In den ersten beiden Teilen des Trainer-Jahresrückblicks haben viele tolle Kollegen ihre Eindrücke und Erfahrunges eines komplexen Jahres 2020 geteilt. Jetzt blicke ich zum Abschluss ebenfalls zurück auf ein Jahr, das so anders war als seine Vorgänger. Hier kommt Teil 3.
2020 war ein Jahr, das mich häufig nachdenklich gemacht hat und es auch an diesem letzten Tag immer noch tut. Es war ein Jahr, in dem ich eine innerliche Zerrissenheit gespürt habe, die ich so noch nie empfunden hatte. Es war der Spagat zwischen egoistischen Bestrebungen und solidarischen Verpflichtungen. Zwei Kräfte die gegensätzlich wirken, die es mich auch verstehen haben lassen, warum sich einige Menschen stets nur in eine dieser beiden Richtungen ziehen lassen. Dabei ging es in diesem Jahr umso mehr um ein Gleichgewicht. Und das eben vor allem auch im Amateurfußball.
Mehr Verständis füreinander aufbringen
Natürlich darf jeder Trainer, jeder Spieler und jeder Zuschauer seinen individuellen Emotionen Ausdruck verleihen. Jeder durfte sich über die lange Spielpause im Sommer ärgern, die Einschränkungen im Training, ungleiche Hygienekonzepte, das Testspiel-Chaos und über Kommunikationsprobleme des Verbandes.
Doch auf der anderen Seite durfte auch jeder Solidarität einfordern, seine Ängste äußern, die Gesundheit in den Vordergrund stellen und lieber Verständnis zeigen als Ärgernis zum Ausdruck zu bringen. Uns gelingt in der Gesellschaft leider nur zu selten, ein Gleichgewicht zu schaffen, sowohl in einem selbst, als auch als Gesamtheit.
Für viele gibt es nur schwarz oder weiß und wer auf der anderen Seite steht, wird nur zu gerne diffamiert. Dialoge und Zuhören finden nur selten statt. Auch der Amateurfußball hat sich in vielen Phasen dieses Jahres von dieser hässlichen Fratze gezeigt. Bei Facebook und Co. wurde der Ton im Laufe des Jahres immer rauer, immer beleidigender. Andere Ansichten, Bedürfnisse und Sorgen wurden über den Haufen gepöbelt.
Nicht alle waren bereit, sich anzupassen
Und da ist sie eben wieder, diese innerliche Zerrissenheit. Natürlich hätte ich mir als leidenschaftlicher Fußballtrainer gewünscht, dass wir auch in diesem Jahr mehr Fußball hätten erleben können. Sicherlich wäre im Sommer schon früh mehr möglich gewesen und vermutlich hätte man gerade auch im Juniorenbereich andere Lösungen für die zweite Zwangspause hätte treffen können.
Doch zu häufig war auch zu beobachten, dass bei weitem nicht alle in der Lage waren, sich in der kurzen Spielphase an die Regeln zu halten. Handschlag hier, Spielerkreis da, Kabinennutzung ohne Maske dort. Es wurde 11 gegen 11 im Training gespielt, als andere sich noch an die Regel mit zehn Spielern gehalten haben. Nur zu verständlich also, dass auch der Fußball früh wieder pausieren musste.
Dieser Sport ist schließlich auch nur ein kleiner Teil des gesellschaftlichen Lebens. Und es ist in Zeiten, in denen das Gesundheitssystem an seine Grenzen kommt und viele Menschen wirtschaftliche Herausforderungen meistern müssen, vermeintlich ein leichtes, diese Einschränkungen in Kauf zu nehmen, damit es andere einfacher haben und wir als Gesellschaft schnellstmöglich bessere Zeiten erleben können. Ich würde mir fürs neue Jahr wünschen, dass wir mehr Verständnis füreinander haben, dass wir der Wissenschaft vertrauen, dass uns unser Gegenüber nicht gleichgültig ist.
Learnings aus 2020: Einzeltraining fördern und das Mannschaftsgefühl am Leben halten
Doch dieses Jahr hatte auch viel Gutes. Von so vielen Trainern zu hören, wie kreativ sie in den vergangenen Monaten geworden sind, wie viel Freude das bereitet hat, das tat einfach mal gut. Ich persönlich habe für mich das Einzeltraining entdeckt. Sich ganz individuell mit nur einem oder zwei Spielern zu beschäftigen, finde ich sehr reizvoll. Das ist auch etwas, das ich intensiver im neuen Jahr verfolgen und in den Trainingsalltag einbauen möchte.
Ich muss aber auch gestehen, dass ich kaum Energie und Motivation verspürt habe, meine eigene Mannschaft in den Zwangspausen an die Hand zu nehmen und mit Zoom-Meetings und Lauf-Challenges zu beschäftigen. Jetzt zum Ende des Jahres ist mir aber bewusst geworden, dass etwas fehlt. Es ist die Interaktion als Mannschaft. Ich hatte immer den Eindruck, die Spieler lieber in Ruhe zu lassen, als ihnen etwas aufzudrängen. Für die Zeit im Januar und Februar habe ich jetzt aber Ansätze gefunden, um diese fehlende Interaktion innerhalb der Mannschaft wieder etwas anzuheizen.
Der Verband hat aus seinen Fehlern gelernt
Und zum Abschluss möchte ich auch noch einmal ein großes Lob aussprechen. Ich habe in diesem Jahr nicht mit Kritik gegeizt, wenn es um den Hamburger Fußball-Verband ging. Zu den jeweiligen Zeitpunkten war diese meiner Meinung nach auch angebracht. Die gegründete Initiative im Hamburger Amateurfußball zeigt, dass es vielen anderen auch so ging. Doch auch der HFV hat in diesem Jahr, wenn auch nicht offensiv so zugegeben, aus seinen Fehlern gelernt und den Dialog mit den Vereinen verbessert. Dass aktuell kaum laute Kritik zu hören ist, ist ein Indiz für eine transparentere Kommunikation. Chapeau, HFV!
Persönlich wehgetan hat, dass ich mein Buchprojekt nach drei Stationen in Ratzeburg, Berlin und Sulingen erst einmal wieder auf Eis legen musste. Aber die Tour durch Deutschland wird weitergehen. Da bin ich ganz sicher!
So, und das war es nun mit 2020. Ich freue mich aufs neue Jahr, auf hoffentlich viele Momente auf dem Sportplatz, auf Jubel, aufs Bierchen in der Kabine und vor allem freue ich mich auf mein Team. Wir haben viel vor, am Ball und auch mal wieder am Glas. Es wird Zeit, dass wir es wieder zeigen dürfen. Kommt alle gut rein!