Umschaltspiel: Vom Eishockey lernen

Fünf Jahre habe ich das Hamburger Eishockey begleiten dürfen – vier davon als Reporter, eines als Pressesprecher der Hamburg Freezers. In dieser Zeit habe ich unzählige Trainings auf dem Eis mit meinem Trainerauge verfolgt und mir das ein oder andere von der schnellsten Mannschaftssportart der Welt abgeschaut. Heute zeige ich euch eine meiner Lieblingsübungen, die eben jenen eisigen Ursprung hat. Sie kombiniert die technisch-taktischen Komponenten des Umschaltspiels mit dem Training fußballspezifischer Ausdauer. Denn neben dem schnellen Spiel in die Tiefe verlangt die Übung auch mehrere hochintensive Läufe binnen kürzester Zeit.

Wir markieren ein Spielfeld zwischen Grund- und Mittellinie und Strafraumbreite. Zwei Mannschaften werden eingeteilt. Mindestens 14 Feldspieler sollten dabei zur Verfügung stehen, damit ausreichend Erholungspausen garantiert werden können. Der Trainer steht mittig an einer der Seitenlinien mit Bällen (weitere Bälle liegen in beiden Toren), zwei Spieler einer jeden Mannschaft positionieren sich jeweils neben ihrem Tor auf der entsprechenden Grundlinie. Die restlichen Spieler beider Teams verteilen sich entlang der Seitenlinie, sodass auf jeder Spielfeldseite nur Spieler eines Teams stehen (siehe Beitragsfoto). Spielt der Trainer einen Ball entlang der imaginären Mittellinie, versuchen die jeweils neben ihrem Tor postierten Spieler den Ball zu erlaufen und im Optimalfall sofort zu einem ihrer Außenspieler zu passen, um Überzahl zu schaffen. Achtung: Nur einfache Überzahl ist möglich (also 3 gegen 2, 4 gegen 3 oder 5 gegen 4)! Erfolgt ein Torabschluss oder ein Ballbesitzwechsel durch Zweikampf oder Fehlpass, schalten beide Teams sofort um. Die nun ballbesitzende Mannschaft versucht ebenfalls, durch einen Pass auf einen der Außenspieler Überzahl zu erzeugen und schnell zum Torabschluss zu kommen. Das wiederholt sich bis zu einem 5 gegen 5. Zwei neue Spieler pro Team postieren sich im Anschluss neben dem Tor usw.

Als Trainer achte ich hier besonders darauf, dass der Pass auf einen der Außenspieler möglichst tief erfolgt und dieser, wenn nötig, auch ins Spielfeld startet, bevor der Ball ihn erreicht. Maximale Geschwindigkeit in den Angriffen ist verlangt. Wird ein Pass nicht hinter die letzte Linie des Gegners gespielt, muss der erste Kontakt des Außenspielers aktiv sein, also entweder Richtung Grundlinie oder eine Kreuzbewegung in die Spielfeldmitte. Wichtig: Auch die Torhüter sollen das Spiel schnell machen und nach einer Parade oder einem Gegentor sofort umschalten und im Optimalfall per Abwurf oder Flugball einen Außenspieler anspielen. Zusatz: Ist die maximale Spieleranzahl erreicht, agieren die restlichen Außenspieler (sofern vorhanden) als Wandspieler, damit kein Ball verloren geht und das Tempo maximal hoch bleibt.

Eine Variante dieser Übung ist das Spiel im doppelten Strafraum. Anders als bei der ersten Form verteilen sich die Spieler der beiden Mannschaften im Wechsel an der Seitenlinie und die Übung startet als 1 gegen 1. Außerdem darf eine vielfache Überzahl geschaffen werden, sodass auch ein Spiel 4 gegen 1 möglich ist. 4 gegen 4 ist bei der Variante im doppelten Strafraum das Maximum. Diese Variante ist weniger intensiv, erhöht aber die Anzahl der Torabschlüsse.

An dieser Stelle gehen ein paar Grüße an Benoit Laporte, Serge Aubin und Stéphane Richer, die mich in meiner Eishockey-Zeit sehr inspiriert und geprägt haben. Ich konnte mir nicht nur Übungen abschauen, sondern besonders in meinem Jahr nah an der Mannschaft und am Trainerteam auch viele Dinge im Bereich der Organisation, Analyse und Mannschaftsführung aufschnappen. Ich empfehle jedem, sich immer wieder mit Trainingsformen anderer Sportarten zu beschäftigen und über den Tellerrand zu schauen.

Frischer Wind und feste Anker

In der Vorbereitung den richtigen Mix finden

Zweimal in der Saison steht eine Vorbereitung auf dem Plan – im Sommer und im Winter. In den wenigen Wochen bis zum ersten Pflichtspiel gilt es, seine Mannschaft optimal auf die Wettkampfphase vorzubereiten. Dabei sollte der Fokus nie nur auf das erste Spiel gelegt werden, sondern auch auf die Wochen danach. Die große Herausfoderung für Trainer ist es, in der Vorbereitungsphase eine gute Mischung aus neuen und altbewährten Inhalten zu finden. Das ist nicht immer ganz einfach. Schließlich wird das Rad bekanntlich nicht neu erfunden. Wer aber selbst lange gespielt hat, weiß: neue Reize sorgen für eine höhere Motivation und vor allem auch Konzentration bei den Spielern. Es ist Zeit für frischen Wind und feste Anker.

Für kreative Ansätze und neue Ideen sorgt die Sommerpause. Wenn der Kopf frei wird, passt auch wieder Neues hinein. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das Rezipieren von fußballspezifischen Inhalten wie Zeitschriften, Büchern oder Filmen sehr inspirierend sein kann. In der zurückliegenden Sommerpause habe ich unter anderem Tobias Eschers Buch „Vom Libero zur Doppelsechs“ gelesen und den Barcelona-Film „Take the ball, pass the ball“ geschaut. Meist geht es vor allem um Anregungen. Auch jede Staffel der Amazon-Serie „All or nothing“ – ob American Football, Rugby oder Fußball – ist empfehlenswert. Jeden frischen Gedanken habe ich einfach notiert, ohne genau zu überlegen, was man am Ende damit anfängt.

Nun gilt es, die vielen Ideen und Ansätze in ein festes Raster zu bekommen. Das geht aber nicht ohne Gerüst. Grundsätzlich bildet eine Analyse der Vorsaison die Basis für den Entwicklungsansatz. Was war gut? Was muss besser werden? Auf was sollte man künftig verzichten? Aus den Antworten entwickelt man eine optimierte oder gar neue Spielidee, die als Grundlage für die Arbeit in der Vorbereitungsphase dient. Hier empfehle ich eine Einteilung nach Säulen. Das können individual- und gruppentaktische sowie technische Inhalte sein aber auch Umschaltspiel, Standards und Athletik. Jede dieser inhaltlichen Säulen bringt wiederum Schwerpunkte mit sich. Alle Inhalte sollten aber nicht nur in der Vorbereitungsphase behandelt werden, sondern wiederholend über die gesamte Saison verteilt. Hierfür eignen sich zum Beispiel Wochen-Zyklen, wie Stefan Ruthenbeck und Jakob Strehlow, U19-Trainer des 1. FC Köln, in der aktuellen Ausgabe der DFB-Zeitschrift Fußballtraining beschreiben. Diese Periodisierung ermöglicht den Spielern, dass sie Inhalte besser und nachhaltiger aufnehmen und umsetzen können und Trainer bietet sie eine Art Roten Faden über die Saison hinweg. Gerade im Amateurbereich neigt man ab Herbst dazu, sich von Spiel zu Spiel zu hangeln und Löcher dort zu stopfen, wo sie entstehen. Dadurch gibt es aber immer wieder neue Löcher. Auch ich habe mich in der Sommerpause hinterfragt und festgestellt, dass ich mich während der Saison immer wieder vom geplanten Kurs habe abbringen lassen und anfing Löcher zu stopfen. Das fällt nicht zwangsläufig sofort ins Gewicht, stört aber jeglichen Entwicklungsprozess der Mannschaft. Hier will ich mich unbedingt verbessern.

Die Spielidee ist nun formuliert, die Säulen sind gebaut, die Schwerpunkte festgelegt. Jetzt gilt es, für die Inhalte die entsprechenden Übungsformen zu finden. Die Probleme im Amateurbereich sind dabei vielschichtig. Zum einen ist die Vorbereitungszeit kurz und die Anzahl der Einheiten pro Woche gering, zum anderen kann die Trainingsbeteiligung eine große Einschränkung bedeuten. Auch sorgen Urlaube und Abwesenheiten für unterschiedliche Fitnesszustände bei den Spielern. Daher ist es schier unmöglich, vorausschauend sämtliche Trainingseinheiten zu bauen. Stehen die Säulen und deren Schwerpunkte aber fest, kann man sich daran gut orientieren und entsprechende Übungen planen, wenn die Größe der Trainingsgruppe final definiert ist. Deshalb empfiehlt es sich, so viele Übungen wie möglich ins Repertoire aufzunehmen. Ich entwickele regelmäßig auch eigene Übungen, leite zum Beispiel auch Trainingsformen aus meiner Zeit im Eishockey ab oder schaue, wie ich Inhalte unter anderem aus dem American Football übernehmen kann. Das Lesen von Fachmedien wie der DFB-Fußballtraining ist sowieso ein Muss. Auch das Buch des Hamburger DFB-Stützpunkt-Koordinatiors Fabian Seeger „Spielnahes Fußballtraining“ ist empfehlenswert. All das bietet ein gutes Rüstzeug für die ganze Saison und schafft Abwechselung im Training.

Natürlich ist die Planung einer Vorbereitung von Trainer zu Trainer und Mannschaft zu Mannschaft unterschiedlich, aber ein gewisses Muster erleichtert die Umsetzung und gibt Team und Coach eine Orientierung, wohin die Reise gehen soll. Was mir persönlich an der Vorbereitung gefällt: ohne Ergebnisdruck sehr detailiert zu arbeiten. Auch von Spielerseite spürt man eine große Bereitschaft, sich sowohl körperlich zu quälen als auch neue Inhalte aufzunehmen. Also, auf gehts!

Hat Kovac sich verzockt?

Bayern-Trainer fehlt Plan B – Klopp gewinnt Trainer-Duell

Zweieinhalb Torchancen in 90 Minuten – das ist die ernüchternde Bilanz der Bayern im Rückspiel des Champions League-Achtefinales gegen den FC Liverpool. Die Konsequenz war das verdiente Ausscheiden gegen einen Gegner, der zwar außerordentlich gut aber mit alternativem Matchplan nicht unschlagbar war.

Genickbruch 0:1

Besonders auffällig: Die Spielidee der Bayern. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, mit viel Ballbesitz in der eigenen Hälfte den Gegner laufen zu lassen und somit aus dem Spiel zu nehmen. Auch wenn Liverpool von Beginn an hoch presste, hatten die Engländer bis zum 1:0 kaum Liverpool typische Ballgewinne, geschweige denn Torchancen. Und genau hier ist aus Trainersicht der Knackpunkt. Kovac‘ Plan A mit Ballbesitz und Spielkontrolle das 0:0 zu halten und auf die eine Lücke zu lauern, ging nur bis zum Rückstand auf. Das änderte sich aufgrund der Auswärtstorregel auch durch den Ausgleich nicht. Als seine Mannschaft ab dem 1:1 weiterhin gezwungen war, auf ein Tor zu spielen, fehlte ihr der Plan B und das vorher so kontrollierte Spiel glitt ihr aus der Hand. Das blieb auch in der zweiten Halbzeit so. Bis auf einen guten tiefen Ball von Ribéry auf Gnabry, dessen Hereingabe Lewandowski knapp verpasste, hatte der FC Bayern nicht eine einzige Szene im Strafraum von Gäste-Keeper Alisson Becker.

Hohes Pressing mit Flugbällen überspielen

Hohes Angriffspressing, besonders auf dem Level des FC Liverpool, kann eine Mannschaft kaum mit flachen Bällen ausspielen, auch nicht der FC Bayern München. Fast alle Bayern-Spieler sind durchgehend dem Ballführenden entgegengekommen. Dem Spiel fehlte jegliche Tiefe. Die Außenverteidiger Rafinha und Alaba waren im Aufbau tief gebunden und auch alle drei zentralen Mittelfeldspieler standen den Innenverteidigern Hummels und Süle fast auf den Füßen. Passwege Richtung Gnabry und Ribéry stellte Liverpool geschickt zu und Lewandowski war als Mittelstürmer allein auf weiter Flur. Auch wenn es vielleicht nicht immer schön aussieht und auch nicht der Stil des FC Bayern sein mag, sind Flugbälle ein probates Mittel gegen hohes Angriffspressing des Gegners. Dabei müssen es nicht immer lange Bälle weit hinter die gegnerische Abwehr sein. Vor allem Flugbälle zwischen die Linien spielen das Pressing auseinander. Selbst wenn der erste Ball nicht kontrolliert werden kann, ist der zweite Ball in der Regel frei und kann von den dann nachrückenden Spielern erobert werden. Liverpool stand durchgehend hoch und bot so viel Raum zwischen eigener Kette und Torwart. Raum, der bespielt werden muss. Kovac ist aber bis zuletzt nicht von seinem Plan abgewichen, auch nicht, als Coman ins Spiel kam. Der Wechsel von Martinez auf Goretzka kam zudem zu spät. Wenn Plan A nicht funktioniert – und das war spätestens zum Ende der ersten Halbzeit sichtbar – dann brauche ich einen Plan B. Klingt platt, ist auf dem Niveau aber unabdingbar.

Kovac kann und wird sich weiterentwickeln

Also ja, Kovac hat sich verzockt. Im Hinspiel hat sein Plan A gut funktioniert. Da war 0:0 ein gutes Ergebnis. Das Spiel zu kopieren war im Rückspiel aber spätestens mit dem 0:1 gescheitert. Die Aussagen von Lewandowski und Hummels nach dem Spiel, die durch die Blume suggerieren, dass der Plan auch ihrer Meinung nach zu defensiv ausgelegt war, bestätigen das. Zu keiner Zeit hatte man das Gefühl, dass es für Bayern ein Do-or-Die-Spiel ist. Vielleicht fehlt Kovac auf diesem Niveau etwas die Erfahrung. Es wäre schön zu sehen, dass er sich bis zum nächsten internationalen K.o.-Spiel weiterentwickeln kann. Das Zeug dazu hat er – ohne Zweifel. Die Bayern-Bosse sollten ihn auch lassen.

Klopp’s Meisterstück

Das Duell der beiden Trainer ging am Ende klar an Jürgen Klopp. Nicht, weil seine Mannschaft das Spiel gewann und zurecht im Viertelfinale steht, sondern weil „Kloppo“ sein Team perfekt gecoacht hat. Sein Coaching hat dem Gegner jegliche Möglichkeiten im Spiel nach vorne geraubt. Klopp hat seine Mannschaft bis zu letzten Minuten immer wieder hinten rausschieben und weiter aggressiv nach vorne verteidigen lassen. Während sich andere Teams – und auch Liverpool in der Vergangenheit – spätestens nach der 2:1-Führung zurückziehen und dem Gegner das Feld überlassen, hat die Mannschaft weiterhin an Klopps Schachzug festgehalten und der Trainer selbst dafür gesorgt, dass sie diesen bis zum Schlusspfiff auch nicht vergisst. Klopp matt!

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