Amateurfußball ohne Kabine ist kein Amateurfußball

Das Training ist zu Ende, in kleinen Gruppen holen die Spieler kurz ihre Sachen aus der Kabine, wechseln schnell ihre Schuhe, ziehen eine Jacke über und ab geht es nach Hause. Nur zwei, drei von ihnen duschen noch eben. Nur zehn Minuten nach dem Training ist die Kabine bereits wieder so gut wie leer. Dasselbe Bild am Wochenede. Kein Siegerfoto, kein Duschbier – es muss schnell gehen, nur kleine Gruppen.

In der langen Fußballpause im vergangenen Winter hatte ich geglaubt, dass es nur darum ginge, schnellstmöglich wieder auf den Platz zu kommen und gegen die Kugel zu treten, Zeit mit seinen Teamkameraden zu verbringen. Das mag fürs erste ausreichen, wenn man zuvor wochenlang zu Hause hocken musste. Doch anders als vielleicht im Jugendfußball, bei dem es noch etwas mehr um den Sport, um eine Entwicklung auf dem Platz geht, findet Amateurfußball vor allem auch in der Kabine statt. Die Kabine ist die Seele einer jeden Mannschaft.

In der Kabine labert man Scheiße, trinkt sein Bier, jubelt über drei Punkte, hadert mit dem Gegentor in der letzten Minute. Hier klopfen sich Spieler auf die Schulter oder sagen sich die Meinung. In der Kabine entsteht der Geist, der Siegesserien beginnen lässt. Wegen der Kabine spielen viele überhaupt noch Fußball.

Die Sehnsucht nach dem Kabinen-Gefühl wächst

Dieses Gefühl fehlt. Über kurz oder lang wird dieses fehlende Gefühl weitere Spieler kosten, die sich eigentlich gern über Jahre hinweg nach einem anstrengenden Arbeitstag auf den Platz gequält haben, um die Jungs zu sehen. Es ist die Kabine, die einen den inneren Schweinehund überwinden lässt und nicht der runde Ball.

Ich wünsche mir eine Zeit, in der ich den Franzbrandwein wieder direkt in meine Nase ziehen lassen kann, in der ich sofort rieche, wenn jemand seine Stutzen nicht gewaschen hat, in der ich mit meinen Freunden an einem Donnerstag mit zwei Kisten Bier in der Kabine versacke und an Mallorca denke, in der das dritte Duschbier noch besser schmeckt und wärmer ist als das erste und zweite. Das ist die Leichtigkeit. Das ist für mich Amateurfußball.

Lässt Corona nichts Anderes zu?

Nicht falsch verstehen: Ich will nicht, dass alle Corona-Maßnahmen für den Amateursport abgeschafft werden. Vorsicht ist weiterhin wichtig. Ein Übertragung in der Kabine kann schließlich dafür sorgen, dass es nicht mal mehr auf den Platz gehen kann, weil sich zu viele Spieler anstecken. Doch könnte es nicht gerade für geimpfte und vor allem geboosterte Teams andere Regeln geben? Wenn Geboosterte als Kontaktpersonen eh nicht mehr in Quarantäne gehen müssen, so lange sie keine Symptome haben, sind doch Personenbegrenzungen obsolet, oder?

Für meine Mannschaft habe ich die Maskenpflicht als FFP2-Pflicht ausgelegt, obwohl eine medizinische Maske reichen würde. Ob ich jetzt mit sechs, neun oder 14 Spielern in der Kabine bin, wenn alle eine FFP2-Maske tragen, dürfte vermutlich keinen großen Unterschied machen. So könnte man zumindest mal eine Besprechung abhalten. Besonders vor dem Spiel gehört das unbedingt dazu. Zum einen, um sich auf Partie und Gegner einzustellen, zum anderen, um sich heiß zu machen. Fällt das weg, wabert so ein latenter Testspiel-Modus durch die Truppe.

Was bringt es also, wenn der Ball zwar rollt, aber sich nach der Saison wieder ein paar mehr Spieler dafür entscheiden, mit dem Kicken aufzuhören, weil es nicht mehr so ist wie früher? Und so stelle ich für mich fest, dass es im Amateurfußball eben nicht mehr nur darum geht, um jeden Preis zu kicken. Weil das auf Dauer ohne Seele ist. Weil das auf Dauer beliebig ist.

Irgendwann ist Corona weg und die Kabine wieder da

Doch bei all dem Ärger, all der Verzweiflung: Am Ende bleibt einem nichts Anderes übrig, als die Stimmung hochzuhalten, das Beste daraus zu machen, die Vorzüge des gemeinsamen Sporttreibens herauszustellen und irgendwie zu hoffen, dass die Kabine, die Seele des Amateurfußballs, bald wieder zurückkehrt. Ich habe schließlich Lust auf ein Duschbier.

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