Abbruch als letzter Ausweg – nur wie?

Der Amateurfußball ruht. Aufgrund des grassierenden Coronavirus ist der Spielbetrieb richtigerweise in allen Ligen lahmgelegt. Doch auch, wenn der Fußball aktuell überhaupt nicht wichtig ist, sollte es legitim sein, sich über die Auswirkungen der aktuellen Situation Gedanken zu machen. Schließlich stehen die Verbände bald vor schwierigen Entscheidungen. Wie geht es mit der laufenden Saison weiter? Abbruch oder Weiterspielen? Doch wie erfolgt bei Abbruch die Wertung der Spielzeit und wie sieht die Terminsituation bei Weiterspielen aus?

1. Abbruch und Annullierung der laufenden Saison

Wer sich im Hamburger Fußball ein bisschen durch Texte und Kommentare in sozialen Medien liest, erblickt diese Option als die am ehesten wahrscheinliche. Die Saison wird einfach abgebrochen und annulliert, insofern ab Mai oder Juni nicht wieder gespielt werden kann. Alle Teams starten in der kommenden Spielzeit in derselben Spielklasse. Es gibt keine Auf- und keine Absteiger. Das bedeutet für einige Staffeln aber, dass nur 15, 14 oder noch weniger Teams in der neuen Saison an den Start gingen. Die verwaisten Plätze könnten dann vereinzelt mit Aufsteigern besetzt werden, die mit Hilfe des Punkte-Quotienten ermittelt werden würden.

2. Abbruch und Wertung der aktuellen Tabellenstände

Diese Option wird nach subjektiver Wahrnehmung bisher kaum in Betracht gezogen. Die Saison würde genau wie bei Option 1 abgebrochen werden. Statt einer Annullierung wird der aktuelle Tabellenstand gewertet. Bei ausstehenden Nachholspielen greift bei der Wertung ebenfalls der Punkte-Quotient. Es gibt Ab- und auch Aufsteiger. In den meisten Hamburger Amateurligen sind 22 von 30 Spieltagen gespielt, in der Oberliga sind es 25 von 34. Das sind immerhin mehr als 70 Prozent.

3. Fortführung der Saison bis 30. Juni 2020

Die laufende Saison wird nicht abgebrochen, sondern zum nächstmöglichen Zeitpunkt fortgesetzt. Im Optimalfall könnte die Spielzeit bis zum 30. Juni 2020 beendet werden. Ligen mit nur noch acht ausstehenden Spieltagen wären in der Lage, binnen 4-6 Wochen, je nach Anzahl der Spiele unter der Woche, die Saison zu beenden. Nach aktuellem Stand ist der Spielbetrieb noch bis zum 30. April ausgesetzt.

4. Fortführung der Saison bis Jahresende

Sollte der Spielbetrieb nach dem 30. April nicht wieder aufgenommen werden können, steht auch eine Verlängerung der Spielzeit über den 30. Juni hinaus im Raum. Das Saisonende wird neu definiert und je nach Wiederaufnahme des Spielbetriebs festgelegt. Das würde bedeuten, dass die Folgesaison erst im Anschluss daran startet und neue Rahmenterminkalender erstellt werden müssen.

Abbruch sinnvoller als Fortführung

Ich persönlich halte eine Fortführung dieser Saison für äußerst schwierig. Es ist überhaupt nicht absehbar, wann überhaupt wieder gespielt werden kann. Die Prognosen der Virologen deuten eher darauf hin, dass wir noch deutlich über das Aprilende hinaus ohne Fußball auskommen müssen. Die Saison über den 30. Juni hinaus zu verlängern, bringt meiner Meinung nach mehr Folgen mit sicht als Lösungen. Auch muss die Frage erlaubt sein, ob Amateursportler aus medizinischer Sicht nach mehr als sechswöchiger Pause ohne Vorbereitung direkt wieder mit dem Pflichtspielbetrieb starten und mehr als ein Spiel pro Woche absolvieren sollten? Es gibt viele Mannschaften mit kleinem Kader, die nicht rotieren und bei erhöhtem Verletzungsrisiko sogar in Personalnot geraten können.

Annullieren oder werten?

Bleiben wohl nur die Optionen 1 und 2. Abbruch – nur wie? Auf den ersten Blick erscheint die Variante Abbruch und Annullierung die sinnvollste. Darunter „leiden“ würden vor allem nur die Teams, die sich an der Tabellenspitze befinden. Das ist aus sportlicher Sicht natürlich besonders für diejenigen bitter, die mit großem Vorsprung ihre Liga anführen. Vergleichbar mit dem FC Liverpool in England oder Arminia Bielefeld in der 2. Bundesliga. Trotzdem wäre der Schaden für den Amateurfußball insgesamt sehr gering. Es ist die vermeintlich fairste Lösung.

Doch auch Variante 2 scheint möglich. Nach mehr als 70 Prozent aller absolvierten Partien hat die Tabelle eine relevante Aussagekraft. Die Platzierung spiegelt sehr wohl die sportliche Leistung dieser Saison wider. So würde es Auf- und Absteiger geben. Darunter „leiden“ würden vor allem die Teams, die im Abstiegs- oder Aufstiegskampf stecken und noch alle Chancen haben, ihre Ziele zu erreichen. Also deutlich mehr Mannschaften als bei Lösung 1. Eine schwierige Situation, auch nach 22 von 30 Spieltagen.

Unterm Strich ist Variante 1 die fairste Lösung: Abbruch und Annullierung. Bei allem verständlichen Frust über eine plötzlich verpuffende starke Saison vieler Spitzenreiter muss sich auch jeder die Frage stellen: Will ich so überhaupt Meister werden, bzw. will ich in drei oder vier Monaten eine Saison weiterspielen, die so lange unterbrochen war? Sicher ist: Es wird keine Lösung geben, die alle zufriedenstellt.

Lösung für Erwachsene ist keine für Junioren

In der Haut der Offiziellen des Verbandes möchte ich aktuell nicht stecken. Vor allem, weil eine Entscheidung für den Herren- und Frauenbereich nicht gleichermaßen für den Juniorenbereich gelten kann. Hier sind Auf- und Abstiegsregelungen viel individueller pro Jahrgang. Ab dem 1. Juli rücken alle Teams einen Jahrgang auf. Aus einer U14 wird eine U15, sie kann also nicht wieder in derselben Liga an den Start gehen. Hier müssen deutlich unpopulärere Entscheidungen getroffen werden.

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