2. Etappe: Von Hamburg nach Berlin – Der Menschenfänger an der Seitenlinie

Ich treffe Trainer Benedetto Muzzicato vom FC Viktoria 1889 Berlin

Die Scheiben meines Autos sind mit einer dünnen Eisschicht überzogen. Ich muss tatsächlich kratzen, bevor ich losfahre. In diesem Winter eine Seltenheit. Es ist noch nicht einmal 8 Uhr in der Früh, absolut nicht meine Zeit. Müde steige ich in meinen Wagen und gebe im Navi die Zieladresse ein: Malteserstraße, Berlin. 3:30 Stunden Fahrtzeit. Es geht in die Hauptstadt zu Benedetto Muzzicato, Übungsleiter des Regionalligisten Viktoria Berlin. Etappe 2, Gesamtkilometer 146.

Hoffnung und Melancholie

Wie schon bei der ersten Tour nach Ratzeburg führt mich mein Weg durch den Hamburger Berufsverkehr Richtung Horner Kreisel. Die Musik bleibt dieses Mal noch aus. Ich kämpfe mit der frühen Stunde. Doch als ich in Winterhude an der Dorotheenstraße vorbeifahre, ist mein Geist plötzlich hellwach. Hier erfüllte sich meine Mutter einst ihren Traum, bezog mit Ende 40 als frisch studierte Mediatorin ihr erstes eigenes Büro. Aus unterschiedlichen Gründen zerplatzte dieser Traum viel zu schnell. Mir wird bewusst, dass ich wie meine Mutter nach Erfüllung strebe, dass ihre Wünsche auch in mir stecken. Ich weiß, dass ich viel investieren muss, um meine Träume zu verwirklichen, auch für meine Mutter. Mich rühren die Erinnerungen an die Büroeinweihung und die damalige Zeit. Vieles vergeht. Etwas Bleibendes zu schaffen, ist niemals leicht.

Ich überquere die alte innerdeutsche Grenze in Gudow. Mittlerweile läuft auch wieder Musik. „Zwischen Hoffnung und Melancholie“ von Disarstar. Die Sonne versucht sich durch die Wolken zu kämpfen. Doch nicht nur wegen des Songtitels bin ich nachdenklich. Wieder erinnere ich mich an etwas, wieder inspiriert es mich. Disarstar bringt gerade sein neues Album heraus, einst saß ich neben ihm am Schreibtisch seines Kinderzimmers als Nachhilfelehrer. Er gehört zu denjenigen, die ihren Weg gegangen sind, war er noch so weit, noch so steinig. Er hat sich seinen Traum erfüllt und macht Musik, hat sein Talent genutzt. Ich bewundere Menschen, die gegen alle Widerstände ankämpfend ihren Platz in dieser verrückten Welt gefunden haben.

Schneeregen und Begegnungen am Zaun

Nach einem kurzen Ausflug über die Brandenburger Dörfer führt mich mein Weg hinein nach Berlin. Direkt an einer vierspurigen Hauptstraße liegt der heutige Trainingsplatz von Viktoria. Wohnhäuser auf der einen, Parkanlage auf der anderen Seite und dazwischen ein eingezäunter Rasenacker. Schräg gegenüber auf dem Gelände des BFC Preussen nahm ich vor Jahren als Trainer mit meiner Nachwuchsmannschaft an einem Turnier teil. Doch bevor ich in weiteren Erinnerungen versinke, steige ich aus und gehe die wenigen Meter zum Trainingsplatz. Schneeregen fällt vom Himmel. Es ist nasskalt und nur ein Schirm bewahrt mich vor Schlimmerem.

Es ist eine merkwürdige Szenerie, denke ich, als ich am Zaun entlang spaziere. Hier trainiert ein ambitionierter Regionalligist um 11 Uhr vormittags auf einem fremden Platz. Auf dem Feld stehen nur Spieler, die mit Fußball auch ihren Lebensunterhalt verdienen. Nach Definition sind es Profis. Professionelle Bedinungen sind aber keine gegeben. Die Schwierigkeiten der Regionalliga-Klubs werden deutlich. Der Sprung in die 3. Liga, also ins offizielle Profitum, scheint ein großer. „Scouts müssen sich anmelden.“ Eine Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.

Es ist ein Spieler, der mich durch den Zaun hindurch anspricht. Ich bin total perplex und stammele vor mich her, dass ich kein Scout bin, sondern mit dem Trainer verabredet sei. Der Spieler wiederholt sich: „Im Ernst, Scouts müssen sich anmelden.“ Dann fängt er an zu grinsen und ich realisiere, dass er sich einen Scherz erlaubt hat. Während ich verlegen lächle, versinke ich vor Scham unter meinem Schirm. „Manchmal bin ich echt leicht zu verarschen“, denke ich und beobachte weiter das Treiben.

Zwischen zwei Übungen stapft ein mittelgroßer, gutgebauter Mann mit Mütze Richtung Zaun. Den klaren Anweisungen während der Spielform zuvor zufolge ist das mein heutiger Gesprächspartner Benedetto Muzzicato. „Jan-Hendrik?“, fragt er kurz. „Moin, Muzzi“, antworte ich. Wir stecken jeweils unsere rechte Hand durch den Bauzaun und begrüßen uns. Dass ich ihn, ohne vorher ein Wort persönlich mit ihm gewechselt zu haben, direkt mit seinem Spitznamen begrüße, hat einen Grund. Ein Freund von mir, dessen Sohn ich seit über zehn Jahren trainiere, ist Benedettos Berater und war schon als solcher tätig, als Muzzi noch selbst als Spieler aktiv war. Von „Muzzi“ hatte ich also schon vieles gehört.

Bevor ich diese und weitere Geschichten mit ihm vertiefe, jagt Benedetto seine Spieler noch ein paar Minuten über den seifigen Rasen. Drei gegen zwei nach Trainerzuspiel auf ein Großtor und zwei Kontertore. Die Stimmung ist gut, das Tempo hoch, der Torabschluss nicht immer genau, aber es wird viel gelacht und bei Toren auch gejubelt. Nicht nur einmal rutscht ein Spieler auf seinen Knien zu mir Richtung Zaun, bis das Training zu Ende ist und alle klitschnass Richtung Kabine trotten. „Wir treffen uns gleich in der Geschäftsstelle“, gibt Muzzi mir noch mit, ehe er sich durchgefroren auf den Weg unter die Dusche macht. Während ich am Zaun entlang zurück zu meinem Auto gehe, sammeln zwei Spieler noch die Spielfeldmarkierungen ein und kämpfen dabei mit ihren halberfrorenen Fingern. Ein Hauch von Kreisklasse in der semiprofessionellen Regionalliga. Erfrischend.

Alte Dame und junger Mann

In der Geschäftsstelle empfängt mich ein Berliner Original. Sein Name ist Marc. In bestem Berliner Dialekt quatscht er mit mir sofort über Fußball. Als ich ihm erzähle, dass ich gerade an einem Buch über Trainer arbeite, geht er mit mir seine persönliche Empfehlungsliste für Fußballbücher durch. Ein authentischer Typ, der Fußball liebt. Sympathisch. Das Gebäude der Geschäftsstelle ist hochmodern und spiegelt den Anspruch des Klubs deutlich besser wider als der seifige Trainingsplatz des Nachbarvereins. Vom Empfangstresen aus blicke ich auf das Gelände des FC Viktoria 1889 Berlin. Vor mir liegen zwei Kunstrasenplätze, eine große Rasenfläche, die „nur von den ganz Kleinen genutzt wird“, wie mir Benedetto später erklärt, und weiter hinten erkennt man vor allem aufgrund der riesigen Flutlichtmasten das Stadion Lichterfelde, in dem Viktoria seine Heimspiele austrägt, aber eben gerade im Winter nicht oft trainieren kann.

Als sich mein Blick wieder auf die Einrichtung der Geschäftsstelle konzentriert, fällt mir sofort etwas auf. Auf einem großen Plakat gegenüber vom Empfangsthresen steht geschrieben: „Berlins wahre alte Dame heißt Viktoria. Seit 1889.“ Der Slogan ist nicht nur eine kleine Spitze gegen Bundesligist Hertha BSC, der in der Fußballwelt als „Alte Dame“ bezeichnet wird, sondern formuliert auch das eigene Selbstverständnis als Traditionsverein und zweifacher Deutscher Meister Anfang des 20. Jahrhunderts.

Als Benedetto frischgeduscht und in Freizeitklamotten die Geschäftsstelle betritt, gibt es erst einmal eine herzliche Begrüßung mit Marc. Schon auf dem Trainingsplatz war mir schnell klar geworden, dass Muzzi auf seine Mitmenschen eine extrem ansteckende, positive Wirkung hat. Als ich ihn ohne Mütze sehe, fällt es mir schwer zu glauben, dass er schon 41 Jahre alt ist. Glatte, leicht gebräunte Haut, durchtrainierter Körper, hippe Brille, sportlich moderne Kleidung – Muzzi sieht nicht nur im Gesicht so jung aus wie seine Spieler, sondern kleidet sich auch so. Es ist aber vor allem seine Ausstrahlung, die seine Mitmenschen in seinen Bann zieht. Mein Kumpel und Benedettos Berater sagte schon einmal zu mir, dass „der Muzzi ein Menschenfänger sei“. Es wird schnell deutlich, was er damit meinte.

Oberneuland und Werder Bremen

Wir nehmen im Konferenzraum Platz. Anders als gedacht haben wir doch mehr Zeit für unser Gespräch. Die zweite an diesem Tag angesetzte Trainingseinheit hat Benedetto wetterbedingt vom Trainingsplatz ins Fitnessstudio verlegt. Dort übernimmt am Nachmittag sein Athletiktrainer. Nur wenige Minuten, nachdem ich mein Diktiergerät zwischen uns auf dem Tisch platziert habe, klopft es an der Tür. Kameramann, PR-Mitarbeiterin und Spieler müssen noch ein kurzes Video für Social Media drehen.

Benedetto berichtet von seinem Werdegang. Im Eiltempo von nur sechs Jahren hat er sämtliche Erfahrungen gesammelt und seine B-, Jugend-Elite- und A-Lizenz gemacht. Angefangen hat alles mit einem Anruf seines Bruders Ende 2013. „Er hat mich gefragt, ob ich mit ihm die U17 des FC Oberneuland in der Rückrunde coachen möchte“, erinnert sich Muzzi. Er selbst ließ damals seine bewegte Laufbahn auf den Amateurplätzen Bremens und Niedersachsens ausklingen und hatte noch nicht viel darüber nachgedacht, selbst einmal Trainer zu sein.

Trotz aussichtsloser Lage im Abstiegskampf der B-Regionalliga nahm Muzzi den Job nach kurzer Stippvisite an. Den Abstieg konnte er als Trainer zwar nicht verhindern, aber er impfte seiner Mannschaft, die zuvor fast jedes Spiel verloren und vier Übungsleiter in der Hinrunde verschlissen hatte, eine neue Mentalität ein. Es folgten deutlich mehr Punkte als in der ersten Saisonhälfte. Das bessere Auftreten seiner Mannschaft sprach sich rasch herum. Plötzlich klopfte das Nachwuchsleistungszentrum des SV Werder Bremen an. Ausgerechnet Werder.

Als Muzzi anfängt, über sein Werder Bremen zu sprechen, verändert sich etwas bei ihm. Er wird emotionaler. Ich spüre, dass dieser Verein ihm unglaublich viel bedeutet und als er weiter erzählt, wird mir schnell klar, wieso. Bei Werder Bremen durchlief Benedetto sämtliche Juniorenmannschaften. Eine Profikarriere wurde ihm prophezeit, doch er packte es im ersten und auch einige Jahre später im zweiten Anlauf nicht, sich durchzusetzen. Ganz im Gegenteil: Er eckte mit vielen an, sorgte immer wieder abseits des Platzes für Schlagzeilen. Der Rote Faden seiner aktiven Laufbahn.

Damals konnte sich keiner einen Trainer Muzzicato vorstellen und nun saß er plötzlich mit der Leitung des Nachwuchsleistungszentrums zusammen und diskutierte mögliche Trainerposten. Als Co-Trainer der U15 unter dem heutigen Proficoach Florian Kohfeldt sollte er arbeiten. Dafür musste er nur noch Kohfeldt selbst von sich überzeugen. Es gelang. Und als Kohfeldt ab Herbst nicht nur jede Woche für ein paar Tage zum DFB-Fußballlehrerlehrgang nach Hennef musste, sondern auch als Assistent von Viktor Skripnik zu den Profis aufstieg, stand Benedetto plötzlich gemeinsam mit einem weiteren Co-Trainer in der Verantwortung der U15 Werder Bremens.

Trotz erfolgreicher Saison mit der Vizemeisterschaft hinter dem FC St. Pauli und weit vor dem HSV zog es Muzzi wieder weg von Werder. „Ich habe gemerkt, dass es mich nicht so sehr reizt, mit Jugendlichen zu arbeiten“, sagt er heute. Der FC Oberneuland war auf der Suche nach einem Trainer für die 1. Herrenmannschaft. Muzzi sagte zu, stieg mit dem FC in die Bremenliga auf, schloss sich dann direkt dem TB Uphusen aus der Oberliga Niedersachsen an, rettete den Klub vor dem Abstieg und machte nach der Sommervorbereitung der Folgesaison bereits den nächsten Schritt. Regionalliga, BSV Schwarz-Weiß Rehden. Nur dreieinhalb Jahre hatte er dafür gebraucht. In Rehden übernahm er einen Schleudersitz. Zahlreiche Trainer hatten sich hier versucht. Benedetto Muzzicato schlug ein. Mit fünf Punkten nach neun Spieltagen übernahm er das Zepter und holte in den folgenden 25 Partien noch 34 Zähler. Klassenerhalt. In der zweiten Saison führte Muzzi den Verein ins obere Mittelfeld der Liga und entschied sich im Sommer 2019 für das Abenteuer FC Viktoria 1889 Berlin.

Zukunft und Vergangenheit

„Bei Viktoria sind die Möglichkeiten größer. Die Spieler sind Profis, wir können vor- und nachmittags trainieren. Die Ambitionen des Klubs decken sich mit meinen. Das passt“, sagt Benedetto. Im März will er den Sprung in den DFB-Fußballlehrerlehrgang schaffen. Es ist der zweite Anlauf. Nur 24 Plätze vergibt der DFB pro Jahr. Wenn er in den ersten drei Bundesligen arbeiten will, muss er Fußballlehrer sein. Für mich ist klar, dass sein Weg hier in Berlin nicht endet, dass er bald die höchste Lizenz erlangen wird.

Wenn Muzzi über Fußball spricht, brennt er innerlich und äußerlich. Er versteht das Spiel, er hat es selbst gespielt. Doch bevor wir über die Lehren seiner gescheiterten Spielerlaufbahn für seine Tätigkeit als Trainer sprechen können, klopft es wieder an der Tür. Dieses Mal ist es der Videoanalyst. Die Zeit ist gerast. Nach und nach treffen die Spieler ein und nehmen für die angesetzte Videoanalyse Platz. Der Spieler, der mich am Vormittag geflachst hat, grinst mich an. Ich grinse zurück. Es ist Marcus Hoffmann, der Kapitän.

Während Muzzi seiner Mannschaft verschiedene Spielsituationen aus vergangenen Partien zeigt und immer wieder darauf hinweist, dass seine Spieler bestimmte Situationen besser erkennen und mehr agieren sollen, denke ich über den Trainer Benedetto Muzzicato nach, wie er in nur wenigen Jahren seinen Weg von der Landesliga in Bremen bis in die Regionalliga gegangen ist, wie er im Gegensatz zu den meisten anderen nicht die Route über die Nachwuchsleistungszentren der Bundesligaklubs gewählt hat und doch auf der Schwelle zum Profitrainer steht. Sein Weg ist eine Inspiration.

Am Konferenztisch sitzt unter anderem auch Cimo Röker, 94er Jahrgang, ehemaliger Nachwuchsspieler bei Werder Bremen. Gegen ihn und seine Mannschaft hatte ich einst mein erstes Spiel als richtiger Cheftrainer, als wir in der C-Regionalliga mit dem Niendorfer TSV an der Weser zu Gast waren. „Hätte ich mehr in meine Trainerlaufbahn investieren, einen Versuch wagen sollen?“, frage ich mich und stoße schnell auf die Antwort. Ich säße nicht hier und würde daran arbeiten, die einzigartigen Geschichten von anderen Fußballtrainern zu erzählen. Das ist das, was ich machen will. Das wird das sein, was bleiben wird.

Reue und Dankbarkeit

Die Spieler verlassen den Raum und machen sich auf den Weg ins Fitnessstudio. Muzzi und ich bleiben sitzen und setzen genau da an, wo wir aufgehört haben. Er plaudert von seiner Zeit als Spieler, davon dass Werders Trainerlegende Thomas Schaaf noch heute erzählt, dass er es hätte packen müssen, dass er das Talent hatte. Muzzi berichtet von seinen unzähligen Stationen, von seinem zweiten Versuch bei Werder, von seinem Rauswurf bei Union Berlin, wo mit Frank Wormuth nicht nur der langjährige Chefausbilder des DFB sein Trainer war, sondern dieser ihn nachhaltig geprägt hat. „Seine Art Fußballtaktik zu erklären, ist für mich bis heute einmalig“, sagt Muzzi.

Und während er so von seinen weiteren Stationen in Regional- und Oberliga berichtet, von seiner sich immer wiederholenden Rückkehr zum FC Oberneuland, zeigt er Reue. Ich spüre, dass er es als Spieler gerne gepackt, er es gerne allen und vor allem sich selbst bewiesen hätte. „Ich war ein Egoist, bin immer wieder angeeckt, hatte Probleme mit Trainern. Wenn ich heute alte Weggefährten treffe, fragen mich alle, wie ich denn bitte Trainer werden konnte“, erzählt Benedetto. „Du wärest nicht der Trainer, der du jetzt bist, wenn du nicht diese Erfahrungen gesammelt hättest“, sage ich ihm. „Ich weiß“, antwortet er und die Reue weicht der Dankbarkeit. Dankbarkeit für seine Vergangenheit. All seine Erlebnisse helfen ihm im Umgang mit seinen Spielern, seinem Staff, den Vereinsmitarbeitern. Der geplatzte Traum von der Profikarriere als Spieler ist sein Antrieb als Trainer. Er analysiert, er coacht, er strahlt Ruhe aus, er liest das Spiel und ist handlungsfähig. Dieses Mal will er es packen. Er wird es packen, da bin ich mir sicher. Und vielleicht nimmt er irgendwann in der Bundesliga als Cheftrainer auf der Bank von Werder Bremen Platz. Auch wenn dieser Gedanke kitschig sein mag, ich habe im Gefühl, dass es irgendwann wirklich so kommen könnte.

3-4-3 und Familie

Wir reden noch zwei Stunden über Fußball. Es geht um Antonio Conte, der in Muzzis Rangliste vor Jürgen Klopp und Pep Guardiola steht, aber auch um Taktik, Muzzicatos 3-4-3. Wir sprechen über zu früh zufriedene Talente, den deutschen Fußballnachwuchs, Muzzis italienische Wurzeln. Es geht aber auch um die Familie. Er erzählt von schwierigen Zeiten mit seinem Vater, der viel von ihm verlangte, von seinem Bruder Fabrizio, der ihm die Tür ins Trainergeschäft öffnete, von seiner Frau und den beiden gemeinsamen Kindern, die noch immer in Bremen weilen. Der rasante Aufstieg von der Bremer Amateurklasse zum ambitionierten Berliner Regionalligisten hat seinen Preis. Nur an den seltenen freien Tagen bekommt er seine Liebsten zu Gesicht. Die Kinder sind in Bremen verwurzelt, gehen dort zur Schule, machen ihren Sport und fühlen sich dort wohl. Aber: Es funktioniert.

Wir könnten noch ewig weiter plaudern, doch jetzt stehen die nächsten Termine für Benedetto an. Die PR-Abteilung verlangt nach ihm, im Anschluss das Management, das den Kader für die kommende Saison planen will. Wir verabschieden uns, machen noch ein Foto vor dem Plakat mit der Spitze gegen die große Hertha und auf geht’s nach Hause.

Der Magen knurrt. Ich habe seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Auf dem Weg zur Autobahn mache ich einen ersten Stopp bei McDonald’s. Cola, zwei Doppelcheeseburger. Dann der zweite Stopp. Mein bester Freund war beruflich in Berlin und ich bin seine Mitfahrgelegenheit. Er fragt, wie es war und ich gerate ins Schwärmen. Der „Menschenfänger“ Muzzicato hat auch mich fasziniert. Er hat das gefunden, was von ihm bleiben wird. Die drei Stunden Heimfahrt vergehen wie im Flug. Etappenkilometer 622. Gesamtkilometer 767.

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