Ein letzter Tanz

Wir waren Grundschüler, als du, der Nachbarsjunge, durch das Wohnzimmer meines Kumpels tobtest. Es war das erste Mal, dass ich dich habe Fußballspielen sehen. Nun bin ich dabei, wenn du es (vorerst) das letzte Mal tun wirst. Der Rahmen könnte passender nicht sein. Es ist ein Finale. An dem Ort, an dem wir gemeinsam vor neun Jahren den größten Erfolg unserer so langen gemeinsamen Zeit gefeiert haben. Warum ich das hier schreibe? Weil ich weiß, dass ich es in diesem Umfang nicht schaffen werde, wenn ich dich verabschiede.

Seit über einem Jahr denke ich darüber nach, was ich sagen könnte. Da hattest du das erste Mal dein Karriereende im Kopf. Aber du konntest noch nicht aufhören. Ein Jahr noch. Eines, in dem mir diese Gedanken immer wieder kamen, immer wieder mit Tränen in den Augen verbunden. Eines, das wir unbedingt in diesem Rahmen beenden wollten, der uns der kommende Samstag nun bietet.

Warum ist dieser Abschied so besonders? Seit 18 Jahren bist du an meiner Seite auf dem Fußballplatz. Als Mitspieler, als mein Kapitän, als verlängerter Arm, als ich nicht mehr konnte, als einer meiner besten Freunde. Du warst nie der Typ, der im Vordergrund stehen wollte, du warst nie der klassische Kapitän, aber du warst immer der Kapitän, den ich brauchte. Du hattest stets ein Gefühl für Situationen, wann du eingreifen, wann du laut werden musstest – und vor allem, wenn du mich bremsen oder mir kontra geben musstest.

Wir haben gemeinsam Spiele gewonnen. Das erste noch in der Schulmannschaft, im Herrenbereich das erste Mal auf dem Rasenplatz von Grün-Weiß Eimsbüttel. Den größten Sieg feierten wir 2014 an eben jenem Finalort, an den wir am Samstag zurückkehren werden. Wir haben auch Spiele verloren. Das erste im Finale um die Hamburger Schulmeisterschaft 2006, das erste im Herrenbereich in unserem allerersten Pokalspiel auf Asche beim FC St. Pauli am Heiligengeistfeld. Die schlimmsten Niederlagen aber folgten. Der lange Abstiegskampf im ersten Bezirksligajahr hat an uns genagt. Du warst immer da. Es ging nur gemeinsam. Am Ende mit gutem Ausgang.

Wir haben gefeiert, wir haben getrauert, wir sind durch die schlimmsten Momente gegangen, als Thorsten plötzlich nicht mehr da war. Aber auch durch die schönsten. Deine heutige Ehefrau kam dazu, wodurch ich meine kennenlernen konnte. Unsere Freundschaft wurde noch einmal enger. Wir haben unzählige Stunden über Fußball geredet, selbst als unsere Töchter auf die Welt kamen und sich der Fokus verschoben hat. Es kamen andere Themen. Themen, über die wir auch sprechen. Wir sind zusammen erwachsen geworden. All das, was ich mit Fußball verbinde, verbinde ich mit dir. Und mit deinem Abschied endet dieses großartige Kapitel endgültig. Angefangen als Hampelmänner, angekommen als Väter.

Dich gibt es seit Kleinkindertagen nur mit Fußball. Spielerpass seit 1996. Immer du und der Ball, immer zwei Tore, immer deine Jungs, immer derselbe Verein. Der größte Erfolg all dieser Zeit wird niemals ein Pokal oder ein Aufstieg sein können, sondern immer die vielen Freundschaften, diese tiefe Verbundenheit zu allen Beteiligten einer außergewöhnlichen Reise, diese ganzen Erinnerungen.

Aber lass uns noch einmal eine weitere Erinnerung hinzufügen, eine, die kaum würdiger für diesen Tag sein könnte. One Last Time, One Last Dance!

Danke, Henning!

Ich bin müde

Fußballtrainer Jan-Hendrik Schmidt gibt Anweisungen.
Die schlimmste Vorbereitung aller Zeiten: Von Müdigkeit, Hoffnungsschimmern und einem großen Wunsch

Die Idee hinter diesem Blog war immer, ehrlich zu sein. Einblicke zu geben in das tiefste meines Trainerdaseins. Deswegen werde ich es auch dieses Mal so handhaben. Am Samstag beginnt die neue Saison. Fünf Wochen Vorbereitung liegen hinter meiner Mannschaft und mir. Es war die schlimmste und vor allem demotivierendste Vorbereitung in meinen 15 Jahren als Trainer. Was nach vorigen, auch eher schleppenden Vorbereitungen noch im Verborgenen lag, kommt nun immer weiter an die Oberfläche. Mir fiel es noch nie so schwer, gegen Widerstände anzugehen wie in diesem Sommer. Ich bin müde.

Meine Mannschaft hat in den vergangenen Jahren ein anderes Gesicht bekommen. Zum einen gezwungenermaßen, um den Alterschnitt wettkampffähig zu halten, zum anderen, um sich auch auf dem Platz weiterzuentwickeln. Das Gerüst, das diesen Umbruch zuletzt getragen hat, wird kleiner. Corona hat das Zusammenwachsen zusätzlich ausgebremst. Das alles spielt sicherlich eine Rolle. Auch, dass sich der Fokus in meinem Leben verschiebt. Meine Tochter, meine Frau, der Job. Das ist der Lauf der Dinge. Zum Thema Trainer mit Kind werde ich auch noch mal etwas schreiben.

Gelernt, mit vielen Veränderungen umzugehen

Doch all das sind Dinge, mit denen ich persönlich klarkommen muss. Und das kann ich auch. Ich habe seit dem Jahreswechsel den sportlich wie privaten Umbruch eingeordnet, gelernt, wie ich alles unter einen Hut bekomme und dabei trotzdem auf ein hohes Level an Intensität komme.

Doch mit einer Sache scheine ich nicht klarzukommen – und das ist die Resonanz meiner Mannschaft. Ich merke, wie sehr ich darauf angewiesen bin, dass etwas zurückkommt. Das war immer so. Ich habe extrem viel investiert, und das sehr gerne. Aber ich habe auch immer viel bekommen. Das hat sich verändert. Schleichend. Zwei Jahre Pandemie haben ihren Anteil daran. Freizeit hat eine andere Relevanz bekommen. Freiheit, Freunde, Reisen, Party – all das hat an Bedeutung gewonnen. Fußball nicht. Daran kann ich mich nicht gewöhnen. Auch wenn die Rückrunde der vergangenen Saison Hoffnung gegeben hat, hat die Vorbereitung diese wieder genommen.

Meine Mannschaft war meine Freizeit, meine Freunde – zunächst auf dem Platz, und zwangsläufig immer mehr daneben. Das ging den meisten so. Über Jahre. Erst spielen, dann etwas zusammen unternehmen. Unausgesprochen war das jedes zweite Wochenende klar. Ja, hier ist mal einer im Urlaub, und klar, hier ist mal einer anderweitig verhindert. Aber in Summe war Fußball vor allem eins: wichtig.

Fußball scheint nicht mehr so wichtig

Das scheint es nicht mehr zu sein. Ich weiß von vielen Kollegen, dass sie ähnliche Erfahrungen machen. Das Problem habe ich nicht exklusiv. Das hilft mir – und doch wieder nicht. Die Müdigkeit nimmt zu. Jede Trainingsabsage reduziert meine Motivation. Vielleicht war es auch in vorigen Vorbereitungsphasen ähnlich, aber da hatte ich weder das Gefühl, dass die Probleme aus Gleichgültigkeit entstanden noch habe ich diese Müdigkeit verspürt.

Und dann gibt es sie doch wieder, diese Momente, in denen mein Körper, mein Geist brennen. Beim letzten Testspiel war es so. Da hat vieles geklappt, aber auch am Mittwochabend zum Beispiel als TV-Zuschauer. Als die deutschen Frauen nicht nur ein weiteres Mal begeisternd Fußball gespielt haben, sondern einmal mehr als unglaubliche Einheit aufgetreten sind, zusammen gefeiert haben. Auf dem Platz. In der Kabine. „Das will ich auch“, habe ich in dem Moment gedacht. Ich will, dass der eine sich für den anderen freut, dass jeder Bock darauf hat, ein gemeinsames Ziel zu erreichen: gewinnen!

Das muss nicht immer klappen, damit es Spaß macht. Man muss es nur spüren, aus allen Richtungen des Teams. Und wenn ich mit meiner Mannschaft gewinnen will, dann komme ich auch zum Training, plane das Wochenende nach meinen Spielen. Da will ich hin. Sportliche Weiterentwicklung? Erst einmal egal. Menschlichkeit, das ist mir wichtig.

Das Verlangen nach Resonanz und Begeisterung

Nicht falsch verstehen. Meine Mannschaft ist toll. Eine gute Mischung. Anders als früher, aber ein großartiger Haufen, der als Ganzes nur einfach noch nicht herausgefunden hat, wie geil gemeinsam gewinnen wollen ist.

Und dann kommt nach so einem Mittwochabend, der Donnerstagmorgen, der Vormittag, der Mittag. Trainingsabsagen. Gerade hat man sich hochgefahren, dann fährt man wieder herunter. Ich weiß: Als Trainer müsste ich mich davon freimachen. Kann ich aber nicht mehr. Das ist das, was ich mit ehrlich sein meine.

Hätte ich an diesem Donnerstag berufsbedingt nicht mit der großartigen Friederike Kromp (Trainerin der deutschen U17-Mädels) telefoniert, dann hätte ich mich zum Training nicht mehr zusammenraufen können. Ich kenne Fritzy schon etwas. Mit ihr über Fußball zu sprechen, ist einfach spannend. Ihre Begeisterung steckt an.

Ihr merkt den Roten Faden, oder? Resonanz. War ich früher alleine in der Lage, Begeisterung zu entwickeln, benötige ich heute häufiger ein begeisternden Gegenüber. Ist da auf der anderen Seite noch jemand, der dieses Spiel so liebt, dann bin ich direkt wieder da. Und das wünsche ich mir von einem Großteil meiner Spieler. Liebt dieses Spiel. Liebt die Lust auf Siege. Liebt die Person neben euch auf dem Platz. Das steckt jeden an, auch mich.

Das erste Punktspiel steht an

Jetzt geht es Samstag los. Kleiner Kader. Dieselben, die über fünf Wochen diese schwierige Vorbereitung gestemmt haben. Diejenigen, die seit einigen Einheiten ähnlich frustriert über die Situation sind wie ich. Dieser Haufen wird es richten. Ich habe Lust, es mit ihm zu wuppen. Und ich bin mir sicher, er hat es auch.

Elf Spieler reichen doch

Warum fallen so viele Amateurfußballspiele aus

Warum fallen so viele Amateurfußballspiele aus?

Um ein Fußballspiel zu spielen, braucht eine Mannschaft elf Spieler. Wenn noch zwei, drei Spieler auf der Bank sitzen, umso besser. Doch in Zeiten, in denen ein Corona-Verdachtsfall ausreicht, um ein Pflichtspiel abzusagen, scheint das mit den elf plus drei Spielern irgendwie nicht mehr ganz richtig zu sein. Zumindest müssen einige Mannschaften einen so kleinen Kader haben, dass sie kaum elf Mann zusammenbekommen am Wochenende. Reihenweise fallen Spiele in diesem Jahr aus, nicht selten sind es immer dieselben Mannschaften, die ihre Ansetzungen wieder absetzen lassen. Und da stellt sich mir dann schon die Frage, ob sich alle Vereine ihrer Verantwortung für ein Mindestmaß an Gesundheitsschutz auf der einen, und für den sportlichen Wettbewerb auf der anderen Seite bewusst sind?

Mir fällt es schwer, meine Gedanken dazu zu sortieren. So, dass auch klar wird, worauf ich hinaus will. Richtig ist, dass es innerhalb eines Teams immer wieder Corona-Fälle gibt und geben wird. Das ist besonders in dieser Rückrunde so. Die Frage ist nun nur, wie man als Mannschaft damit umgeht. Meldet sich ein Spieler nach einem positiven Test, schaue ich doch erst einmal, ob er gegebenenfalls ansteckend in der Kabine saß. Wenn unwahrscheinlich, ist alles in Ordnung. Wenn möglich, lasse ich die anderen Spieler zwei, drei Tage in Folge einen Test machen. Da in der Kabine nahezu immer Maske getragen wird, ist das Übertragungsrisiko dann schon noch sehr gering.

Der sportlich faire Wettbewerb sollte über allem stehen

Das scheint aber bei vielen anderen Mannschaften anders zu sein. Zumindest finde ich Aussagen von Verantwortlichen schwierig, wenn es heißt, es haben sich wohl wieder viele untereinander in der Kabine angesteckt. Da scheint es dann auch keinerlei Schutzmaßnahmen zu geben. Natürlich wollen alle wieder lange in der Kabine sitzen und beim Duschen mal ein Bierchen zusammen trinken, aber eigentlich wollen wir doch in erster Linie diese Saison vernünftig zu Ende spielen, oder? Sollte das nicht über allem stehen? Ein sportlich fairer Wettbewerb ohne Verzerrungen?

Wenn schon einige Nachholspiele auf dem Plan stehen, muss man vielleicht etwas mehr darauf achten, dass es keinen Ausbruch in der Kabine gibt. Denn nur ein solcher Ausbruch legitimiert meiner Meinung nach auch eine Spielabsage. Wenn es innerhalb einer Mannschaft Corona-Fälle gibt, bei denen die Ansteckung im privaten Rahmen stattgefunden hat und die nicht aufs Team übertragen wurde, sollte man trotzdem versuchen zu spielen, auch wenn man nur elf Spieler hat. Natürlich gibt es immer Ausnahmefälle, in denen auch in solchen Situationen Absagen gerechtfertigt sind wie zum Beispiel, wenn von den elf verbliebenen Spielern einige zuvor noch zwei Wochen wegen einer Infektion pausieren mussten und das Gesundheitsrisiko dann einfach zu groß ist.

Spielermangel gab es immer schon

Am schlimmsten finde ich es aber, wenn sich der Verdacht erhärtet, man ließe wegen eines Falls Spiele ausfallen, weil aus anderen Gründen wichtige Spieler fehlen, also wenn Teams diese ohnehin nicht so glückliche Regel auch noch bewusst ausnutzen. Auch wenn ich bei abstiegsbedrohten oder sich im Aufstiegskampf befindenen Teams ein ganz bisschen Verständnis habe, müsste man auch in anderen Jahren mit Ausfällen wichtiger Stammkräfte zurechtkommen. Das gehört dann nun mal dazu. Jetzt könnte man sagen, dass bei mehreren Corona-Ausfällen ein sportlich fairer Wettbewerb ja auch nicht mehr gegeben wäre. Aber das Argument zieht nicht, weil ja auch Verletzungspech oder andere Krankheitswellen in den vergangenen Jahren kein Grund für eine Absage waren. Die Verbände haben eigentlich auch sauber in den Spielordnungen geregelt, wann es wegen Spielermangel Absagen geben darf.

Keine Verdachtsfallregel in der neuen Saison

Auch bei uns gibt es immer mal wieder Corona-Fälle, ein Spiel abgesagt habe ich deshalb noch nicht. Eine gute Kommunikation innerhalb des Teams, ein Verantwortungsgefühl bei Spielern und Funktionsteam sowie der Anspruch, am Wochenende eben jene elf plus drei Spieler auf den Spielberichtsbogen zu schreiben, gepaart mit dem letzten bisschen Gesundheitsschutz durch Maske in der Kabine machen es möglich. Das scheinen andere aber anders zu handhaben. Die Auswirkungen für den sportlichen Wettbewerb sind enorm. Das nervt! Lasst es uns gut zu Ende bringen! In der neuen Saison gibt es die Verdachtsfallregel dann immerhin nicht mehr. Ich bin gespannt, wie es dann laufen wird.

Amateurfußball ohne Kabine ist kein Amateurfußball

Ohne Kabine macht der Amateurfußball weniger Spaß.

Das Training ist zu Ende, in kleinen Gruppen holen die Spieler kurz ihre Sachen aus der Kabine, wechseln schnell ihre Schuhe, ziehen eine Jacke über und ab geht es nach Hause. Nur zwei, drei von ihnen duschen noch eben. Nur zehn Minuten nach dem Training ist die Kabine bereits wieder so gut wie leer. Dasselbe Bild am Wochenede. Kein Siegerfoto, kein Duschbier – es muss schnell gehen, nur kleine Gruppen.

In der langen Fußballpause im vergangenen Winter hatte ich geglaubt, dass es nur darum ginge, schnellstmöglich wieder auf den Platz zu kommen und gegen die Kugel zu treten, Zeit mit seinen Teamkameraden zu verbringen. Das mag fürs erste ausreichen, wenn man zuvor wochenlang zu Hause hocken musste. Doch anders als vielleicht im Jugendfußball, bei dem es noch etwas mehr um den Sport, um eine Entwicklung auf dem Platz geht, findet Amateurfußball vor allem auch in der Kabine statt. Die Kabine ist die Seele einer jeden Mannschaft.

In der Kabine labert man Scheiße, trinkt sein Bier, jubelt über drei Punkte, hadert mit dem Gegentor in der letzten Minute. Hier klopfen sich Spieler auf die Schulter oder sagen sich die Meinung. In der Kabine entsteht der Geist, der Siegesserien beginnen lässt. Wegen der Kabine spielen viele überhaupt noch Fußball.

Die Sehnsucht nach dem Kabinen-Gefühl wächst

Dieses Gefühl fehlt. Über kurz oder lang wird dieses fehlende Gefühl weitere Spieler kosten, die sich eigentlich gern über Jahre hinweg nach einem anstrengenden Arbeitstag auf den Platz gequält haben, um die Jungs zu sehen. Es ist die Kabine, die einen den inneren Schweinehund überwinden lässt und nicht der runde Ball.

Ich wünsche mir eine Zeit, in der ich den Franzbrandwein wieder direkt in meine Nase ziehen lassen kann, in der ich sofort rieche, wenn jemand seine Stutzen nicht gewaschen hat, in der ich mit meinen Freunden an einem Donnerstag mit zwei Kisten Bier in der Kabine versacke und an Mallorca denke, in der das dritte Duschbier noch besser schmeckt und wärmer ist als das erste und zweite. Das ist die Leichtigkeit. Das ist für mich Amateurfußball.

Lässt Corona nichts Anderes zu?

Nicht falsch verstehen: Ich will nicht, dass alle Corona-Maßnahmen für den Amateursport abgeschafft werden. Vorsicht ist weiterhin wichtig. Ein Übertragung in der Kabine kann schließlich dafür sorgen, dass es nicht mal mehr auf den Platz gehen kann, weil sich zu viele Spieler anstecken. Doch könnte es nicht gerade für geimpfte und vor allem geboosterte Teams andere Regeln geben? Wenn Geboosterte als Kontaktpersonen eh nicht mehr in Quarantäne gehen müssen, so lange sie keine Symptome haben, sind doch Personenbegrenzungen obsolet, oder?

Für meine Mannschaft habe ich die Maskenpflicht als FFP2-Pflicht ausgelegt, obwohl eine medizinische Maske reichen würde. Ob ich jetzt mit sechs, neun oder 14 Spielern in der Kabine bin, wenn alle eine FFP2-Maske tragen, dürfte vermutlich keinen großen Unterschied machen. So könnte man zumindest mal eine Besprechung abhalten. Besonders vor dem Spiel gehört das unbedingt dazu. Zum einen, um sich auf Partie und Gegner einzustellen, zum anderen, um sich heiß zu machen. Fällt das weg, wabert so ein latenter Testspiel-Modus durch die Truppe.

Was bringt es also, wenn der Ball zwar rollt, aber sich nach der Saison wieder ein paar mehr Spieler dafür entscheiden, mit dem Kicken aufzuhören, weil es nicht mehr so ist wie früher? Und so stelle ich für mich fest, dass es im Amateurfußball eben nicht mehr nur darum geht, um jeden Preis zu kicken. Weil das auf Dauer ohne Seele ist. Weil das auf Dauer beliebig ist.

Irgendwann ist Corona weg und die Kabine wieder da

Doch bei all dem Ärger, all der Verzweiflung: Am Ende bleibt einem nichts Anderes übrig, als die Stimmung hochzuhalten, das Beste daraus zu machen, die Vorzüge des gemeinsamen Sporttreibens herauszustellen und irgendwie zu hoffen, dass die Kabine, die Seele des Amateurfußballs, bald wieder zurückkehrt. Ich habe schließlich Lust auf ein Duschbier.

Veränderung, Lähmung und die Hoffnung auf Zukunft

Fußball-Trainer denkt über seine Zukunft nach.

Winterpause. Wie immer spielt Fußball in den ersten ein bis zwei Wochen überhaupt keine Rolle in meinem Kopf. Dann passiert das, was ich seit Jahren immer besonders genieße. Der Wissensdurst kommt zurück. Ich nehme wieder Fußballinhalte wahr, setze mich wieder mit Dingen auseinander, für die nach einer langen Serie kein Platz war. Noch ist es abstrakt. Geordnet wird erst in der dritten Phase.

Doch dieser letzte Abschnitt einer jeden Saisonunterbrechung ist mittlerweile anders. Das ist er seit nunmehr zweieinhalb Jahren. Während sonst Trainingspläne ausgetüftelt und Spielideen formuliert werden, setzt plötzlich der totale Stress ein. Der bevorstehende Trainingsauftakt, das erste Testspiel rücken näher, die Fragmente einer inhaltlichen Auseinandersetzung wieder in die Ferne.

Das erste Mal erlebte ich diesen Wandel im Sommer 2019. Nach der intensivsten Saison meiner Trainerlaufbahn hatte ich nur eine Woche Sommerpause. Meine A-Jugend spielte bis Mitte/Ende Juni noch um Punkte, während meine Herren ein paar Tage später in die Vorbereitung starten sollten. Kein menschlicher Akku der Welt lädt so schnell auf.

Das Feuer brennt nicht mehr

Die erste Saison nach einem größeren Umbruch lief dennoch gut, dann stoppte uns direkt nach einer zährenden Wintervorbereitung Corona. Pause. Und als es im Frühsommer wieder losging, war es im Herbst plötzlich wieder vorbei. Erneut Pause. Doch schon im Winter 2020 war ich nicht mehr so gut vorbereitet, setzte schon nicht mehr so viele neue Reize, hangelte mich häufiger von Training zu Training und von Spiel zu Spiel. Das wurde im Sommer 2020 schlimmer und fand nun im Sommer des vergangenen Jahres seinen negativen Höhepunkt. Das Feuer brennt nicht mehr so wie früher. Eine natürliche Abnutzung, das Fehlen von Zeit, die Geburt meiner Tochter. Die Konsequenz ist eine Mannschaft, die genauso launisch spielt, wie ihr Trainer im Hintergrund agiert. Es kann alles funktionieren, und kurz darauf plötzlich gar nichts.

In der Bezirksliga kann das genug sein, ist es bei vielen Teams schon seit Jahren. Ist mal Dampf unterm Kessel, läuft es, aber ebenso schnell wird auf halber Flamme gekocht und es läuft nicht. Das reicht dann fürs untere Mittelfeld und für den Klassenerhalt, aber eben für mehr auch nicht. DAS, war bisher aber nie mein Anspruch. Nicht, dass man nicht auch mal gegen den Abstieg spielen kann, oder mal im Mittelfeld festhängen darf, doch es muss stets versucht werden, etwas weiterzuentwickeln, nicht einfach nur zu kicken. Diesen Versuch schaffe ich nicht mehr zu machen. Aber das ist nicht alles.

Der Bumerang schwieriger Entscheidungen

Fast 15 Jahre habe ich an einer Gemeinschaft gearbeitet. So viel Energie und Hingabe sind in dieses Team geflossen. Ich bin erst 33 Jahre alt, aber sehe diese Mannschaft als das Werk meiner ersten Lebenshälfte. Viel, aber berechtigter Pathos. Ein Großteil meiner ganz persönlichen Erinnerungen an die Lebensjahre 20 bis 33 sind mit den Menschen dieser Gemeinschaft verbunden. Vielen von ihnen geht es auch so. Worte können das nicht beschreiben. Alles wurde gemeinsam erlebt. Gegründet aus alten Freunden, vermischt mit Unbekannten, die zu neuen Freunden wurden. So war es über viele Jahre.

Ein alter Weggefährte fragte schon vor langer Zeit, was eigentlich passieren würde, wenn wir mal älter werden. Ich hatte immer eine Vision davon. Die Entstehung einer alten Herren, eine Ansammlung all der alten Freunde, die von Beginn an dabei waren oder dazustießen und wieder gingen. Geläutert und erwachsen. Väter und Ehemänner. Weder als Spieler noch als Trainer dieser Mannschaft sah ich mich. Mehr wie ein willkommener Dauergast, der nach all den Jahren als Anführer, als Bauherr dieser Gruppe, passiver Teil des Resultats seines Werkes ist. Diese Alte Herren sollte wie bei einer Zellteilung aus der jetzigen Mannschaft entstehen. Dieselbe DNA, derselbe Geist. Spieler, die in ihren Dreißigern als Art Hybride fungieren und für beide Teams wichtig sein können. Dieser Traum ist verblasst.

Als Trainer musste ich im Laufe der Jahre immer schwierige Entscheidungen treffen. Sportlicher Erfolg ließ den Anspruch wachsen. Meinen, aber auch den der Mannschaft. Nicht jeder, der mal Teil des Teams war, konnte diesem sportlichen Anspruch gerecht werden. Ein natürlicher Teil eines Entwicklungsprozesses, wenngleich herzzerreißend. Einige dieser schwierigen Personalentscheidungen scheinen nun wie ein Bumerang meinen Hinterkopf zu treffen. Die durch den Aufprall verursachte Ohnmacht lähmt meine Begeisterung für den Fußball im Hier und Jetzt.

Statt Anführer im Ruhestand, der als Helfer bereitsteht, stehe ich vor verschlossener Tür im Regen und schaue durchs Fenster zu. Der Schmerz, für als Trainer getroffene Entscheidungen als Mensch abgestraft zu werden, zerreißt mein Fußballherz. Ich konnte das Trainer-Dasein und Freundschaft immer irgendwie trennen, habe mir den Kopf zerbrochen, wenn Personalentscheidungen getroffen werden mussten, die nicht meinem Herzen entsprachen, wusste aber stets, dass das eine mit dem anderen nie konkurrieren darf. Ein Drahtseilakt. Bis heute.

Der Glaube an eine andere Zukunft

Wenn ich nachts im Bett liege, so wie in diesem Moment, an dem mich die Gedanken an all das wach halten, komme ich immer wieder zu demselben Punkt. So kann es nicht weitergehen. Fußball ist ein Teil von mir. Trainer zu sein hat mir dabei geholfen, mich im Leben zurechtzufinden. Ich muss also dringend Fragen beantworten: Möchte ich so weitermachen, wie es nun seit einiger Zeit läuft? Nein! Im Sommer einen Schlussstrich zu ziehen, wäre die logische Konsequenz, aber: Kann ich mir ein Leben vorstellen, ohne auf dem Fußballplatz zu stehen? Ebenfalls nein! Denn immer, wenn ich meine Copa Mundial geschnürt habe, die Emotion eines Tores spüre und nur in diesem Moment bin, empfinde ich das Verlangen nach diesem Spiel. Also quo vadis?

Im festen Glauben daran, dass das Aufschreiben meines Dilemmas mir bei der Lösungsfindung hilft, denke ich an eine Zukunft – mit Fußball. An mehr Loslassen, mehr Abgabe von Verantwortung, weniger sportlichen Anspruch, wieder mehr Hobby und weniger Verpflichtung. Kein Festhalten an einer alten Vision, sondern das Akzeptieren der Schattenseite des Anführerdaseins, um aus der Ohnmacht durch den Schlag auf den Hinterkopf zu erwachen.

Und vielleicht entsteht aus dieser Knospe ja eine neue gedeihende Pflanze. Doch wenn ich meine Rolle als Trainer neu zu erlernen versuche, brauche ich eine Mannschaft, die selbiges tut. Mehr Eigenverantwortung, mehr Selbstorganisation, mehr Eigenmotivation, mehr Bereitschaft und weniger den Trainer machen lassen. Kann das funktionieren, wenn es mal anders war? Ich will es auf jeden Fall herausfinden. Wenn es eine Mannschaft kann, dann diese.

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