Wie das image des fußballtrainers in der vergangenen Bundesligasaison beschädigt wurde
Die Saison im Profifußball ist vorbei. Bayern München ist wieder Deutscher Meister und der HSV weiterhin nicht erstklassig. Alles beim Alten also? Nein. In der vergangenen Spielzeit haben die deutschen Profiklubs einmal mehr Trainer verschlissen und teilweise sogar öffentlich an den Pranger gestellt. Neu ist aber, dass auch Erfolg vor Entlassung nicht schützt. Ein Warnschuss, der in der öffentlichen Debatte leider nur von den Trainern selbst erhört wird. Giovanni Trapattoni mahnte schon damals: „Ein Trainer ist nicht ein Idiot!“ Blicken wir auf Auffälligkeiten rund um die Trainerposition in der Bundesligasaison 2018/19 zurück.
Nico Kovac: Als Pokalsieger kam er zum FC Bayern München und musste wie schon einige vor ihm in die großen Fußstapfen von Jupp Heynckes treten. Kein leichtes Erbe, wie in den ersten Monaten seiner Amtszeit zu sehen war. Sportlich zeigte sich der Rekordmeister anfällig wie lange nicht und schnell wurde Kovac zur Zielscheibe – ob durch die Medien oder sogar durch die Frau von Thomas Müller. Doch Kovac ließ sich von den Nebenkriegsschauplätzen der alternden Stars nicht beirren, startete in der Rückrunde eine phänomenale Aufholjagd und wurde am Ende verdient Deutscher Meister. Das Verrückte: Genau in dem Moment, als Kovac auf der Welle des Erfolgs surfte, rissen ihm die Bayern-Bosse kurz vor dem finalen Spieltag das Brett unter den Füßen weg und stellten seinen Verbleib öffentlich infrage. Vielleicht war es Taktik, um einem möglichen Scheitern am Ende der Saison vorzubeugen. Doch, wie kann es sein, dass ein Trainer, der eine vermeintlich satte und alternde Bayern-Elf trotz neun Punkten Rückstand und reichlich Gegenwind doch noch zum Titel führt, so wenig Vertrauen genießt? Ja, in der Champions League hat Kovac gezeigt, dass er vielleicht noch etwas Zeit braucht, um auch auf diesem Niveau ein Top-Trainer zu sein, aber er hat allemal bewiesen, dass er das Zeug dazu hat, dass er eine Mannschaft voller Stars führen und überzeugen kann. Er strahlt mit seiner Außendarstellung und seiner klaren Sprache Stärke aus und liefert am Ende eben auch die geforderten Ergebnisse. Die Sehnsucht nach dem erneuten Champions League-Titel haben auch Pep Guardiola und Jupp Heynckes (in seinem letzten Jahr) nicht erfüllt. Vielleicht wollten die Bayern-Bosse ja auch ein wenig von ihren Versäumnissen ablenken. Unterm Strich war der nicht optimal zusammengestellte und wohl satte Kader nicht in der Lage mehr zu leisten. Kovac hat indes eine weitere Chance verdient, sich in diesem schwierigen und erfolgsverwöhnten Klub zu beweisen – und das vor allem mit vollstem Vertrauen seitens der Entscheidungsträger.
Dieter Hecking: Der erfahrene Trainer hat die abstiegsbedrohte Borussia aus Mönchengladbach im Winter 2016 übernommen und sie auf Anhieb in sichere Gefilde geführt. Platz 6 in der Rückrundentabelle 2016/17 ist der entsprechende Beleg. Genau dieselbe Platzierung erreichte die Elf vom Niederrhein auch in der Hinrunde der Folgesaison, ließ dann in der Rückrunde aber etwas Federn. Ein stabiler Platz 9 war das Endergebnis. Hecking zeigte in dieser Saison dann eindrucksvoll, dass mit den Fohlen mehr zu holen ist und steuerte lange Zeit Richtung Champions League, bis seine Mannschaft im Frühjahr 2019 in ein Leistungstief fiel. Als die Bosse dann sein Ausscheiden – trotz Vertrages – zum Saisonende bekanntgaben, schien der Schritt fast verständlich. Doch Hecking und die Borussia bekamen noch einmal die Kurve und erreichten am Ende einen starken 5. Platz und damit die erstmalige Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb seit der Saison 2015/16. Eine beeindruckende Leistung für einen guten aber eben auch nicht sehr guten Kader. Auch hier muss ein Trainer gehen, der eine Mannschaft, die auch schon schwierige Zeiten erlebt hat, solide und ruhig geführt hat und mit diesem Stil auch erfolgreich war. Zeit gab man ihm mal wieder keine. Auch hier muss die Frage gestellt werden, inwiefern ein Austauschen vor Vertragsende nötig war. Hecking war es übrigens auch, der in seiner letzten Pressekonferenz den Zeigefinger hob und vor einer zu hohen Austauschbarkeit des Trainers warnte. Er hat damit ein Thema abermals auf den Tisch gebracht, das dringend intensiver diskutiert werden muss. Dazu später mehr.
Bruno Labbadia: Der Wolfsburger Trainer ist leiderprobt wie kaum ein anderer. Besonders seine zweite Amtszeit beim HSV hat sein Image in der Öffentlichkeit nachhaltig negativ geprägt. Heute weiß man, dass sehr wahrscheinlich weniger er als der HSV etwas dafür konnte. Als der VfL Wolfsburg im Endspurt der vergangenen Saison Labbadias Retter-Qualitäten in Anspruch nahm, hätte ihm wohl niemand zugetraut, dass er nur ein Jahr später mit den Wölfen in den Europapokal einziehen würde. Was für eine Leistung! Schließlich drohte man in der Autostadt, sich dem HSV nach zwei Relegationen und einer chaotischen Führung anzuschließen. Pustekuchen! Bruno sei Dank – oder eben auch nicht. Denn auch Labbadia, der Wolfsburg so stark hat auftreten lassen wie ewig nicht, muss am Ende der Saison seinen Platz räumen. Ehrenvoll hat er diesen Entschluss zwar selbst gefasst, aber auch nur, weil der vermeintlich bewusst gewählte Eierkurs der Vereinsführung jegliche Art von Vertrauen für ihn unmöglich machte. Auch hier hat ein Trainer trotz nachweislichen Erfolgs keine Zukunft.
Julian Nagelsmann: Beim jungen Coach aus Hoffenheim ist die Situation etwas anders und seine Erwähnung in diesem Text auch anders zu begründen. In seinem Fall ist eine andere Unart, die im Profifußball immer mehr zur Mode wird, zu beobachten. Die Spieler suchen sich ein Alibi. Stürmer Andrej Kramaric hatte jüngst die häufigen taktischen Umstellungen während des Spiels kritisiert und moniert, das überfordere die Mannschaft. Ganz unabhängig davon, dass es natürlich möglich ist, dass taktische Inhalte Spieler überfordern können, kreiert ein Profifußballer hier ein Alibi für die sportlichen Versäumnisse derer, die auf dem Platz stehen. Wer sich TSG-Spiele in dieser Saison angeschaut hat, wird gesehen haben, dass nicht nur unzählige Führungen verspielt wurden, sondern dass vor allem auch individuelle Fehler dazu geführt haben. Dies einem Trainer anzulasten, wäre schon äußerst verquer. Durch seine Äußerungen aber bringt Kramaric eine Diskussion ins Rollen, die nachhaltig dem Trainer schaden kann und den Spielern eben jenes Alibi schafft.
Friedhelm Funkel: Die Nachricht erzürnte wohl ganz Fußball-Deutschland. Friedhelm Funkel bekommt keinen neuen Vertrag. Zu diesem Zeitpunkt überraschte Fortuna Düsseldorf gerade die ganze Liga, sammelte mehr Punkte, als jemals für möglich gehalten und goss gerade das Fundament für den Klassenerhalt. Völlig überrumpelt vom Echo der Fußballwelt ruderten die Bosse der Fortuna reumütig mit ihrer Entscheidung zurück und verknüpften Funkels Vertragsverlängerung mit dem Klassenerhalt – etwas, was der Trainer ohnehin angeboten hatte. Auch hier waren eitle Entscheidungsträger nicht in der Lage, einem erfolgreichen Trainer den Rücken zu stärken und ihm zu vertrauen. Dass sich Funkel schon damals dieses Vertrauen verdient hätte, zeigt die Bestätigung der Leistung seiner Mannschaft über die gesamte Saison hinweg.
Schalke, Augsburg, Stuttgart, Hannover, Nürnberg: Alle Vereine wechselten in der vergangenen Saison den Trainer – Stuttgart sogar doppelt – und keiner dieser Klubs war damit großartig erfolgreicher als vorher. Bei Schalke und in Augsburg den Klassenerhalt mit dem Trainerwechsel zu verknüpfen, wäre äußerst naiv. Sowohl S04 als auch der FCA profitierten von der schwachen Konkurrenz. Beide Trainerwechsel hatten keinen nachhaltigen Effekt. Noch signifikanter fällt dieses Fazit in Stuttgart, Hannover und Nürnberg aus. Überall wurde deutlich, dass die Probleme der Vereine vermeintlich hausgemacht und nicht allein in der Verantwortung der Trainer zu finden waren.
Sandro Schwarz: Für mich ist der Fall Mainz 05 das beste Beispiel dafür, wie sportliche Kontinuität nachhaltig zum Erfolg führen kann. In der vergangenen Saison steckte Mainz knietief im Abstiegssumpf und zog sich erst am Ende selbst heraus, ohne dabei einen Trainer zu verschleißen. Sandro Schwarz erhielt das Vertrauen der Klubführung sowohl im Abstiegskampf der Saison 2017/18 als auch in der am Wochenende zu Ende gegangenen Spielzeit und zeigte in dieser, dass die Entscheidung berechtigt war. Mainz hatte nie etwas mit dem Abstieg zu tun und spielte mit 43 Punkten eine sehr stabile Serie.
Fazit: Ich will mit dieser Auflistung nicht aussagen, dass Trainerwechsel per se falsch sind oder Trainer fern jeglicher sportlicher Verantwortung agieren, sondern nur, dass Trainerwechsel eben nicht per se richtig sein müssen. Auch die Annahme, dass nur ein Wechsel auf dieser wichtigen Position für Besserung sorgt, ist ein leider etablierter Irrglaube. Neue sportliche Reize zu setzen, ist natürlich ein legitimer und auch immer mal wieder notwendiger Vorgang des Geschäfts. Die Auswüchse dieser Hire-and-Fire-Mentalität nehmen nur immer weiter zu, machen neumodisch auch vor Erfolg nicht halt und sorgen nachhaltig für eine gewisse Willkür auf der Trainerposition und vor allem für ein schlechtes Image der Berufsgruppe. Diese Beliebigkeit täuscht meist nur über die Versäumnisse der Vereine hinweg und legt diese bei wiederholten Entlassungen letztlich auch nur offen. Fahriges Management, keine nachhaltige Philosophie, krampfhaftes Erfolgsverlangen oder eine schlechte Kaderzusammenstellung zählen zu den eigentlichen Verfehlungen, die eine große Hypothek für einen jeden Trainer darstellen können. Die öffentliche Diskussion, die Dieter Hecking, Bruno Labbadia und auch Thomas Doll vorantreiben, ist dringend notwendig, sollte nur ebenso dringend nicht nur einseitig geführt werden. Auch Spieler und Sportvorstände/Sportdirektoren sind hier gefragt, das Standing der Trainer wieder zu stärken und nicht für eigene Alibis zu sorgen. Mehr „Wir“ und weniger „Ich“ könnte da manchmal schon helfen, wenngleich das eine ziemlich romantische Vorstellung des Profifußballs sein mag. Aber genau diese Romantik ist schließlich das, was dem Business komplett abhanden gekommen zu sein scheint.