Ein Gespräch mit HSV U17-Trainer Pit Reimers über gemeinsame Zeiten und unveränderte Ziele
Es war am Ende der Sommerferien 2012, als Pit Reimers und ich das erste Mal aufeinandertrafen. Pit hatte gerade die U12 des HSV übernommen und suchte einen Testspielgegner. Ich, damals noch Trainer meines 2001er Jahrgangs, nahm die Anfrage an. Auf perfekt gemähtem 9er Feld in Norderstedt und bei rund 30 Grad Außentemperatur verloren wir 0:6. Es war unsere höchste Niederlage gegen den HSV, aber nicht die schlimmste.
In den Jahren danach folgten weitere unzählige Duelle, in denen wir immer mal nah dran waren, aber Pits HSV nie knacken konnten. Mal ein 0:0 in der Halle, mal eine knappe Niederlage auf dem Feld. Immer, wenn wir hofften, es einmal packen zu können, zeigten die Jungs uns die Grenzen auf. Den bittersten Moment erlebten wir bei der Hallenmeisterschaft 2013. Mit einem Sieg im letzten Spiel gegen den HSV hätte es mit dem Titel klappen können, es wurde ein 0:3 und die Vizemeisterschaft. „Es war nie so, dass wir nach Niendorf gefahren sind und die Punkte fest einplanen konnten. Es waren immer spannende Spiele“, erinnert sich der HSV-Coach.
Besonderheit Jahrgang 2001
Trotz der vielen Niederlagen war die Bekanntschaft mit Pit ein Gewinn. Vermutlich auch gerade, weil er unsere Arbeit schätzte, den Austausch untereinander mochte und vorantrieb. „Das war eine tolle Zeit“, sagt der 36-Jährige heute und ich denke dasselbe. Insgesamt fünf Jahre begleitete er die 2001er des HSV – von der U12 bis in die U17. „Wenn du fünf Jahre mit einem Jahrgang verbringst, dann entsteht da eine ganz besondere Bindung.“ Ähnlich ist es bei mir und meinen 2001ern.
Als Pit und ich miteinander telefonieren und über die gemeinsame Zeit sprechen, gehen wir fast alle Spieler des HSV durch und philosophieren über viele weitere Spieler dieses für uns beide besonderen Jahrgangs. Es geht unter anderem um U19-Kapitän Jonah Fabisch, der mit den Profis des HSV trainiert, um Brooklyn Ezeh, der mittlerweile in Schalkes U19 spielt und um Lenny Borges der im vergangenen Sommer zum AC Mailand gewechselt war. Ich erinnere mich an jeden einzelnen von ihnen, an ihr schon früh erkennbares, außerordentliches Talent und die vielen Momente, in denen sie uns in die Verzweiflung trieben.
Pit hat mit ihnen und vielen weiteren noch Kontakt. Grund dafür ist nicht nur die gemeinsame Zeit im Nachwuchs des HSV, sondern vielmehr seine Art zu coachen. „Der Mensch steht für mich immer an erster Stelle“, erklärt er. „Ich will den Menschen für mich und meine Idee gewinnen, bevor ich mit dem Spieler über Laufwege spreche. Egal, wen ich in meinem Leben trainieren werde, mit dem Herzen zu führen und emphatisch zu sein, will ich mir immer beibehalten.“
Wir sprechen noch ein bisschen weiter über Spieler des Jahrgangs, über Jungs, die mittlerweile im Herrenbereich des Hamburger Amateurfußballs aktiv sind. Pit freut sich, als ich ihm erzähle, dass einige 2001er der ersten Stunde mittlerweile für mein Herrenteam spielen. Es sind dieselben, die im Sommer 2012 mit 0:6 gegen Pits HSV verloren. Dieselben, die im Februar 2013 im Finale um die Hallenmeisterschaft unterlagen. Wie die Zeit vergeht.
Pit und sein HSV
Zeit, in der Pit und der HSV immer weiter zusammengewachsen sind. Er ist derzeit für die U17 des Vereins verantwortlich, Jahrgang 2003. In der laufenden, wenngleich unterbrochenen Saison spielt er noch um die Meisterschaft in der B-Bundesliga Nord/Nordost. 2019 absolvierte er erfolgreich den DFB-Fußballlehrer, hospitierte in diesem Zusammenhang bei den Profis seines Vereins und auch bei Manchester City. Pit zählt zu den Trainertalenten, die in den Nachwuchsleistungszentren des Landes ausgebildet und gefördert werden.
„Ich durfte mich hier beim HSV in den vergangenen Jahren entwickeln und tue es immer noch. Ich bin Hamburger und HSVer. Dass ich hier in meinem Verein mein Hobby zum Beruf machen konnte, macht mich glücklich und stolz“, sagt der Fußballlehrer. Seine Verbundenheit ist spürbar. Das war sie während unserer gemeinsamen Zeit und das ist sie heute noch, wenn wir miteinander sprechen.
„Die Jungs in unser Stadion bringen“, so lautet eines von Pits Zielen, „mit roter Hose, blauen Stutzen und weißem Trikot.“ Es ist für mich nicht vorstellbar, dass Pit irgendwann nicht mehr beim HSV sein könnte. Er ist es schon seit 2007. Ich bin mir sicher, dass er genau hier seinen Weg weitergehen wird.
Zoom statt Torschusstraining
Doch aktuell ist auch er ausgebremst. Seine Jungs sieht er nur beim Cyber-Training via Zoom oder hört sie am Telefon. Kein Fußball wegen Corona. Mal gibt es eine Ball-Challenge, dann einen Laufplan. „Man muss das Beste aus der Situation machen“, sagt Pit, der auf eine Fortsetzung der Saison im Jugendfußball hofft.
Und während wir noch etwas über Corona, seine kurze Begegnung mit Pep Guardiola, Vincent Kompany und Dieter Hecking plaudern, erinnere ich mich an früher. Wie gern würde ich aktuell mit meinen Jungs auf der Paul-Hauenschild-Sportanlage stehen und mich auf ein Spiel gegen Pits HSV vorbereiten. So wie im Sommer 2012.