drei in der Liga katapultierten und den Sieg im Finale.
Die Mannschaft hatte es unterbewusst verstanden, was zu tun ist, um Fußballspiele zu gewinnen. Auch wenn die Attraktivität unseres Spiels unter dem Fokus auf Mentalität und Ergebnis litt, hat sich im Sog des gemeinsamen Ziels wirklich alles andere verbessert. Von vielen engen Spielen zogen wir bis auf eins alle auf unsere Seite. 2:1 wurde zum Standard-Ergebnis der Rückrunde. Die Intensität im Training war fast ungebrochen hoch. Und das alles, obwohl wir überwiegend mit 14-16 Spielern unterwegs waren.
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Auch wenn die Mannschaft es vermutlich nicht glaubt: der Schlüssel für diesen Weg liegt hinter dem Vereinen unter etwas Gemeinsamen. Das ist so unglaublich mächtig, so unglaublich wirkungsvoll. Es klingt vielleicht beinahe einfach, aber das ist es nicht. Es muss sehr konkret sein – und dieses Bild ist über eine ganze Saison hinweg sehr schwer zu schärfen. Deswegen ziehe ich auch meinen Hut vor allen Trainern und Teams, denen es gelingt, ein klares Ziel vor Saisonbeginn zu formulieren und bis zum Ende den Fokus so stark aufrecht zu erhalten, dass es am Ende auch erreicht werden kann.