Vor dem Saisonstart treffe ich Trainerkumpel Marius Nitsch von Staffelrivale USC Paloma 2
Das grelle Licht der spätsommerlichen Nachmittagssonne spiegelt sich im Osterbekkanal. Die letzten SUP’s und Ruderboote gleiten über das Wasser. Im Restaurant „Zur Gondel“ gibt es zweimal Schokoladensoufflé mit Vanilleeis und Früchten, dazu eine Apfelschorle. Was fast wie ein erstes Date klingt, ist nur ein einfaches Treffen zweier Trainerkumpels vor dem Saisonauftakt in der Hamburger Bezirksliga Nord.
Bescheiden und selbstbewusst
An diesem idyllischen letzten Sommertag sitzt mir am Bootsanleger nämlich Marius Nitsch gegenüber, Trainer der U23 des USC Paloma, Staffelrivale und aus meiner Sicht der Topfavorit auf Meisterschaft und den damit verbundenen Aufstieg. Als ich das erstmals erwähne, verzieht Marius das Gesicht. Der Ausdruck ist ein Mix aus „Hör bloß auf“ und „Weiß ich doch“. Bescheiden und doch selbstbewusst.
Marius versteht eine Menge von Fußball. Seitdem er 14 ist, coacht er Fußballmannschaften. Die A-Lizenz hat er seit einem Jahr in der Tasche. Jugendfußball bei TuS Berne und Concordia gehören ebenso zu seiner Vita wie die Arbeit am DFB-Stützpunkt und bei der Hamburger Auswahl. Es war der Wunsch nach sportlichem Wettkampf, nach Entwicklung einer Mannschaft, der ihn von der Talentförderung in den Herrenfußball führte.
Das Schokoladensoufflé wird serviert. Es ist wie so oft, wenn zwei Gleichgesinnte aufeinandertreffen und es um Fußball geht. Es gibt keinen Punkt, kein Komma. Wir reden über die Liga, die Gegner, über Favoriten und auch den Abstiegskampf. Es geht um den nicht in allen Belangen nachvollziehbaren neuen Spielmodus des Hamburger Fußball-Verbandes. Wir erinnern uns an unsere erste Begegnung. 3:1 war das Endergebnis für meine Mannschaft. „Da hat unser Keeper zweimal danebengegriffen“, sagt Marius mit einem Grinsen.
Wuchtig und variabel
Seitdem war sein Team gegen uns obenauf. 2:6 und 1:2 lauten die weiteren Ergebnisse aus meiner Perspektive. Und allein der Ergebnisverlauf in den direkten Duellen beschreibt die Entwicklung, die Marius beim USC Paloma 2 auf den Weg gebracht hat. Er hat den Unterbau der Oberligamannschaft in kürzester Zeit von einer zwischen Bezirks- und Kreisliga pendelnden Truppe zu einem Aufstiegskandidaten in die Landesliga geformt. Sein Team spielt dominant, physisch, presst hoch und entwickelt so schnell eine ungemeine Wucht. „In der neuen Saison wollen wir aber etwas variabler sein“, verrät er.
Das hat seine Gründe. Denn auch in der vergangenen Saison war sein Team einer der Favoriten, wurde fast überlegen Herbstmeister und lieferte auf einmal keine guten Ergebnisse mehr, rutschte in der abgebrochenen Saison in der Tabelle auf Rang 4.
Doch das ist längst abgehakt. Viel zu groß ist die Vorfreude auf die neue Saison, die direkt mit dem vermeintlichen Top-Spiel zwischen Marius‘ Palomaten und dem SC Poppenbüttel beginnt. „Ist doch gut“, sagt Marius und nippt an seiner Apfelschorle, „so eine Begegnung habe ich gerne direkt zu Beginn.“
Ehrgeizig und locker
Wenn man sich mit Marius Nitsch über Fußball austauscht, spürt man eine seltene Mischung aus Ehrgeiz und Lockerheit. Trotz A-Lizenz ist er kein Fußballprofessor, der sein Wissen jedem auf die Nase binden muss. Vielleicht ist es ja der Amateurfußball, der ihn so greifbar sein lässt. Was die Zukunft noch für ihn bringt, wisse er nicht, sagt er. Klar wird aber auch, dass er noch größere Ziele hat. Erst mit dem USC Paloma 2, und dann vielleicht auch irgendwo anders. „Es kommt, wie es kommt“, sagt er. Die Mischung aus fachlicher Kompetenz und menschlicher Gelassenheit wird ihn noch weit bringen. Da bin ich mir sicher.
Wir fragen nach der Rechnung. Es dauert ewig, bis sie kommt. Deswegen gibt es noch ein paar Anekdoten zu unseren Weggefährten Jan-Hendrik Haimerl (BU) und Koray Gümüs (ETV), zu unserer Stammtisch-WhatsApp-Gruppe mit einem weiteren Haufen fußballverrückter Trainer und zu Ex-Profi Tim Borowski, der Marius beim A-Lizenz-Lehrgang nachhaltig beeindruckt hat. „Und dann sitzt du da neben dem als Trainer von Paloma 2“, grinst er.
Dann kommt doch endlich die Rechnung. Die Unterhaltung ist zu Ende, aber nur bis zum nächsten Mal. Am Spielfeldrand im Januar oder vermutlich vorher. Doch dann wahrscheinlich mit Bier und Currywurst statt Schokoladensoufflé und Apfelschorle.