Es ist tatsächlich fast ein dreiviertel Jahr her, dass ich mich hier ausgiebig über mein Trainerdasein geäußert habe. Lange Zeit dachte ich, es wäre auf der Prioritätenliste weiter unten anzusiedeln und bei zu großen zeitlichen Engpässen streichbar, jetzt habe ich gemerkt, dass mir die Auseinandersetzung mit dem Fußball auf dieser Plattform fehlt und dass sie eigentlich zu meinem Seelenheil beiträgt. Viel passender dazu könnte mein Anliegen gar nicht sein. Es geht um die emotionale Belastbarkeit als Trainer. Ein Thema, das viele Facetten hat, und vielleicht gerade im Amateurfußball etwas zu kurz kommt.
Gerade im letzten Training hatte ich einen Moment, in dem meine emotionale Belastbarkeit im Grenzbereich lag. Mit viel Hingabe und Leidenschaft wollte ich meiner Mannschaft Verbesserungen fürs Spiel in die Tiefe an der Taktiktafel aufzeigen. Dafür hatte ich die Übung unterbrochen. Wer mich hört, spürt sofort, dass mir viel daran liegt, dass die Jungs im gemeinsamen Spiel besser werden. Die volle Aufmerksamkeit meiner Spieler hatte ich aber nicht – und das tat weh. So weh, dass ich die Kontrolle über meine Gefühle verloren habe. Nichts schlimmes. Ich war nicht laut, eher fordernd, aber in einer Art von Kommunikation, die als Führungsperson eher wehleidig und klagend rüberkommt. Und da stellt sich mir die Frage: Wie viel Inneres darf ich als Amateurtrainer nach außen kehren?
Darf ich Resonanz vom Team einfordern?
Zum Hintergrund: Meine Mannschaft, die in Hamburgs Bezirksliga spielt, ist in Sachen Spielermaterial so gut wie vielleicht noch nie. Das hat man in vielen Phasen der Saison gesehen. Leider fehlt es sehr oft an Mentalität. An die Grenze zu gehen, unbedingt besser werden zu wollen, das ist eine große Mangelerscheinung unseres Teams. Zu oft in dieser Saison waren wir an einem Punkt wie jetzt gerade, an dem wir uns deshalb selber ein Bein stellen. Und wenn ich dann zusätzlich das Gefühl habe, dass ich versuche, die Leidenschaft fürs Besserwerden aufzubringen, diese auch authentisch fülle, dann verlange ich ein gewisses Maß an Resonanz.
Irgendwie scheint der Podcast der DFB-Akademie „Trainer*innen-Kompetenzen im Profifußball“, aktuell immer genau meine Probleme zu behandeln. Zuletzt war es die Kompetenz Disziplin, die mit Christian Streich, Trainer des SC Freiburg, besprochen wurde, jetzt eben jene emotionale Belastbarkeit. Eintracht Frankfurts Chefcoach Dino Toppmöller liefert in der Folge einblicke. Es sind seine Worte, die mich nachdenklich machen. Dass man eben nicht die Contenance verlieren sollte, sondern in der Kommunikation mit seinen Spielern emotional belastbar bleibt.
Toppmöller und Co. sprechen viel von Authentizität
Gilt das aber auch für Amateurtrainer? Muss ich nach einem langen Arbeitstag, nach Familienzeit mit Frau und Kind, auch auf dem Trainingsplatz immer die Kontrolle behalten? Nicht falsch verstehen: Ich habe mich ja nicht verloren in irgendeiner überzogenen Wutrede. Aber meine Leidenschaft als Maßstab für die Spieler zu setzen, ist zumindest diskutabel. Eine vollumfängliche Antwort auf meine Frage habe ich nicht. Toppmöller selbst liefert aber einen Ansatz: Authentizität. Diese Kompetenz wird übrigens auch von den meisten anderen Trainerpersönlichkeiten im Podcast immer und immer wieder genannt. So lange die Spieler nicht das Gefühl bekommen, man spiele eine andere Rolle, sind auch leichte Ausbrüche aus der eigentlichen in Ordnung.
Doch emotionale Belastbarkeit umfasst nicht nur die Interaktion mit dem eigenen Team. Es geht auch um den Umgang mit seinem Staff, mit dem Verein, mit Gegnern und Schiedsrichtern. Und da merke ich aktuell doch immer wieder, dass ich an meine Grenzen komme – und dass diese Grenze auch gerade deshalb erreicht ist, weil ich mich anders als vielleicht in den ein, zwei Saisons zuvor wieder mehr mit Inhalten auseinandergesetzt habe, mehr Input gebe. Das darf eigentlich nicht mit einer Erwartungshaltung an die Spieler einhergehen, aber ich muss zugeben: irgendwie tut es das.
Emotionale Belastbarkeit für mich als Trainer erreicht
Und hier ist eben meine Grenze erreicht. Ich halte mich für einen Trainer, der klare Vorstellungen hat und diese auch offen und deutlich kommuniziert. Ich weiß auch, wie Gruppendynamiken funktionieren, dass für eine gewisse Mentalität auch die Mischung an Charakteren wichtig ist. Aber ich habe nunmal die Jungs, die da sind. Und ich wünsche mir so sehr, dass es einen dauerhaften Push im Team gibt, einen Impuls von Spielerseite aus, bei dem ich das Gefühl habe, die Jungs bringen sich emotional und inhaltlich-rational selbst auf ein Level, konstanter in ihren Performances sein zu wollen, gieriger im Training, sich gegenseitig antreibender, wenn wir die Kabine verlassen und auf dem Platz arbeiten.
Ich weiß gerade nicht mehr, was ich noch tun kann, um diese Entwicklung weiter zu fördern. Und eben auch deshalb ist die Grenze meiner emotionalen Belastbarkeit erreicht.
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Das mindert nicht meine eigene Leistungsbereitschaft. Hilfestellung zu geben, Spieler und Menschen zu fördern und zu entwickeln, macht mir an diesem Job unglaublich viel Spaß. Und doch wünschte ich manchmal, so wie eben jetzt, ich wäre damit ansteckender.
Du weißt, ich lese deinen Blog regelmäßig und bin Fan von deinen offenen Worten.
Aber diesmal hat mich und meine Gedanken mehr als tief getroffen. Gestern auf dem Weg zur Hospitation bei den HSV Frauen habe ich genau diesen Podcast und die Folge mit Dino gehört. Vor ein paar Monaten war auch ich an meiner emotionalen Belastungsgrenze und musste für mich die Konsequenzen ziehen. Das tut so verdammt weh. Mein Umgang mit den Spielern war immer noch vorbildlich aber es hat mich einfach unendlich viel Kraft gekostet.
Ich kann deine Gedanken, deine Gefühle sehr gut nachvollziehen und wünsche dir von Herzen, dass du für dich erkennst, wie dein Weg weitergeht! Ich bin überzeugt, du wirst ihn gehen! Pass auf dich auf!
Liebe Grüße Indre