Warum mir ein Vorfall nicht aus dem Kopf geht
Vorweg: Ich habe allergrößten Respekt vor Schiedsrichtern und deren Leistungen. Ich bewundere sie sogar, weil sie einen Job übernehmen, der beinahe undankbar ist. Doch am vergangenen Wochenende gab es einen Vorfall, der mir einfach nicht mehr aus dem Kopf geht. Der Vorfall war keine Spielentscheidung und hatte absolut gar nichts mit unserer schlechten Leistung oder gar mit dem Ergebnis zu tun. Der Reihe nach.
Nach wenigen gespielten Minuten kommt unser Torwart aus seinem Tor heraus, um einen Ball in die Tiefe noch abzufangen. Er kommt zu spät und prallt mit voller Wucht mit dem Gegenspieler zusammen, geht zu Boden und bleibt liegen. Hier hätte sich keiner beschweren dürfen, wenn der Schiedsrichter die Rote Karte gegeben hätte. Es gab später nur Gelb. Aber das, was mich umtreibt, geschieht zwischen Foul und Bestrafung. Unser Keeper ist sichtbar angeschlagen, ächzt sich auf dem Boden krümmend. Aufgrund der Heftigkeit des Zusammenpralls eilen Co-Trainer und ein Ersatzspieler mit medizinischer Ausbildung auf den Platz (hauptberuflich Physiotherapeut). Letzterer erst, nach dem der Schiedsrichter sein Go gegeben hat, ersterer bereits zuvor. Als Zusatz: Unser Betreuer wird in ein paar Wochen am Knie operiert und kann derzeit nicht so schnell zur Stelle sein.
Der Ersatzspieler meckert beim Betreten des Platzes Richtung Schiedsrichter, der darauf verständlicherweise sofort anspringt. Unser Spieler kniet sich zum verletzten Torwart, der immer noch auf dem Rücken liegend nach Luft ringt, und gibt dem Schiedsrichter beim Behandeln seines Mitspielers abermals Widerworte. Bevor unser Keeper fertig behandelt ist, schickt der verständlicherweise vom Meckern genervte Schiedsrichter den behandelnden Ersatzspieler mit einer Gelben Karte vom Feld. Der Bitte, seinen Spieler zu Ende versorgen zu dürfen, kommt der Schiedsrichter nicht nach. Das alles passiert innerhalb von maximal ein bis zwei Minuten. Unser Torwart versucht erst weiterzuspielen, kommt dann nach Luft ringend und unter Schwindel mit Tränen in den Augen vom Feld und wird außerhalb weiter behandelt.
Wir verlieren das Spiel verdient. Keine Schiedsrichterentscheidung hatte daran einen Anteil. Im Gegenteil: Alle Schiedsrichterentscheidung waren richtig. Darum geht es mir wirklich überhaupt nicht. Wichtig für den Kontext ist aber, dass der Schiedsrichter mit seiner Art, jede Emotion zu ersticken, jeden Kommentar zu kommentieren, nicht nur das Frustrationslevel bei uns, sondern auch beim stets führenden Gegner steigerte. Auch hier will ich betonen, dass jeder Schiedsrichter seine eigene Linie hat und das auch in Ordnung ist. Auch wir Beteiligte gehen mit unserer Art den Schiedsrichtern auf die Nerven. Die Erwähnung ist nur wichtig für den weiteren Verlauf der Geschichte.
Nach dem Schlusspfiff kommt der Ersatzspieler zu mir, der nach fünf Minuten unseren Torhüter behandelt hatte. Er erzählt mir, dass es ihn nicht los lässt, dass er seinen Mitspieler nicht zu Ende versorgen durfte, seine Erste-Hilfe-Pflicht nicht ausführen durfte, dass der Zusammenprall schlimm genug war, dass der Keeper seine Zunge hätte verschlucken können, Nacken- oder Rippen etwas hätten abbekommen können. All das war zu dem Zeitpunkt, als er den Platz verlassen musste, noch nicht klar.
Daraufhin habe ich beschlossen, noch einmal in Ruhe mit dem Schiedsrichter zu sprechen und ihm mitzuteilen, was uns beschäftigt. Ich bin zur Kabine gegangen, vor der er und seine Assistenten standen, habe ihn gefragt, ob er noch eine Minute hätte. Schon beim Schildern des Vorfalls wurde ich mehrfach unterbrochen. Der unhöfliche Ton auch in dieser spielfernen Situation, in der ruhig ein Anliegen geschildert wurde, setzte sich fort. Auf die Anmerkung, der Spieler hätte pöbelnd den Platz betreten, habe ich ihm Verständnis entgegengebracht, auch für seine Entscheidung, ihn mit Gelb zu bestrafen. Dann kam der Vorwurf, warum man ihm nicht vorher gesagt hätte, dass der Spieler eine medizinische Ausbildung habe. Wie viele solcher Notsituationen, in denen das Wissen eines Betreuers endet, gibt es denn bitte in einer Saison, fragte ich. Es ändert in dieser Situation vor allem nichts daran, dass hier eine Situation vorlag, in der das alles egal ist, in der schnell geholfen werden muss.
Plötzlich monierte er, dass der Schiedsrichteransprechpartner sich nach dem Spiel nicht mehr bei ihm gemeldet habe, obwohl er den Wunsch unserem Kapitän nach Abpfiff mitgeteilt hatte. Es würde einen Sonderbericht zur Folge haben. Okay, soll er schreiben. Ich habe abermals ruhig versucht, ihn darauf hinzuweisen, dass wir uns einfach nur gewünscht hätten, dass bei allen eigenen Fehlern die Erste Hilfe in einer sichtbaren Notsituation zu Ende durchgeführt hätte werden können. Daraufhin brach er immer wütender, immer lauter werdend das Gespräch ab.
Ich bin ein emotionaler Trainer. Ich meckere mal, ich schieße auch mal übers Ziel hinaus. In diesem Spiel bekam ich für das vehemente Fordern des Schlusspfiffs nach Ablaufen der dreiminütigen Nachspielzeit beim Spielstand von 2:5 die Gelbe Karte. Geschenkt. Ich bin auch immer jemand, der den Dialog sucht, vielleicht manchmal zu oft etwas erklären will. Kommunikation ist doch das, was uns am Ende auf dem Sportplatz vereinen kann. Ich bin als Sportsmann zum Schiedsrichter und wollte einfach nur ein „Okay, das habe ich falsch eingeschätzt. Die Behandlung hätte zu Ende durchgeführt werden müssen, aber das Meckern geht auch nicht“ von ihm Hören. Stattdessen gab es eine große Portion „von oben herab“. Und nach 90 Minuten am Spielfeldrand hätte das irgendwie auch vor dem Versuch, ein Gespräch zu führen, klar sein müssen.
Warum ich das aufschreibe? Ich will mehr Miteinander, mehr Dialog, mehr Austausch. Kein Schiedsrichter muss sich unsachlich bepöbeln lassen wegen seiner Entscheidungen, vor allem nicht im Amateurfußball. Aber ist es als Spielleiter nicht wichtig, kommunikativ und auch verständnisvoll zu sein, in den Dialog mit Spielern und Verantwortlichen zu treten, besonders wenn diese nach Abklingen der Emotionen in Ruhe das Gespräch suchen?
Toller Beitrag!
Aus der Spieler- und Schiedsrichter Sicht kann ich nur sagen, dass die Kommunikation am wichtigsten ist – während des Spiels und auch danach.
Ein guter Schiedsrichter kann ein ganzes Spiel ohne gelbe bzw. rote Karte klarkommen, wenn man versucht den Spielern eine klare Linie vorzugeben und dabei kommunikativ bleibt. Man muss ein offenes Ohr als Schiri haben und den Spielern zeigen, dass bei Gesprächsbedarf einem zugehört wird. Der Schiedsrichter darf auf keinen Fall sich an oberster Stelle stellen und Macht zeigen. Die Autorität muss natürlich vorhanden sein, aber in einem fairen Maße.
Sollte ein Spieler wütend und bepöbelnd das Gespräch mit einem Schiri suchen, dann ist auf jeden Fall verständlich, dass der Spieler weggeschickt wird.
Lasst uns gemeinsam Spaß und Freude am Fußball haben und gegenseitig eingestehen, wenn man Fehler gemacht hat. Lasst uns gemeinsam kommunizieren im ruhigen Tone und ohne dabei zu kritisieren. Lasst uns gemeinsam auf dem Platz stehen ohne, dass jemand höher gestellt wird als der andere. Lasst uns gemeinsam FAIR sein…