Frischer Wind und feste Anker

In der Vorbereitung den richtigen Mix finden

Zweimal in der Saison steht eine Vorbereitung auf dem Plan – im Sommer und im Winter. In den wenigen Wochen bis zum ersten Pflichtspiel gilt es, seine Mannschaft optimal auf die Wettkampfphase vorzubereiten. Dabei sollte der Fokus nie nur auf das erste Spiel gelegt werden, sondern auch auf die Wochen danach. Die große Herausfoderung für Trainer ist es, in der Vorbereitungsphase eine gute Mischung aus neuen und altbewährten Inhalten zu finden. Das ist nicht immer ganz einfach. Schließlich wird das Rad bekanntlich nicht neu erfunden. Wer aber selbst lange gespielt hat, weiß: neue Reize sorgen für eine höhere Motivation und vor allem auch Konzentration bei den Spielern. Es ist Zeit für frischen Wind und feste Anker.

Für kreative Ansätze und neue Ideen sorgt die Sommerpause. Wenn der Kopf frei wird, passt auch wieder Neues hinein. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das Rezipieren von fußballspezifischen Inhalten wie Zeitschriften, Büchern oder Filmen sehr inspirierend sein kann. In der zurückliegenden Sommerpause habe ich unter anderem Tobias Eschers Buch „Vom Libero zur Doppelsechs“ gelesen und den Barcelona-Film „Take the ball, pass the ball“ geschaut. Meist geht es vor allem um Anregungen. Auch jede Staffel der Amazon-Serie „All or nothing“ – ob American Football, Rugby oder Fußball – ist empfehlenswert. Jeden frischen Gedanken habe ich einfach notiert, ohne genau zu überlegen, was man am Ende damit anfängt.

Nun gilt es, die vielen Ideen und Ansätze in ein festes Raster zu bekommen. Das geht aber nicht ohne Gerüst. Grundsätzlich bildet eine Analyse der Vorsaison die Basis für den Entwicklungsansatz. Was war gut? Was muss besser werden? Auf was sollte man künftig verzichten? Aus den Antworten entwickelt man eine optimierte oder gar neue Spielidee, die als Grundlage für die Arbeit in der Vorbereitungsphase dient. Hier empfehle ich eine Einteilung nach Säulen. Das können individual- und gruppentaktische sowie technische Inhalte sein aber auch Umschaltspiel, Standards und Athletik. Jede dieser inhaltlichen Säulen bringt wiederum Schwerpunkte mit sich. Alle Inhalte sollten aber nicht nur in der Vorbereitungsphase behandelt werden, sondern wiederholend über die gesamte Saison verteilt. Hierfür eignen sich zum Beispiel Wochen-Zyklen, wie Stefan Ruthenbeck und Jakob Strehlow, U19-Trainer des 1. FC Köln, in der aktuellen Ausgabe der DFB-Zeitschrift Fußballtraining beschreiben. Diese Periodisierung ermöglicht den Spielern, dass sie Inhalte besser und nachhaltiger aufnehmen und umsetzen können und Trainer bietet sie eine Art Roten Faden über die Saison hinweg. Gerade im Amateurbereich neigt man ab Herbst dazu, sich von Spiel zu Spiel zu hangeln und Löcher dort zu stopfen, wo sie entstehen. Dadurch gibt es aber immer wieder neue Löcher. Auch ich habe mich in der Sommerpause hinterfragt und festgestellt, dass ich mich während der Saison immer wieder vom geplanten Kurs habe abbringen lassen und anfing Löcher zu stopfen. Das fällt nicht zwangsläufig sofort ins Gewicht, stört aber jeglichen Entwicklungsprozess der Mannschaft. Hier will ich mich unbedingt verbessern.

Die Spielidee ist nun formuliert, die Säulen sind gebaut, die Schwerpunkte festgelegt. Jetzt gilt es, für die Inhalte die entsprechenden Übungsformen zu finden. Die Probleme im Amateurbereich sind dabei vielschichtig. Zum einen ist die Vorbereitungszeit kurz und die Anzahl der Einheiten pro Woche gering, zum anderen kann die Trainingsbeteiligung eine große Einschränkung bedeuten. Auch sorgen Urlaube und Abwesenheiten für unterschiedliche Fitnesszustände bei den Spielern. Daher ist es schier unmöglich, vorausschauend sämtliche Trainingseinheiten zu bauen. Stehen die Säulen und deren Schwerpunkte aber fest, kann man sich daran gut orientieren und entsprechende Übungen planen, wenn die Größe der Trainingsgruppe final definiert ist. Deshalb empfiehlt es sich, so viele Übungen wie möglich ins Repertoire aufzunehmen. Ich entwickele regelmäßig auch eigene Übungen, leite zum Beispiel auch Trainingsformen aus meiner Zeit im Eishockey ab oder schaue, wie ich Inhalte unter anderem aus dem American Football übernehmen kann. Das Lesen von Fachmedien wie der DFB-Fußballtraining ist sowieso ein Muss. Auch das Buch des Hamburger DFB-Stützpunkt-Koordinatiors Fabian Seeger „Spielnahes Fußballtraining“ ist empfehlenswert. All das bietet ein gutes Rüstzeug für die ganze Saison und schafft Abwechselung im Training.

Natürlich ist die Planung einer Vorbereitung von Trainer zu Trainer und Mannschaft zu Mannschaft unterschiedlich, aber ein gewisses Muster erleichtert die Umsetzung und gibt Team und Coach eine Orientierung, wohin die Reise gehen soll. Was mir persönlich an der Vorbereitung gefällt: ohne Ergebnisdruck sehr detailiert zu arbeiten. Auch von Spielerseite spürt man eine große Bereitschaft, sich sowohl körperlich zu quälen als auch neue Inhalte aufzunehmen. Also, auf gehts!

Sommerpause – Kopf leer, Kopf wieder voll

Beim Autofahren, vor dem Einschlafen oder unter der Dusche schießt plötzlich ein Gedanke in den Kopf. Eine neue Spielidee oder neue Trainingsformen erscheinen vor dem geistigen Auge. Während einer laufenden Saison sind diese Momente rar. Viel zu sehr ist der Trainer damit beschäftigt, das vergangene Spiel nachzubereiten und das kommende zu planen. In der Sommerpause aber ist das anders. Wenn der Ball ruht und die Spieler die Füße hochlegen, ist wieder Platz im Kopf. Das sorgt nicht nur für neue, spannende Inhalte, sondern vor allem auch für eine nachhaltig ansteigende Motivation und Vorfreude auf die neue Saison, selbst wenn die alte nur ein paar Tage in der Vergangenheit zurückliegt.

Dieser Moment ist jetzt für mich gekommen. Durch den arg fragwürdigen Spielplan meiner A-Jugend ging meine Spielzeit 2018/19 drei Wochen länger als sonst. 72 Spiele und 152 Trainingseinheiten liegen hinter mir. Intensive Emotionen, viele Gespräche und ab und an gereizte Stimmbänder haben Körper und Geist ausgesaugt und das Verlangen nach Nichtstun in die Höhe getrieben. Das 14. Trainerjahr war mit Abstand das intensivste, aber dafür auch sehr lehrreich.

Und gerade dann, wenn Fußball für kurze Zeit fast das Letzte ist, was du tun willst, entstehen in deinem Kopf neue Ideen, neue Ansätze und neue Motivation. Dieses sich eigentlich komplett widersprechende Gefühl ist die Triebfeder meine Trainerdaseins. Neue Kraft dann zu finden, wenn eigentlich keine Kraft mehr da ist, erfüllt mich mit Leben. Fußball, du bist Schuld! Danke!

Ein letztes Mal

Jungs, ein letztes Mal werden wir gemeinsam auf dem Trainingsplatz stehen. Ein letztes Mal werden wir gemeinsam ein Punktspiel bestreiten. Nach 14 Jahren endet für die meisten von euch eure Zeit im Jugendfußball. Mit einer kurzen Unterbrechung sind wir diesen Weg immer zusammen gegangen.

Bei unserem ersten Training damals auf dem glühend heißen Gummiplatz in der hintersten Ecke unserer Sportanlage konnten sich die meisten von euch noch nicht alleine die Schuhe zubinden. Beständig den Ball zu treffen, fiel euch damals schon erheblich leichter, obwohl ihr kaum doppelt so groß wie das Spielgerät wart. Aus einem Training wurden tausende Einheiten, auf das erste Spiel im Modus Vier gegen Vier folgten hunderte weitere. Erst Sieben gegen Sieben, dann Neun gegen Neun, und endlich Elf gegen Elf. Wir waren zusammen an den unterschiedlichsten Orten, um dort gemeinsam Fußball zu spielen.

Ihr wurdet eingeschult, viele von euch an derselben Schule. Freundschaften, die auf dem Sportplatz entstanden, hatten auch darüber hinaus Bestand und wie wir jetzt wissen, nennt ihr dieselben Jungs auch heute noch eure Freunde, die damals zusammen mit euch gegen den ersten Ball getreten haben. Was gibt es im Leben Wertvolleres als das?

Die Zeit verging. Ihr wurdet älter. Neue Spieler kamen dazu und damit auch neue Freunde. Staffelmeisterschaften reihten sich aneinander, unvergessliche Erlebnisse auf Turnieren in Hannover und Berlin könnt ihr zu euren Abenteuern zählen. Wir haben gegen Finnen, Tschechen, Spanier und Italiener gespielt, den Nachwuchs vom FC Sevilla im Finale spielen sehen. Und auch in der Halle wurden wir von allen respektiert. Wir standen so oft in der Endrunde um die Hallenmeisterschaft und sind so oft so knapp daran vorbeigeschrammt.

Umgeworfen hat uns aber nie etwas. Erinnert ihr euch noch an das U13-Halbfinale um die Hamburger Meisterschaft auf dem Feld gegen St. Pauli? 0:3 stand es zur Pause. Einen geknickten Haufen Zwölf- und Dreizehnjähriger musste ich wieder aufrichten – und plötzlich stand es 3:3. Ihr habt gelernt, dass im Fußball alles möglich ist und auch habt ihr erfahren, dass dieser Sport für den ein oder anderen Grenzen hat. Diese Grenzen habe ich für mich ebenfalls erfahren.

Beruf und Fußballtrainer im Jugendbereich sind nicht immer mit voller Energie zu vereinen. So habe ich eure Entwicklung in neue Hände gelegt und habe keine Sekunde gezögert, als mich diese Hände nach anderthalb Jahren Pause um Unterstützung gebeten haben. Viele Gesichter waren neu, viele von diesen neuen Gesichtern werden bald gemeinsam mit den vielen alten ein letztes Mal auf dem Platz stehen. Und viele weitere Gesichter, die einst Teil dieser Gemeinschaft waren, werden euch dabei zusehen.

Im Laufe der Jahre wurden eure Stimmen tiefer, eure Schultern breiter und euer Selbstbewusstsein größer. In der Schule wurde es stressiger. Jetzt haben die meisten von euch ihr Abitur abgeschlossen. Es sind diejenigen, die einst auf dem Gummiplatz den Ball auf ein Stahltor geschossen haben.

Wenn ich sehe, wie viele Freundschaften untereinander in den vergangenen Jahren entstanden sind, macht mich das unheimlich stolz. Das ist größer als jedes Finale, größer als jeder Sieg, größer als jedes Tor. Mit einem meiner engsten Freunde stand ich selbst vor vielen, vielen Jahren das erste Mal auf einem Fußballplatz, und noch heute steht er an meiner Seite und ich an seiner.

Ja, es hat in diesem Jahrgang 2001 nie mit dem ganz großen Wurf geklappt und das wurmt mich genauso wie euch. Aber ihr werdet euch immer daran erinnern, mit wem ihr diese Erfahrungen geteilt habt. Nach der Sommerpause werdet ihr neue Wege gehen. Ein Teil gemeinsam mit mir bei den Herren, einige werden neue Herausforderungen suchen, andere werden sich Studium, Ausbildung oder Ausland widmen. In wenigen Tagen aber stehen wir erst einmal wieder zusammen auf dem Platz. Es wird das letzte Mal sein – meine kleinen Brüder und ich.

„Ein Trainer ist nicht ein Idiot!“

Bayern-Trainer Niko Kovac (Foto: Thorgen Huter)
Wie das image des fußballtrainers in der vergangenen Bundesligasaison beschädigt wurde

Die Saison im Profifußball ist vorbei. Bayern München ist wieder Deutscher Meister und der HSV weiterhin nicht erstklassig. Alles beim Alten also? Nein. In der vergangenen Spielzeit haben die deutschen Profiklubs einmal mehr Trainer verschlissen und teilweise sogar öffentlich an den Pranger gestellt. Neu ist aber, dass auch Erfolg vor Entlassung nicht schützt. Ein Warnschuss, der in der öffentlichen Debatte leider nur von den Trainern selbst erhört wird. Giovanni Trapattoni mahnte schon damals: „Ein Trainer ist nicht ein Idiot!“ Blicken wir auf Auffälligkeiten rund um die Trainerposition in der Bundesligasaison 2018/19 zurück.

Nico Kovac: Als Pokalsieger kam er zum FC Bayern München und musste wie schon einige vor ihm in die großen Fußstapfen von Jupp Heynckes treten. Kein leichtes Erbe, wie in den ersten Monaten seiner Amtszeit zu sehen war. Sportlich zeigte sich der Rekordmeister anfällig wie lange nicht und schnell wurde Kovac zur Zielscheibe – ob durch die Medien oder sogar durch die Frau von Thomas Müller. Doch Kovac ließ sich von den Nebenkriegsschauplätzen der alternden Stars nicht beirren, startete in der Rückrunde eine phänomenale Aufholjagd und wurde am Ende verdient Deutscher Meister. Das Verrückte: Genau in dem Moment, als Kovac auf der Welle des Erfolgs surfte, rissen ihm die Bayern-Bosse kurz vor dem finalen Spieltag das Brett unter den Füßen weg und stellten seinen Verbleib öffentlich infrage. Vielleicht war es Taktik, um einem möglichen Scheitern am Ende der Saison vorzubeugen. Doch, wie kann es sein, dass ein Trainer, der eine vermeintlich satte und alternde Bayern-Elf trotz neun Punkten Rückstand und reichlich Gegenwind doch noch zum Titel führt, so wenig Vertrauen genießt? Ja, in der Champions League hat Kovac gezeigt, dass er vielleicht noch etwas Zeit braucht, um auch auf diesem Niveau ein Top-Trainer zu sein, aber er hat allemal bewiesen, dass er das Zeug dazu hat, dass er eine Mannschaft voller Stars führen und überzeugen kann. Er strahlt mit seiner Außendarstellung und seiner klaren Sprache Stärke aus und liefert am Ende eben auch die geforderten Ergebnisse. Die Sehnsucht nach dem erneuten Champions League-Titel haben auch Pep Guardiola und Jupp Heynckes (in seinem letzten Jahr) nicht erfüllt. Vielleicht wollten die Bayern-Bosse ja auch ein wenig von ihren Versäumnissen ablenken. Unterm Strich war der nicht optimal zusammengestellte und wohl satte Kader nicht in der Lage mehr zu leisten. Kovac hat indes eine weitere Chance verdient, sich in diesem schwierigen und erfolgsverwöhnten Klub zu beweisen – und das vor allem mit vollstem Vertrauen seitens der Entscheidungsträger.

Dieter Hecking: Der erfahrene Trainer hat die abstiegsbedrohte Borussia aus Mönchengladbach im Winter 2016 übernommen und sie auf Anhieb in sichere Gefilde geführt. Platz 6 in der Rückrundentabelle 2016/17 ist der entsprechende Beleg. Genau dieselbe Platzierung erreichte die Elf vom Niederrhein auch in der Hinrunde der Folgesaison, ließ dann in der Rückrunde aber etwas Federn. Ein stabiler Platz 9 war das Endergebnis. Hecking zeigte in dieser Saison dann eindrucksvoll, dass mit den Fohlen mehr zu holen ist und steuerte lange Zeit Richtung Champions League, bis seine Mannschaft im Frühjahr 2019 in ein Leistungstief fiel. Als die Bosse dann sein Ausscheiden – trotz Vertrages – zum Saisonende bekanntgaben, schien der Schritt fast verständlich. Doch Hecking und die Borussia bekamen noch einmal die Kurve und erreichten am Ende einen starken 5. Platz und damit die erstmalige Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb seit der Saison 2015/16. Eine beeindruckende Leistung für einen guten aber eben auch nicht sehr guten Kader. Auch hier muss ein Trainer gehen, der eine Mannschaft, die auch schon schwierige Zeiten erlebt hat, solide und ruhig geführt hat und mit diesem Stil auch erfolgreich war. Zeit gab man ihm mal wieder keine. Auch hier muss die Frage gestellt werden, inwiefern ein Austauschen vor Vertragsende nötig war. Hecking war es übrigens auch, der in seiner letzten Pressekonferenz den Zeigefinger hob und vor einer zu hohen Austauschbarkeit des Trainers warnte. Er hat damit ein Thema abermals auf den Tisch gebracht, das dringend intensiver diskutiert werden muss. Dazu später mehr.

Bruno Labbadia: Der Wolfsburger Trainer ist leiderprobt wie kaum ein anderer. Besonders seine zweite Amtszeit beim HSV hat sein Image in der Öffentlichkeit nachhaltig negativ geprägt. Heute weiß man, dass sehr wahrscheinlich weniger er als der HSV etwas dafür konnte. Als der VfL Wolfsburg im Endspurt der vergangenen Saison Labbadias Retter-Qualitäten in Anspruch nahm, hätte ihm wohl niemand zugetraut, dass er nur ein Jahr später mit den Wölfen in den Europapokal einziehen würde. Was für eine Leistung! Schließlich drohte man in der Autostadt, sich dem HSV nach zwei Relegationen und einer chaotischen Führung anzuschließen. Pustekuchen! Bruno sei Dank – oder eben auch nicht. Denn auch Labbadia, der Wolfsburg so stark hat auftreten lassen wie ewig nicht, muss am Ende der Saison seinen Platz räumen. Ehrenvoll hat er diesen Entschluss zwar selbst gefasst, aber auch nur, weil der vermeintlich bewusst gewählte Eierkurs der Vereinsführung jegliche Art von Vertrauen für ihn unmöglich machte. Auch hier hat ein Trainer trotz nachweislichen Erfolgs keine Zukunft.

Julian Nagelsmann: Beim jungen Coach aus Hoffenheim ist die Situation etwas anders und seine Erwähnung in diesem Text auch anders zu begründen. In seinem Fall ist eine andere Unart, die im Profifußball immer mehr zur Mode wird, zu beobachten. Die Spieler suchen sich ein Alibi. Stürmer Andrej Kramaric hatte jüngst die häufigen taktischen Umstellungen während des Spiels kritisiert und moniert, das überfordere die Mannschaft. Ganz unabhängig davon, dass es natürlich möglich ist, dass taktische Inhalte Spieler überfordern können, kreiert ein Profifußballer hier ein Alibi für die sportlichen Versäumnisse derer, die auf dem Platz stehen. Wer sich TSG-Spiele in dieser Saison angeschaut hat, wird gesehen haben, dass nicht nur unzählige Führungen verspielt wurden, sondern dass vor allem auch individuelle Fehler dazu geführt haben. Dies einem Trainer anzulasten, wäre schon äußerst verquer. Durch seine Äußerungen aber bringt Kramaric eine Diskussion ins Rollen, die nachhaltig dem Trainer schaden kann und den Spielern eben jenes Alibi schafft.

Friedhelm Funkel: Die Nachricht erzürnte wohl ganz Fußball-Deutschland. Friedhelm Funkel bekommt keinen neuen Vertrag. Zu diesem Zeitpunkt überraschte Fortuna Düsseldorf gerade die ganze Liga, sammelte mehr Punkte, als jemals für möglich gehalten und goss gerade das Fundament für den Klassenerhalt. Völlig überrumpelt vom Echo der Fußballwelt ruderten die Bosse der Fortuna reumütig mit ihrer Entscheidung zurück und verknüpften Funkels Vertragsverlängerung mit dem Klassenerhalt – etwas, was der Trainer ohnehin angeboten hatte. Auch hier waren eitle Entscheidungsträger nicht in der Lage, einem erfolgreichen Trainer den Rücken zu stärken und ihm zu vertrauen. Dass sich Funkel schon damals dieses Vertrauen verdient hätte, zeigt die Bestätigung der Leistung seiner Mannschaft über die gesamte Saison hinweg.

Schalke, Augsburg, Stuttgart, Hannover, Nürnberg: Alle Vereine wechselten in der vergangenen Saison den Trainer – Stuttgart sogar doppelt – und keiner dieser Klubs war damit großartig erfolgreicher als vorher. Bei Schalke und in Augsburg den Klassenerhalt mit dem Trainerwechsel zu verknüpfen, wäre äußerst naiv. Sowohl S04 als auch der FCA profitierten von der schwachen Konkurrenz. Beide Trainerwechsel hatten keinen nachhaltigen Effekt. Noch signifikanter fällt dieses Fazit in Stuttgart, Hannover und Nürnberg aus. Überall wurde deutlich, dass die Probleme der Vereine vermeintlich hausgemacht und nicht allein in der Verantwortung der Trainer zu finden waren.

Sandro Schwarz: Für mich ist der Fall Mainz 05 das beste Beispiel dafür, wie sportliche Kontinuität nachhaltig zum Erfolg führen kann. In der vergangenen Saison steckte Mainz knietief im Abstiegssumpf und zog sich erst am Ende selbst heraus, ohne dabei einen Trainer zu verschleißen. Sandro Schwarz erhielt das Vertrauen der Klubführung sowohl im Abstiegskampf der Saison 2017/18 als auch in der am Wochenende zu Ende gegangenen Spielzeit und zeigte in dieser, dass die Entscheidung berechtigt war. Mainz hatte nie etwas mit dem Abstieg zu tun und spielte mit 43 Punkten eine sehr stabile Serie.

Fazit: Ich will mit dieser Auflistung nicht aussagen, dass Trainerwechsel per se falsch sind oder Trainer fern jeglicher sportlicher Verantwortung agieren, sondern nur, dass Trainerwechsel eben nicht per se richtig sein müssen. Auch die Annahme, dass nur ein Wechsel auf dieser wichtigen Position für Besserung sorgt, ist ein leider etablierter Irrglaube. Neue sportliche Reize zu setzen, ist natürlich ein legitimer und auch immer mal wieder notwendiger Vorgang des Geschäfts. Die Auswüchse dieser Hire-and-Fire-Mentalität nehmen nur immer weiter zu, machen neumodisch auch vor Erfolg nicht halt und sorgen nachhaltig für eine gewisse Willkür auf der Trainerposition und vor allem für ein schlechtes Image der Berufsgruppe. Diese Beliebigkeit täuscht meist nur über die Versäumnisse der Vereine hinweg und legt diese bei wiederholten Entlassungen letztlich auch nur offen. Fahriges Management, keine nachhaltige Philosophie, krampfhaftes Erfolgsverlangen oder eine schlechte Kaderzusammenstellung zählen zu den eigentlichen Verfehlungen, die eine große Hypothek für einen jeden Trainer darstellen können. Die öffentliche Diskussion, die Dieter Hecking, Bruno Labbadia und auch Thomas Doll vorantreiben, ist dringend notwendig, sollte nur ebenso dringend nicht nur einseitig geführt werden. Auch Spieler und Sportvorstände/Sportdirektoren sind hier gefragt, das Standing der Trainer wieder zu stärken und nicht für eigene Alibis zu sorgen. Mehr „Wir“ und weniger „Ich“ könnte da manchmal schon helfen, wenngleich das eine ziemlich romantische Vorstellung des Profifußballs sein mag. Aber genau diese Romantik ist schließlich das, was dem Business komplett abhanden gekommen zu sein scheint.

Vorbereitung, Konzentration, Handlungsoptionen – ein Trainer muss am Spieltag Leistung bringen

Wie eine gute Spielvorbereitung für die nötige spannung sorgt

Als der HSV am vergangenen Dienstag im Pokalhalbfinale gegen RB Leipzig spielte, hat mich ein Bild gefesselt und nicht mehr losgelassen. Es war eine Nahaufnahme von HSV-Trainer Hannes Wolf in der Phase nach dem 1:1. Diese maximale Anspannung bei gleichzeitiger Konzentration, der schnelle Pulsschlag, der leichte Schweißfilm auf der Haut – dieses Gefühl strengt zwar an, aber es macht dich unheimlich lebendig. Ihm war all das in dieser einen Szene anzusehen und er wird es genauso lieben wie ich.

Wenn ich mich auf ein Spiel vorbereite, begleitet mich die gesamte Trainingswoche hinweg eine gewisse Lockerheit. Die erste Anspannung, besonders vor Spielen gegen Gegner, die einen sportlich besonders herausfordern, kommt am Abend vor dem Anstoß. Diese Aufregung steigert sich nach dem Aufstehen. Wir spielen meist am frühen Mittag unsere Heimspiele und sind häufig die ersten am Platz. Ich bin immer besonders früh vor Ort, schließe die Kabine auf, lege meine Sachen ab und setze meine Kopfhörer auf. Volle Lautstärke. Matchday!

Alleine wandele ich über die Sportanlage, baue die Eckfahnen auf, kontrolliere die Netze und platziere die Hütchen für das Aufwärmprogramm auf dem Platz. Nebenbei summe ich jeden Song mit. Die Spannung steigt weiter, wenn ich die Kabine erneut betrete, die Taktikfolie an die Wand klebe und mit den Aufzeichnungen beginne. Standards, defensiv wie offensiv, und Kernelemente, die ich in dem Spiel von meiner Mannschaft erwarte, habe ich vorher in meinem Notizbuch vermerkt. Das gehört für mich zu einer guten Vorbereitung dazu. Wenn ich in den letzten Zügen an der Taktikfolie bin, kommen die ersten Spieler. Ich lege die Kopfhörer zur Seite und die Lockerheit kommt zurück. Durch meinen ritualisierten Ablauf bin ich von nun an endgültig im Spieltagsmodus. Das Aufwärmen leiten meine Co-Trainer. Manchmal setze ich mich dabei auf die Bank, manchmal bleibe ich in der Kabine, alleine mit der Musik aus der Anlage. Wenn die Mannschaft nach dem Aufwärmen in die Kabine kommt, bin ich unter Vollstrom. Nur so kommen auch die richtigen Worte kurz vor dem Anpfiff aus meinem Mund. Die Emotionen, die ich bei der Ansprache wecken will, sind immer ehrlich, nicht konstruiert. Wieso ich das erwähne? Weil es bei Spielen ohne dieses Ritual nicht einfach ist, diese Anspannung aufzubauen.

Die letzten lauten Worte, kollektives Klatschen und Schreien und es geht raus auf den Platz. Ich schreite langsam hinterher. An der Trainerbank angekommen, folgt nach der Seitenwahl noch der Kreis mit allen Beteiligten. Anstoß. Zeit gestoppt. Auf geht’s!

Von nun an bestimmt der Spielverlauf meinen Adrenalinpegel. Egal, wie hoch dieser ist, jetzt kommt es auf meine volle Konzentration an. Natürlich spielen die Spieler das Spiel, verteidigen, gewinnen Zweikämpfe und schießen die Tore, aber auch wir Trainer müssen unsere Leistung bringen. Was kann ich als Trainer von außen beeinflussen? Welcher Wechsel oder welche taktische Umstellung kann das Spiel positiv verändern? Diese Fragen muss ich mir 90 Minuten lang stellen, um der Mannschaft die Hilfestellung zu geben, die sie braucht. Wenn dein Plan funktioniert, deine Maßnahmen von der Mannschaft umgesetzt werden und ein vermeintlich besserer Gegner vor Probleme gestellt wird, mit denen er nicht gerechnet und auf die er keine Antwort parat hat, dann fühlst du genau das, wonach Hannes Wolf am vergangenen Dienstag im Pokalhalbfinale gegen RB Leipzig kurz nach dem 1:1 ausgesehen hat.

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