Ein Gespräch mit HSV U17-Trainer Pit Reimers über gemeinsame Zeiten und unveränderte Ziele
Es war am Ende der Sommerferien 2012, als Pit Reimers und ich das erste Mal aufeinandertrafen. Pit hatte gerade die U12 des HSV übernommen und suchte einen Testspielgegner. Ich, damals noch Trainer meines 2001er Jahrgangs, nahm die Anfrage an. Auf perfekt gemähtem 9er Feld in Norderstedt und bei rund 30 Grad Außentemperatur verloren wir 0:6. Es war unsere höchste Niederlage gegen den HSV, aber nicht die schlimmste.
In den Jahren danach folgten weitere unzählige Duelle, in denen wir immer mal nah dran waren, aber Pits HSV nie knacken konnten. Mal ein 0:0 in der Halle, mal eine knappe Niederlage auf dem Feld. Immer, wenn wir hofften, es einmal packen zu können, zeigten die Jungs uns die Grenzen auf. Den bittersten Moment erlebten wir bei der Hallenmeisterschaft 2013. Mit einem Sieg im letzten Spiel gegen den HSV hätte es mit dem Titel klappen können, es wurde ein 0:3 und die Vizemeisterschaft. „Es war nie so, dass wir nach Niendorf gefahren sind und die Punkte fest einplanen konnten. Es waren immer spannende Spiele“, erinnert sich der HSV-Coach.
Besonderheit Jahrgang 2001
Trotz der vielen Niederlagen war die Bekanntschaft mit Pit ein Gewinn. Vermutlich auch gerade, weil er unsere Arbeit schätzte, den Austausch untereinander mochte und vorantrieb. „Das war eine tolle Zeit“, sagt der 36-Jährige heute und ich denke dasselbe. Insgesamt fünf Jahre begleitete er die 2001er des HSV – von der U12 bis in die U17. „Wenn du fünf Jahre mit einem Jahrgang verbringst, dann entsteht da eine ganz besondere Bindung.“ Ähnlich ist es bei mir und meinen 2001ern.
Als Pit und ich miteinander telefonieren und über die gemeinsame Zeit sprechen, gehen wir fast alle Spieler des HSV durch und philosophieren über viele weitere Spieler dieses für uns beide besonderen Jahrgangs. Es geht unter anderem um U19-Kapitän Jonah Fabisch, der mit den Profis des HSV trainiert, um Brooklyn Ezeh, der mittlerweile in Schalkes U19 spielt und um Lenny Borges der im vergangenen Sommer zum AC Mailand gewechselt war. Ich erinnere mich an jeden einzelnen von ihnen, an ihr schon früh erkennbares, außerordentliches Talent und die vielen Momente, in denen sie uns in die Verzweiflung trieben.
Pit hat mit ihnen und vielen weiteren noch Kontakt. Grund dafür ist nicht nur die gemeinsame Zeit im Nachwuchs des HSV, sondern vielmehr seine Art zu coachen. „Der Mensch steht für mich immer an erster Stelle“, erklärt er. „Ich will den Menschen für mich und meine Idee gewinnen, bevor ich mit dem Spieler über Laufwege spreche. Egal, wen ich in meinem Leben trainieren werde, mit dem Herzen zu führen und emphatisch zu sein, will ich mir immer beibehalten.“
Wir sprechen noch ein bisschen weiter über Spieler des Jahrgangs, über Jungs, die mittlerweile im Herrenbereich des Hamburger Amateurfußballs aktiv sind. Pit freut sich, als ich ihm erzähle, dass einige 2001er der ersten Stunde mittlerweile für mein Herrenteam spielen. Es sind dieselben, die im Sommer 2012 mit 0:6 gegen Pits HSV verloren. Dieselben, die im Februar 2013 im Finale um die Hallenmeisterschaft unterlagen. Wie die Zeit vergeht.
Pit und sein HSV
Zeit, in der Pit und der HSV immer weiter zusammengewachsen sind. Er ist derzeit für die U17 des Vereins verantwortlich, Jahrgang 2003. In der laufenden, wenngleich unterbrochenen Saison spielt er noch um die Meisterschaft in der B-Bundesliga Nord/Nordost. 2019 absolvierte er erfolgreich den DFB-Fußballlehrer, hospitierte in diesem Zusammenhang bei den Profis seines Vereins und auch bei Manchester City. Pit zählt zu den Trainertalenten, die in den Nachwuchsleistungszentren des Landes ausgebildet und gefördert werden.
„Ich durfte mich hier beim HSV in den vergangenen Jahren entwickeln und tue es immer noch. Ich bin Hamburger und HSVer. Dass ich hier in meinem Verein mein Hobby zum Beruf machen konnte, macht mich glücklich und stolz“, sagt der Fußballlehrer. Seine Verbundenheit ist spürbar. Das war sie während unserer gemeinsamen Zeit und das ist sie heute noch, wenn wir miteinander sprechen.
„Die Jungs in unser Stadion bringen“, so lautet eines von Pits Zielen, „mit roter Hose, blauen Stutzen und weißem Trikot.“ Es ist für mich nicht vorstellbar, dass Pit irgendwann nicht mehr beim HSV sein könnte. Er ist es schon seit 2007. Ich bin mir sicher, dass er genau hier seinen Weg weitergehen wird.
Zoom statt Torschusstraining
Doch aktuell ist auch er ausgebremst. Seine Jungs sieht er nur beim Cyber-Training via Zoom oder hört sie am Telefon. Kein Fußball wegen Corona. Mal gibt es eine Ball-Challenge, dann einen Laufplan. „Man muss das Beste aus der Situation machen“, sagt Pit, der auf eine Fortsetzung der Saison im Jugendfußball hofft.
Und während wir noch etwas über Corona, seine kurze Begegnung mit Pep Guardiola, Vincent Kompany und Dieter Hecking plaudern, erinnere ich mich an früher. Wie gern würde ich aktuell mit meinen Jungs auf der Paul-Hauenschild-Sportanlage stehen und mich auf ein Spiel gegen Pits HSV vorbereiten. So wie im Sommer 2012.
Ich habe mich schon einmal dabei ertappt, wie ich während eines Spiels zu meiner Rechten gesprochen habe, ohne dass dort neben mir jemand stand. Normalerweise steht da mein Co-Trainer. An besagtem Tag betreute ich die Mannschaft aber alleine an der Seitenlinie. Ohne meine Co-Trainer – ich habe zwei – bin ich aufgeschmissen. Es fehlt etwas. Co-Trainer sind das mittlere Stück eines großen Puzzles.
Ich liebe meine Co-Trainer. Sie unterstützen mich im Training, ermöglichen Gruppenteilungen für einzelne Übungen. Sie bringen zugleich eigene Ideen ein und setzen meine Vorgaben um. Meine Co-Trainer geben mir gleichzeitig Bestätigung und Widerspruch. Sie hinterfragen, tragen zur Entscheidungsfindung bei. Sie regen an, sie schlagen vor. Meine Co-Trainer müssen einiges aushalten.
Wenn wir über Aufstellungen sprechen, höre ich mir ihre Gedanken dazu an, entscheide trotzdem final allein. Sie akzeptieren das, tragen jede Entscheidung mit. Auch wenn sie vielleicht nicht derselben Meinung waren, sind sie es ab dem Moment, in dem ein Entschluss getroffen wurde. Loyalität ist die Stärke eines jeden Co-Trainers. Dafür empfinde ich nichts als Bewunderung und Dankbarkeit.
Ein Co-Trainer ermöglicht es dem Chefcoach erst, sein volles Potenzial auszuschöpfen. Nur mit ihm an seiner Seite kann ein Trainer seine Leistung bringen. Ein Co-Trainer ist Sparringspartner während eines Spiels, Seelsorger danach, Euphoriebremse und Motivator. Meine Co-Trainer halten mir den Rücken frei, vor und nach dem Spiel, während des Trainings. Sie zaudern nicht, sie sind nie beleidigt. Sie halten alles aus und sind immer da.
Ich vertraue ihnen und sie vertrauen mir. Wie viel Stärke mir das bringt, wird mir immer wieder in kleinen Momenten bewusst. Dann, wenn ich mich nur auf das Eine konzentrieren kann, weil sie sich um das Andere kümmern. Ohne Co-Trainer bin ich nichts. Ich werde dafür immer dankbar sein. Danke ,Michi! Danke, Marco!
Wie sich Fußballcoach Nate Weiss vom US-college in den trainerstab des 1. fc NÜrnbergs arbeitete
Nate Weiss ist ein gefragter Mann. Der US-Amerikaner arbeitet im Trainerstab des Profiklubs 1. FC Nürnberg und ist dort für das Individualtraining verantwortlich. Seit nun mehr drei Wochen versorgt er seine Spieler mit Übungen für das Training in der Isolation und teilt einige davon auch bei Instagram. Techniktraining im Wohnzimmer. Individuelles Coaching in der Corona-Krise.
Übungen für Laminat und Garten
Ein paar Markierungsscheiben oder ein anderes Hindernis, einen Ball und ein paar Schuhe – mehr braucht es nicht für die Übungen, die Coach Nate seine Spieler und die wachsende Instagram-Community durchführen lässt. Es geht alles ganz schnell. Innenseite, Außenrist, Sohle, Zwischenschritt, linker Fuß, rechter Fuß und das immer und immer wieder. „Wichtig ist, dass die Spieler selbst in einen Fluss kommen und die Übungen kreativ interpretieren“, erklärt der Coach den Ansatz seiner Ideen. Den Profis vom 1. FC Nürnberg gibt das die Möglichkeit, auch daheim ihre Technik zu verbessern und die Corona-Pause sinnvoll zu nutzen. Regelmäßig stellt Nate Videos mit Übungen in die eigens dafür vorgesehene WhatsApp-Gruppe mit den Spielern.
Abläufe bis zur Perfektion
Im Spielerkreis und im Trainerstab des FCN genießt Nate Weiss aber nicht nur wegen seiner Kreativität in Krisenzeiten ein hohes Ansehen. Der Trainer mit großem Faible fürs individuelle Coaching ist auch im regulären Trainingsalltag des Zweitligisten wichtiger Bestandteil des Staffs. Er feilt an den Stärken und arbeitet an den Schwächen eines jeden Profis des Clubs. In Extraschichten trainiert er mit Spielern einzelner Positionsgruppen oder mit Rekonvaleszenten, die für ihr Comeback arbeiten. „Ich verfolge die Philosophie, die Performance einer Mannschaft dadurch zu steigern, dass jeder einzelne Spieler besser wird“, erklärt Nate. Das Ziel: Technische Abläufe soweit perfektionieren, dass sie zu jeder Zeit im Spiel unabhängig von Zeit- oder Gegnerdruck abgerufen werden können.
Vom Basketball inspiriert, in Europa verfeinert
Schon immer wollte Nate Trainer werden. Als ihm sein Studium in den USA nicht mehr zusagte, packte er seine Sachen und zog nach Europa. Hier spielte und trainierte er in Spanien, Irland, Israel, Serbien, Lettland, Schweden und Deutschland. Bei jedem Klub, bei dem er einen Vertrag als Spieler unterzeichnete, arbeitete er auch als Trainer im Nachwuchsbereich. Seine technischen Fähigkeiten verdankt er seinem Talent und seiner Jugend in Miami, wo er Tag ein Tag aus mit lateinamerikanischen Freunden kickte. Die Idee für das individuelle Training nahm er aus den USA mit. „Ich habe an der Uni das Training des Basketballteams beobachtet. Ein Basketballer übt einen Schuss von derselben Position immer und immer wieder, bis er von 100 Würfen 90 trifft. Das hat mich inspiriert“, erzählt Nate.
Diese Inspiration begleitete den heute 32-Jährigen auf seiner fußballerischen Reise durch Europa. „Ich wollte den Fußball kennenlernen, ihn studieren. Nirgendwo geht das besser als in Europa.“ An keinem Ort hielt es ihn lange. Die Neugier nach Neuem war zu groß, die Wissbegierigkeit zog ihn von Land zu Land. In Schweden schaute er sich ebenso viel ab wie in Serbien. „Dort war die Toilette des Vereins ein Loch in der Erde, aber im Nachwuchsbereich wurde trotzdem perfekt ausgebildet“, erinnert sich der Trainer. Technik und Ballarbeit standen im Fokus. Komponenten, die das heutige Training von Nate auszeichnen.
Eine Technik, verschiedene Abläufe
Beispiel Stürmertraining: Besprochen wird unter anderem der Treffpunkt des Balls mit dem Fuß. Der Spieler schließt aus naher und ferner Distanz auf ein Mini-Tor im unteren rechten Eck eines Großfeldtores stehend ab. Es kommen Drehungen hinzu. Dann mit einem Gegenspieler und schließlich mit Körperkontakt. Der Coach verändert die Gegebenheiten, die Technik muss dieselbe bleiben. „Ich gebe die Technik vor, der Spieler interpretiert den Ablauf“, erklärt Nate.
Zu Tränen gerührt
Sein Ansatz des Individualtrainings hat ihn von Spanien über Lettland bis in den Trainerstab des 1. FC Nürnbergs geführt. Deutsch spricht Nate fließend, auch Spanisch und Portugiesisch. Er ist nicht nur Trainer, sondern auch Vertrauensperson. „Ich tue alles dafür, die Spieler besser zu machen.“ Respekt zollen ihm die Spieler gerade deshalb. Die Individualität des Trainings lässt besondere Bindungen entstehen. Wie besonders zeigt ein Beispiel aus der letzten Saison. Der damalige Nürnberger Matheus Pereira trifft zum zwischenzeitlichen 1:0 gegen den FC Bayern München, aus einer Bewegung heraus, die er mit Nate Weiss zuvor hunderte Male geübt hatte. „Ich hatte tatsächlich Tränen in den Augen“, gibt Nate heute zu.
Es sind Momente, die ihn motivieren, ihn noch härter arbeiten lassen. Wenn er seine Motivation aktuell nicht auf dem Platz entfalten kann, bringt er sie halt in die Wohnzimmer seiner Spieler und in die vier Wände zahlreicher isolierter Kicker, die trotz Corona nicht aufhören wollen, sich zu verbessern. Der nächste Video-Upload läuft bereits.
Der Amateurfußball ruht. Aufgrund des grassierenden Coronavirus ist der Spielbetrieb richtigerweise in allen Ligen lahmgelegt. Doch auch, wenn der Fußball aktuell überhaupt nicht wichtig ist, sollte es legitim sein, sich über die Auswirkungen der aktuellen Situation Gedanken zu machen. Schließlich stehen die Verbände bald vor schwierigen Entscheidungen. Wie geht es mit der laufenden Saison weiter? Abbruch oder Weiterspielen? Doch wie erfolgt bei Abbruch die Wertung der Spielzeit und wie sieht die Terminsituation bei Weiterspielen aus?
1. Abbruch und Annullierung der laufenden Saison
Wer sich im Hamburger Fußball ein bisschen durch Texte und Kommentare in sozialen Medien liest, erblickt diese Option als die am ehesten wahrscheinliche. Die Saison wird einfach abgebrochen und annulliert, insofern ab Mai oder Juni nicht wieder gespielt werden kann. Alle Teams starten in der kommenden Spielzeit in derselben Spielklasse. Es gibt keine Auf- und keine Absteiger. Das bedeutet für einige Staffeln aber, dass nur 15, 14 oder noch weniger Teams in der neuen Saison an den Start gingen. Die verwaisten Plätze könnten dann vereinzelt mit Aufsteigern besetzt werden, die mit Hilfe des Punkte-Quotienten ermittelt werden würden.
2. Abbruch und Wertung der aktuellen Tabellenstände
Diese Option wird nach subjektiver Wahrnehmung bisher kaum in Betracht gezogen. Die Saison würde genau wie bei Option 1 abgebrochen werden. Statt einer Annullierung wird der aktuelle Tabellenstand gewertet. Bei ausstehenden Nachholspielen greift bei der Wertung ebenfalls der Punkte-Quotient. Es gibt Ab- und auch Aufsteiger. In den meisten Hamburger Amateurligen sind 22 von 30 Spieltagen gespielt, in der Oberliga sind es 25 von 34. Das sind immerhin mehr als 70 Prozent.
3. Fortführung der Saison bis 30. Juni 2020
Die laufende Saison wird nicht abgebrochen, sondern zum nächstmöglichen Zeitpunkt fortgesetzt. Im Optimalfall könnte die Spielzeit bis zum 30. Juni 2020 beendet werden. Ligen mit nur noch acht ausstehenden Spieltagen wären in der Lage, binnen 4-6 Wochen, je nach Anzahl der Spiele unter der Woche, die Saison zu beenden. Nach aktuellem Stand ist der Spielbetrieb noch bis zum 30. April ausgesetzt.
4. Fortführung der Saison bis Jahresende
Sollte der Spielbetrieb nach dem 30. April nicht wieder aufgenommen werden können, steht auch eine Verlängerung der Spielzeit über den 30. Juni hinaus im Raum. Das Saisonende wird neu definiert und je nach Wiederaufnahme des Spielbetriebs festgelegt. Das würde bedeuten, dass die Folgesaison erst im Anschluss daran startet und neue Rahmenterminkalender erstellt werden müssen.
Abbruch sinnvoller als Fortführung
Ich persönlich halte eine Fortführung dieser Saison für äußerst schwierig. Es ist überhaupt nicht absehbar, wann überhaupt wieder gespielt werden kann. Die Prognosen der Virologen deuten eher darauf hin, dass wir noch deutlich über das Aprilende hinaus ohne Fußball auskommen müssen. Die Saison über den 30. Juni hinaus zu verlängern, bringt meiner Meinung nach mehr Folgen mit sicht als Lösungen. Auch muss die Frage erlaubt sein, ob Amateursportler aus medizinischer Sicht nach mehr als sechswöchiger Pause ohne Vorbereitung direkt wieder mit dem Pflichtspielbetrieb starten und mehr als ein Spiel pro Woche absolvieren sollten? Es gibt viele Mannschaften mit kleinem Kader, die nicht rotieren und bei erhöhtem Verletzungsrisiko sogar in Personalnot geraten können.
Annullieren oder werten?
Bleiben wohl nur die Optionen 1 und 2. Abbruch – nur wie? Auf den ersten Blick erscheint die Variante Abbruch und Annullierung die sinnvollste. Darunter „leiden“ würden vor allem nur die Teams, die sich an der Tabellenspitze befinden. Das ist aus sportlicher Sicht natürlich besonders für diejenigen bitter, die mit großem Vorsprung ihre Liga anführen. Vergleichbar mit dem FC Liverpool in England oder Arminia Bielefeld in der 2. Bundesliga. Trotzdem wäre der Schaden für den Amateurfußball insgesamt sehr gering. Es ist die vermeintlich fairste Lösung.
Doch auch Variante 2 scheint möglich. Nach mehr als 70 Prozent aller absolvierten Partien hat die Tabelle eine relevante Aussagekraft. Die Platzierung spiegelt sehr wohl die sportliche Leistung dieser Saison wider. So würde es Auf- und Absteiger geben. Darunter „leiden“ würden vor allem die Teams, die im Abstiegs- oder Aufstiegskampf stecken und noch alle Chancen haben, ihre Ziele zu erreichen. Also deutlich mehr Mannschaften als bei Lösung 1. Eine schwierige Situation, auch nach 22 von 30 Spieltagen.
Unterm Strich ist Variante 1 die fairste Lösung: Abbruch und Annullierung. Bei allem verständlichen Frust über eine plötzlich verpuffende starke Saison vieler Spitzenreiter muss sich auch jeder die Frage stellen: Will ich so überhaupt Meister werden, bzw. will ich in drei oder vier Monaten eine Saison weiterspielen, die so lange unterbrochen war? Sicher ist: Es wird keine Lösung geben, die alle zufriedenstellt.
Lösung für Erwachsene ist keine für Junioren
In der Haut der Offiziellen des Verbandes möchte ich aktuell nicht stecken. Vor allem, weil eine Entscheidung für den Herren- und Frauenbereich nicht gleichermaßen für den Juniorenbereich gelten kann. Hier sind Auf- und Abstiegsregelungen viel individueller pro Jahrgang. Ab dem 1. Juli rücken alle Teams einen Jahrgang auf. Aus einer U14 wird eine U15, sie kann also nicht wieder in derselben Liga an den Start gehen. Hier müssen deutlich unpopulärere Entscheidungen getroffen werden.
Eine Tour über die verwaisten Sportplätze der Hamburger Bezirksliga Nord
Es ist Dienstag. An jedem bisherigen März-Dienstag der vergangenen 14 Jahre habe ich mir Gedanken über das Training am Abend gemacht. Wie viele Spieler werden dort sein? Welchen Schwerpunkt wollen wir trainieren und welche Übungen sind dafür sinnvoll? An diesem Dienstag ist es anders. Der Ball ruht auf den Amateurfußballplätzen Hamburgs. Das Coronavirus hat auch den Sport fest umklammert. Der Trainerblock bleibt leer, die Spieler daheim.
Der Fußball scheint aktuell weit entfernt und doch ist da diese Sehnsucht, die sich in mir breitmacht, weil die Saison nach langer Winterpause gerade erst wieder Fahrt aufgenommen hatte. Ein Verlangen nach den Frotzeleien in der Kabine, den nervenaufreibenden Wettkämpfen auf dem Platz, nach der Intensität eines Spiels und dem kühlen Bier danach. Dieses Verlangen ist nicht zu stillen und doch versuche ich es. Ich setze mich in mein Auto und fahre los. Ich fahre zu jedem Platz der Bezirksliga Nord.
Station 1: Duvenstedter SV
Der Parkplatz ist leer. Kein Mensch weit und breit. Auf dem ungekreideten Grandplatz des Puckaffer Wegs liegen herabgefallene Äste des letzten Sturms. Ein in die Jahre gekommenes Kleinfeldtor liegt auf seiner Rückseite im Dreck. Auf dem Kunstrasen ein paar Meter weiter stehen zwei weitere Kleinfeldtore mitten auf dem Platz. Normalerweise spielt hier der Duvenstedter SV um Punkte, Aufsteiger in die Bezirksliga Nord. Ich war erst zweimal hier. Am 26. April hätte unsere Rückrundenpartie gegen den DSV an Ort und Stelle stattfinden sollen. Duvenstedt steht aktuell auf einem Abstiegsplatz. Ich setze mich auf eine der am Spielfeldrand stehenden Bänke und blicke auf den leergefegten Kunstrasen. Natürlich ist der Fußball aktuell nichtig, aber in der Haut von Verantwortlichen der Teams, die eigentlich um den Klassenerhalt, die Meisterschaft oder den Aufstieg spielen, möchte ich derzeit nicht stecken. So viel Unsicherheit.
Station 2: Hoisbütteler SV
Ein paar Kilometer weiter. Ein ähnliches Bild. Der noch etwas ländlicher gelegene Kay-Weber-Platz des Hoisbütteler SV. Es ist kein Mensch zu sehen. Ab und zu passiert ein Fußgänger mit seinem Hund den Weg hinterm Fangzaun. Ein kurzer Gruß. „Moin!“ Vor der Winterpause gewannen wir hier mit 1:0. Es war der siebte Sieg in Serie. Er war nicht verdient. Damals dachte keiner, dass es nach der Winterpause nicht weitergehen würde. Es war das letzte Spiel, bevor das Coronavirus in China ausbrach. Heute wackelt die Anzeigetafel im Wind und wirft im kargen Sonnenlicht einen leichten Schatten auf den Platz. Wenn Hoisbüttel hier seine Heimspiele am Freitagabend austrägt, ist die Stimmung gut. Flutlicht. Der Bierwagen hat geöffnet, es riecht nach Bratwurst. Wie weit weg dieser Geruch auf einmal scheint.
Station 3: TSV Sasel 2
Als ich am Saseler Parkweg vorfahre, sehe ich sofort den abgesperrten Parkplatz. Es ist alles dicht. Vor etwas mehr als einer Woche brannte hier sprichwörtlich der Kunstrasen. Das Aufeinandertreffen mit dem TSV Sasel 2 – es war das letzte Spiel vor der Corona-Pause. Eine intensive Partie. Hin und her. Viele Zweikämpfe, viele Emotionen. Fünf Tore, leider zu unseren Ungunsten verteilt. Ich stehe vor dem abgesperrten Tor. „Anlage gesperrt“. Ich blicke hinüber zur Trainerbank der Gäste. Ich erinnere mich genau, wie ich hier vor wenigen Tagen noch unter Adrenalin stand. Das Spiel hatte mich gepackt. Mensch, wie gerne würde ich das Herz bald wieder so schnell schlagen spüren.
Station 4: SC Poppenbüttel
Nur wenige Kilometer entfernt spielt der SC Poppenbüttel. Hier ist ebenfalls alles abgeriegelt. Der Platzwart nimmt mich in Empfang. Ein kurzer Plausch mit ausreichend Abstand. Vor mir liegt ein schöner neuer Kunstrasen, erst zu Jahresbeginn eingeweiht. Der altehrwürdige Rasenplatz an der Bültenkoppel musste künstlichem Grün weichen. An diesem Wochenende wären wir hier zu Gast gewesen. Ich hatte mich auf das Duell schon seit Wochen gefreut. Die Aufeinandertreffen mit dem SC waren immer körperbetont, immer emotional. Doch jetzt flattert hier rot-weißes Absperrband. „Bis bald“, sage ich zum Platzwart und fahre weiter nach Hamburg-Wellingsbüttel.
Station 5: TSC Wellingsbüttel
Am Infokasten neben dem Umkleidetrakt macht rote Schrift auf weißem Papier auf die Aussetzung des Sportbetriebes aufgrund des Coronavirus aufmerksam. „Bis zum 30. April findet kein Trainings- und Spielbetrieb statt“, heißt es. Die Worte sind bekannt, sie begegnen mir überall. Unser Gastspiel beim TSC Wellingsbüttel ist für den 10. Mai angesetzt. Aktuell ist es noch nicht abgesagt. Es wäre das erste Auswärtsspiel nach Beendigung der Platzsperre. Dass es stattfindet, halte ich für unwahrscheinlich. Ein paar Meter weiter liegt der Kunstrasenplatz, eingepfercht von einer hohen Lärmschutzwand, die den Anwohnern die sonntägliche Lärmbelästigung erträglicher machen soll. Im Hintergrund ist die italienische Flagge gehisst. Symbolischer könnte es kaum sein. Die italienischen Nationalfarben gehören zur Vereinsgastronomie. „Trattoria Con Calma“ heißt das Lokal. „In aller Ruhe“ aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzt. Eine Botschaft, die vielen in Zeiten von Hamsterkäufen und Uneinsichtigkeit helfen würde. Nächster Halt: SC Sperber.
Station 6: SC Sperber
Als ich auf den Parkplatz am Heubergredder einbiege, spüre ich in mir dieselbe Hassliebe, die ich immer spüre, wenn ich beim SC Sperber bin. Auf dem alten Rasenplatz neben der U-Bahnstation Alsterdorf haben wir noch nie gewonnen. Jede Niederlage hat hier richtig wehgetan. Es ist egal, wo in der Tabelle wir oder Sperber stehen, hier gibt es nie etwas zu holen. Und auf der anderen Seite hat dieses alte Schmuckkästchen so viel Charme. Es ist echt. Die in die Jahre gekommene Holztribüne, die sich auf der einen Seite des Platzes erstreckt, die alten, miefigen Kabinenhäuschen, in denen wider Erwarten selbst das Bier nach einer Niederlage schmeckt und sogar der nervige Hügel vor dem hinteren Tor, der das Stellungsspiel eines jeden Gästetorwarts erschwert – all das macht diesen Platz zu einem Unikat, einer letzten Bastion vergangener Amateurfußballjahre in Hamburg.
Direkt am Zaun, der den alten Schotterparkplatz mit diversen Bodenlöchern und den Rasenplatz trennt, hängt ein Schild. „Der Platz ist gesperrt“, steht da. „Das ist er eigentlich immer“ denke ich. Nirgendwo fallen so regelmäßig die Spiele aus wie hier. Es ist fast zynisch, dass vermutlich genau jetzt, an diesem Wochenende ein Spiel hätte stattfinden können. Das Wetter ist die ganze Woche über gut. Der Platz müsste sich erholt haben. Es wäre der Abstiegsknaller gegen Teutonia 10 gewesen. Do or die. Jetzt heißt es weder noch.
Station 7: USC Paloma 2
Es geht von Alsterdorf weiter Richtung Stadt. An der Brucknerstraße in Barmbek-Süd liegt die Heimat des USC Paloma 2. Der Jonny Rehbein Platz ist abgeriegelt. Ein offizieller Ausdruck der Stadt Hamburg hängt laminiert am Zaun. Wieder werde ich vom Platzwart begrüßt. Er erzählt davon, dass er endlich die Möglichkeit hat, den Platz mal wieder richtig zu pflegen, neuen Sand zu verteilen und aufzuräumen. Ich erinnere mich an ihn. Vor vielen Jahren, als ich selbst noch gegen den Ball trat, gab er mir die Gelb-Rote Karte. Es war mein einziger Platzverweis als Spieler. Wir waren an der Brucknerstraße zu Gast, als hier noch ein Grandplatz war. Der Platzwart sprang als Schiedsrichter ein, weil der angesetzte Spielleiter nicht erschienen war. Aus Wut über den Platzverweis kickte ich ein Hütchen der Coachingzone weg und verfehlte nur knapp meine damalige Freundin. Es war keine leichte Woche für mich nach dieser Aktion.
Station 8: SV UH Adler
Genau einen Kilometer entfernt vom USC Paloma spielt der SV Uhlenhorst Adler. Es ist die kürzeste Distanz zwischen zwei Vereinen der Bezirksliga Nord. An die Beethovenstraße komme ich immer gerne. Hier haben wir schon viele Spiele gewonnen, erst einmal verloren. Ich mag den urigen Platzwart, der mit seinem Dreirad das Gelände beherrscht und ich mag die neue Gastronomie, von dessen Terrasse aus, das bunte Treiben auf dem Platz an schönen Tagen mit einem Bierchen in der Hand zu beobachten ist. An diesem Tag zeugt nur das Dreirad des Platzwarts, das vor den Kabinen steht, von diesem Sportplatzalltag. Alles andere ist ruhig. Einzig die Baumaschinen, die den alten Kabinentrakt abreißen, laufen noch.
Station 9: SC Teutonia 10
Es geht weiter nach Altona. In der Max-Brauer-Allee spielt der SC Teutonia 10. Er ist aufgrund der örtlichen Lage kein klassischer Nord-Bezirksligist, aber in diesem Jahr als Aufsteiger in unserer Liga dabei. Im Herbst haben wir hier dreckig 2:1 gewonnen. Auf dem festen Naturrasen wurde gegrätscht und gekämpft. Es roch nach Dreck und nach Gras. Heute sind die Tore des Karl Möller Platzes geschlossen. Elstern suchen auf dem Rasen nach Nahrung. Das Ambiente hat etwas Besonderes. Ich mag die Sportplätze, die inmitten urbaner Umgebung die Stellung halten. Von den Balkonen aus können die Anwohner an Wochenenden das Treiben beobachten. Jetzt gibt es hier nichts zu sehen.
Station 10: FC Alsterbrüder
Ähnlich dicht von Wohnhäusern umkreist ist der Walter-Wächter-Platz des FC Alsterbrüder. Lange Zeit war die Anlage in den aufgewirbelten Staub des alten Grandplatzes gehüllt, jetzt schmückt ein neuer Kunstrasen samt Tartanbahn das Areal. Auch die nach Keller und Moder riechenden Kabinen sind bereits abgerissen und werden aktuell durch Baucontainer ersetzt. Ein Zugang zum Platz ist auch hier nicht möglich. An einem großen Tor hängt ein Schild mit entsprechendem Hinweis. Ich stehe vor dem Eingang und denke an die vielen rassigen Duelle mit den Alsterbrüdern, an deren Trainer Gunnar, den ich sehr schätze, und an die Möglichkeiten im Aufstiegskampf, die sich der FCA dank einer unglaublichen Serie erspielt hat. Geht diese Serie noch weiter? Oder wird sie unliebsam für beendet erklärt? Wer weiß das aktuell schon.
Station 11: SC Victoria 2
Noch spannender ist die Situation am Stadion Hoheluft. Hier spielt der SC Victoria 2, aktuell Tabellenführer der Bezirksliga Nord – und das mit sechs Punkten Vorsprung. Kaum jemand hat Zweifel, dass „Vicky“ sich dieses Jahr die Meisterschaft geholt hätte. Und jetzt? Wird es überhaupt einen Meister geben? Hier, wo im Mai das Finale um den Hamburger LOTTO-Pokal stattfinden soll, wo schon so viele Vereine den Einzug in den DFB-Pokal gefeiert haben, sieht aktuell nichts danach aus. Auf dem großen, modernen Kunstrasen hat Victoria 2 in dieser Saison fast alle Mannschaften hergespielt. Auch wir hatten beim 0:3 im Herbst keine Chance. Ich stehe am Mittelkreis, blicke Richtung der ehrwürdigen, gelb und blau gefärbten Tribüne und würde es Trainerteam und Mannschaft so sehr gönnen, dass sie hier in diesem Jahr noch ihre verdiente Meisterschaft feiern dürfen.
Station 12: Grün-Weiß Eimsbüttel
Nach ein paar Abbiegungen erreiche ich den Tiefenstaaken, Heimspielstätte von Grün-Weiß Eimsbüttel. Statt von der Meisterschaft zu träumen, kämpft die Mannschaft, aktuell Vorletzter, um den Klassenerhalt. Es gibt fast keinen Platz in der Nord-Staffel, an dem man besser gegen den Abstieg kämpfen kann. Wenn GWE hier am Freitagabend seine Heimspiele austrägt, sorgt die Umgebung für die passende Atmosphäre. Die Flutlichtmasten stehen auf der einen Seite des Spielfeldes viel zu weit weg vom Platz. Es ist dunkler als anderswo. Auf der anderen Seite ragen die Hochhäuser der Lenzsiedlung empor. Der Platz ist klein. Niemand kommt hier gerne her, weil er weiß, dass Grün-Weiß daheim etwas Besonderes ist. Gästeteams drängen sich mit 18 Spielern samt Staff in der Sauna ähnlichen Kabine, in der Menschen mit mehr als 1,80 Metern Körpergröße nicht mehr stehen können. Es wäre ein Verlust für die Liga, wenn dieser Verein absteigen würde.
Station 13: HFC Falke
Aus dem tiefsten Eimsbüttel geht es weiter nach Eidelstedt, direkt an die A7, an den Rand des Niendorfer Geheges. Hier spielt der HFC Falke seine Heimspiele am Steinwiesenweg. Direkt neben dem Gymnasium Dörpsweg liegt die alte Sportanlage mit Rasenplatz und großer Laufbahn. Vor einigen Jahren absolvierten hier die Profis des HSV noch ihre Laktattests zum Vorbereitungsstart, jetzt spielt hier der Verein, der nach der Ausgliederung der HSV-Profiabteilung von enttäuschten Fans gegründet wurde.
An Heimspieltagen herrscht eine fröhliche, gemeinschaftliche Atmosphäre. Es wird gegrillt, Bier getrunken, Merchandise verkauft. Der Verein lebt von dieser Besonderheit, die weiterhin rund um ihn herrscht. Als ich die Stufen von den Kabinen zum Platz hinabgehe, erinnert nichts an ein solches Szenario. Im Hintergrund rauschen die Autos auf der A7 entlang, davor buddeln Bagger auf der Autobahnbaustelle und auf dem Spielfeld versorgen sich Vögel mit dem Nötigsten. Die Trainerbänke sind abgebaut und stehen am Rand. Die alte Lautsprecheranlage wackelt im Wind. Die Uhr steht still. Es könnte nicht besser zum aktuellen Bild passen.
Station 14: SC Alstertal-Langenhorn
Der Himmel wird grauer, als ich meine nächste Station erreiche. Am Sportplatz Siemershöh weht eine Hamburg-Fahne. Die Tore sind verschlossen. Das kleine Kartenhäuschen am Eingang erinnert an den Spieltagsbetrieb. 3 Euro kostet regulär die Karte, die hier sonntags verkauft wird, wenn der SC Alstertal-Langenhorn seine Heimspiele bestreitet. Im vergangenen Sommer spielten wir 0:0. Ein elendiger Kick. Und doch waren einige Zuschauer da, schauten von der alten Steintraverse aus zu, tranken ihr Bier, trafen ihre Freunde. Selbst ein 0:0 kann Spaß machen, wenn man denn spielen kann.
Station 15: Glashütter SV
An deutlich mehr Tore erinnere ich mich, als ich auf den Parkplatz der Sportanlage des Glashütter SV fahre. Hier, wo sonst kaum ein freier Parkplatz zu finden ist, steht kein einziges Auto. Auch hier ist die Tür versperrt. Ein Zettel mit GSV-Logo und kurzem Hinweis hängt an der Pforte. 5:3 gewannen wir hier bei nasskaltem Wetter Ende September. Ein Spektakel. Wehmut kommt auf, als ich an die Verpflegung bei Glashütter Heimspielen denke. Hier gibt es die vermutlich beste Bratwurst der Bezirksliga Nord, frisch gegrillt von einem Glashütter Original, das immer einen flotten Spruch auf den Lippen hat, egal, wie es bei seiner Mannschaft gerade auf dem Platz läuft. Wann gibt es die nächste Bratwurst? Ich weiß es nicht.
Station 16: Niendorfer TSV 3
Aus Norderstedt, wozu Glashütte gehört, geht es zurück. Die letzte Station steht auf dem Plan. Nächster Halt Bondenwald, Heimspielort meiner Mannschaft, dem Niendorfer TSV 3. Obwohl ich jede Woche hier bin und auch schon seit der Sperrung am Platz vorbei und durchs Niendorfer Gehege gelaufen bin, kribbelt es, als ich endlich ankomme. Ich stelle mich neben die Trainerbank, schaue aufs Spielfeld. Hier stehe ich jeden zweiten Samstag und lebe meine Leidenschaft. Vor ein paar Tagen hätten wir hier Paloma 2 empfangen sollen. Es war das erste Spiel, das dem Virus zum Opfer fiel. Mein Trainerkumpel Marius, der den USC betreut, und ich hatten bereits vor der Generalabsage beschlossen, nicht antreten zu wollen. Es wirkt, als sei das alles schon eine Ewigkeit her. Wie viel in dieser kurzen Zeit passiert ist.
Ich denke an meine Spieltagsroutine, wenn ich vor jedem anderen zum Platz komme, die Kabine aufschließe und meine Kopfhörer aufsetze. Wenn ich die Eckfahnen aufbaue, die Netze checke, die Bälle aufpumpe und die Hütchen fürs Aufwärmen platziere. Wenn ich die Magneten auf die Taktiktafel lege, den Spielbericht ausfülle, die Standards plane und wenn ich meine Jungs begrüße, jedem einzelnen dabei tief in die Augen schaue und seine Lust sehe. Seine Lust zu spielen. Es mag nicht lange her sein, dass ich das alles erleben konnte, aber es liegt so weit in der Ferne, es wieder erleben zu können. Fußball ist gerade nicht wichtig, aber er fehlt.