Das Kommunikationsdesaster

Es ist ein harter Schlag für Hamburgs Amateurfußball. Der Hamburger Fußball-Verband unterbricht die laufende Saison bis auf Weiteres und folgt damit nicht dem gegebenen Spielraum der Stadt Hamburg. Noch am Samstag hatte der Senat sein Go für das Weiterlaufen des Spielbetriebes gegeben. Es ist der Landkreis Pinneberg, der mit seiner Entscheidung am Samstag für diese Lawine sorgt. Beim Hamburger Nachbarn dürfen ab Montag keine Fußballspiele mehr stattfinden. Da zahlreiche Pinneberger Vereine am Hamburger Spielbetrieb teilnehmen, war abzusehen, dass diese Maßnahme Einfluss auf alle weiteren Vereine haben würde.

Das Problem in meinen Augen ist dabei nicht in erster Linie die Entscheidung per se. Es ist die Art und Weise, wie sie gezwungener Maßen zustandekommt. Wieder einmal trifft jemand eine Entscheidung, kommuniziert diese, ohne ansatzweise mit den dadurch ebenfalls betroffenen Parteien zu kommunizieren. Ich erwarte von Politik und Verbandsgremien einen Dialog untereinander in dieser schwierigen Zeit. Ich muss die Folgen meiner Entscheidungen für andere vorhersehen und eben auch abwägen, ob sie dadurch überhaupt noch haltbar sind.

Dass der Hamburger Fußball-Verband, der im Sommer stets der Stadt folgte und Spiele lange Zeit untersagt hatte, während in Niedersachsen und eben zum Beispiel im schleswig-holsteinischen Pinnerberg wieder gekickt wurde, jetzt nicht der Stadt folgt, hinterlässt zurecht Fragezeichen bei den Vereinen. Wäre es vielleicht möglich gewesen, zumindest die Staffeln ohne Teams aus dem Landkreis Pinneberg zunächst weiterlaufen zu lassen? Hätte man gegebenenfalls in den Ligen mit geringer Pinneberger Beteiligung diese Partien zu einem späteren Zeitpunkt nachholen können? Auch hier wäre es möglich gewesen, mit den Vereinen in Kontakt zu treten, bevor direkt eine Entscheidung getroffen wird.

Damit will ich nicht sagen, dass ich diese Optionen für gut oder nicht gut halte, sondern einfach nur noch mal betonen, wie wichtig eine offene und transparente Kommunikation ist. Verständnis folgt nur so.

Um die Entscheidung des Landkreises Pinneberg zu bewerten, darf man nicht stumpfsinnig argumentieren. Es muss differenziert betrachtet werden. Gibt es beim Fußball ein relevantes Infektionsrisiko? Nein! Werden die Verdachtsfälle und auch bestätigte Fälle rund um die Teams zunehmen, wenn die Zahlen weiter so hoch bleiben? Äußerst wahrscheinlich! Leidet darunter der Trainings- und Spielbetrieb aufgrund von Absagewellen? Ebenfalls wahrscheinlich!

Ich habe nur das Gefühl, dass es dem Landkreis Pinneberg bei der Entscheidung nicht darum geht, sondern einfach ein etwas trivialer Aktionismus die Triebfeder für diese Maßnahme war.

Ich kann die Entscheidung grundsätzlich verstehen. Und ich verstehe auch den Hamburger Fußball-Verband, dass er sich gezwungen sieht nachzuziehen. Niemals verstehen werde ich, wie sämtliche Parteien zum wiederholten Male in Sachen Kommunikation versagen.

Spagat auf Glatteis

Die Einschläge kommen näher, die Infektionszahlen nehmen zu, teilweise sogar deutlich. Während die ersten neuen Einschränkungen in anderen Teilen der Gesellschaft bereits greifen, rollt der Ball auf den Fußballplätzen zumindest an diesem Wochenende erst einmal weiter. Es ist ein Spagat auf Glatteis. Das geringe Risiko auf der einen und die wachsende Gefahr auf der anderen Seite. Eine Erklärung:

Experten sind sich soweit einig, dass für Fußballspieler auf dem Platz ein sehr geringes Risiko einer Infektion besteht. Es gibt so gut wie keine bekannten Fälle, dass im Rahmen des Fußballs (Platz und Kabine) eine Infektion stattgefunden hat. Das ist gut und wichtig. Vermutlich ist es auch der Grund dafür, dass der Hamburger Senat Freiluftsport zunächst weiterlaufen lässt, während der geplante Saisonstart zum Beispiel im Volleyball bereits verschoben wurde.

Ich weiß also als beteiligter Fußballer, dass ich auf dem Platz ein gutes Gewissen haben kann. Ich muss aber auch wissen, dass ich priviligiert bin, meinen Sport weiterhin ausüben zu können. Die Verantwortung eines jeden greift vor allem im Bereich der Kabine. Maske tragen im Innenraum ist ein Muss. Regeln sind unbedingt einzuhalten. Auch Mannschaftskreise vor und nach dem Spiel dürfen auch einfach mal ausfallen. Sieht man leider noch viel zu häufig.

So weit, so gut. Doch jetzt kommt der Spagat auf Glatteis. Bei steigenden Infektionszahlen nehmen zwangsläufig auch die Verdachtsfälle rund um Fußballmannschaften zu. Da muss man kein Mathe-Experte sein. Erstkontakt einer infizierten Person hier, Erstkontakt eines positiv getesteten da. Bedeutet: Das Training könnte häufiger ausfallen, Spiele ebenfalls. Das ist eingeplant, aber auch für diese Infektionsdynamik? Der Wettkampfrhythmus wird gestört und die Verantwortung damit umzugehen, liegt doch sehr auf Seiten der Mannschaften. Wann sage ich ein Training ab, wann ein Spiel? Lass ich alle testen oder reicht eine Isolation des betroffenen Spielers.

Während ich also im Fußball auf der einen Seite vom geringen Ansteckungsrisiko auf dem Platz profitiere, hat die Gesamtsituation mit den zunehmenden Infektionszahlen auf der anderen trotzdem eine Wirkung auf meinen Sport. Der Fußball ist schließlich nicht gesellschaftlich isoliert. Ich weiß, dass es niemand aus dem Amateurfußball hören will: Aber wie lange hält der Fußball diesem Druck stand?

Leben ja, vermeidbares Risiko nein!

Es ist eine andere Saison. Das ist zweifelsohne ein Fakt. Also sollten sich alle daran Beteiligten auch anders verhalten. Spieler, Trainer und Funktionäre müssen für sich eine Wahl treffen. Will ich möglichst lange und möglichst regelmäßig meinem Hobby nachkommen und unter der Woche sowie am Wochenende Fußballspielen? Oder will ich in meiner Freizeit alles so machen wie immer und unnötige Risiken für mich und meine Mitspieler eingehen?

Es ist eine besondere Zeit. Es gibt keine Normalität. Gerade jetzt. Die Infektionszahlen steigen und werden weiter steigen. Anders als noch im Frühjahr sind die Erkenntnisse über ein Infektionsrisiko auf dem Sportplatz aber vorhanden. Es ist sehr gering. Doch jeder Verdachtsfall eines Einzelnen hat Auswirkung auf eine ganze Gruppe von bis zu 30 Personen innerhalb einer Mannschaft, egal, wie hoch das Risiko einer Ansteckung während eines Fußballspiels ist.

Die Mechanismen sind mittlweile klar. Ein Verdachtsfall stoppt vorübergehend richtigerweise den Trainings- und Spielbetrieb einer Mannschaft. Deshalb finde ich, dass jeder, der seinem Hobby weiter nachkommen will, in der Freizeit das Risiko so gering wie möglich halten sollte. Natürlich kann ich mich überall anstecken. Natürlich darf ich nicht mein Leben einfrieren. Aber genießen wir im Vergleich zu anderen Ländern nicht fast schon einen freiheitlichen Luxus? Wir sehen unsere Jungs jede Woche auf dem Sportplatz? Wie geil ist das denn bitte? Es wäre falsch, dieses Privileg durch unnötige Bar-Besuche, große Familienfeiern und andere Leichtsinnigkeiten zu gefährden.

In kleinem Rahmen mit Freunden treffen, regelmäßig die Eltern besuchen oder die Freizeit mit seinem Partner verbringen – das ist doch gar nicht schlecht oder?

Und noch etwas: Ja, wir sind miteinander auf dem Trainingsplatz, jubeln gemeinsam nach einem Tor. Das Risiko einer Ansteckung ist hier aber bekanntlich sehr gering. Doch gehts in die Kabine oder einen Besprechungsraum, steigt das Risiko. Auch wenn man vorher beim Siegtreffer seinen Kumpel umarmt hat, sollte man ihm in der Kabine wieder mit Maske begegnen. Jeder muss verstehen, dass er durch Einhaltung der Regeln in geschlossenen Räumen das Infektionsrisiko innerhalb einer Mannschaft reduziert. Ein Fall innerhalb eines Teams ist schon blöd, aber Ansteckungen durch falsches Verhalten in der Kabine sind blöder.

Auf die Begrüßung per Handschlag oder gar Umarmung zu verzichten und in der Kabine eine Maske zu tragen, sind doch ziemlich geringe Opfer, um einfach weiter Fußballspielen zu können, oder?

Also, passt auf euch auf und trefft eine Entscheidung. Für euch und für eure Teamkollegen. Leben ja, vermeidbares Risiko nein!

Das kann nur Fußball

Es kribbelt am ganzen Körper. Der Puls steigt minütlich. Es ist erst September und doch zittere ich vor Anspannung. Was sich anfühlt wie die siebte Dose Energydrink in 23 Minuten ist das erste Punktspiel nach über einem halben Jahr Pause.

„Boah, habe ich das vermisst“, sage ich zu meinem Co-Trainer, um direkt hinterherzuschieben: „Und irgendwie auch nicht.“ Ich grinse. Ob das gesund ist? Der Körper reagiert auf das Geschehen auf dem Platz. Diese Gefühl entsteht nur durch das hier und durch nichts Anderes.

Wir geraten in Rückstand. Kurze Wut, kurze Verzweiflung, weiter. Der Puls steigt immer weiter, die Hände zittern. Das Herz klopft heftig gegen die Brust. Der Ausgleich. Regungslosigkeit. Dann die Führung. Jubel. Kurz darauf das 3:1. Ekstase. Der Puls beruhigt sich etwas. Halbzeit.

Jetzt funktioniert das Hirn wieder. Analyse, Handlungsoptionen, Motivation. Alles in 15 Minuten. Die Spieler nicken. Weiter. Der Gegner macht Druck, hat Chancen. Mein Herz reagiert mit klaren Zeichen in Richtung Brust. Dadamm, dadamm. Konter, 4:1. Wieder Ekstase. Dieses Mal mit ein paar Metern Laufen zum Torschützen. Der Puls fällt.

Noch ein paar Chancen hier, noch ein paar Gelegenheiten da. Der Puls bleibt konstant auf niedrigem Niveau. Abpfiff. Freude. Genießen. Ein paar Worte ans Team, Corona konformer Jubelkreis, Applaus für den Anhang. Kabine. Heimfahrt. Schlafen ist nach Abendspielen nicht möglich, also gehts mit 2-3 Spielern zum Co. Bierchen. Quatschen. Genießen. Der Körper fährt sich runter. Die Müdigkeit setzt ein, ab ins Bett.

Und das war nur das erste Saisonspiel. Mensch, habe ich dich vermisst, Fußball!

Favorit und Verfolger

Vor dem Saisonstart treffe ich Trainerkumpel Marius Nitsch von Staffelrivale USC Paloma 2

Das grelle Licht der spätsommerlichen Nachmittagssonne spiegelt sich im Osterbekkanal. Die letzten SUP’s und Ruderboote gleiten über das Wasser. Im Restaurant „Zur Gondel“ gibt es zweimal Schokoladensoufflé mit Vanilleeis und Früchten, dazu eine Apfelschorle. Was fast wie ein erstes Date klingt, ist nur ein einfaches Treffen zweier Trainerkumpels vor dem Saisonauftakt in der Hamburger Bezirksliga Nord.

Bescheiden und selbstbewusst

An diesem idyllischen letzten Sommertag sitzt mir am Bootsanleger nämlich Marius Nitsch gegenüber, Trainer der U23 des USC Paloma, Staffelrivale und aus meiner Sicht der Topfavorit auf Meisterschaft und den damit verbundenen Aufstieg. Als ich das erstmals erwähne, verzieht Marius das Gesicht. Der Ausdruck ist ein Mix aus „Hör bloß auf“ und „Weiß ich doch“. Bescheiden und doch selbstbewusst.

Marius versteht eine Menge von Fußball. Seitdem er 14 ist, coacht er Fußballmannschaften. Die A-Lizenz hat er seit einem Jahr in der Tasche. Jugendfußball bei TuS Berne und Concordia gehören ebenso zu seiner Vita wie die Arbeit am DFB-Stützpunkt und bei der Hamburger Auswahl. Es war der Wunsch nach sportlichem Wettkampf, nach Entwicklung einer Mannschaft, der ihn von der Talentförderung in den Herrenfußball führte.

Das Schokoladensoufflé wird serviert. Es ist wie so oft, wenn zwei Gleichgesinnte aufeinandertreffen und es um Fußball geht. Es gibt keinen Punkt, kein Komma. Wir reden über die Liga, die Gegner, über Favoriten und auch den Abstiegskampf. Es geht um den nicht in allen Belangen nachvollziehbaren neuen Spielmodus des Hamburger Fußball-Verbandes. Wir erinnern uns an unsere erste Begegnung. 3:1 war das Endergebnis für meine Mannschaft. „Da hat unser Keeper zweimal danebengegriffen“, sagt Marius mit einem Grinsen.

Wuchtig und variabel

Seitdem war sein Team gegen uns obenauf. 2:6 und 1:2 lauten die weiteren Ergebnisse aus meiner Perspektive. Und allein der Ergebnisverlauf in den direkten Duellen beschreibt die Entwicklung, die Marius beim USC Paloma 2 auf den Weg gebracht hat. Er hat den Unterbau der Oberligamannschaft in kürzester Zeit von einer zwischen Bezirks- und Kreisliga pendelnden Truppe zu einem Aufstiegskandidaten in die Landesliga geformt. Sein Team spielt dominant, physisch, presst hoch und entwickelt so schnell eine ungemeine Wucht. „In der neuen Saison wollen wir aber etwas variabler sein“, verrät er.

Das hat seine Gründe. Denn auch in der vergangenen Saison war sein Team einer der Favoriten, wurde fast überlegen Herbstmeister und lieferte auf einmal keine guten Ergebnisse mehr, rutschte in der abgebrochenen Saison in der Tabelle auf Rang 4.

Doch das ist längst abgehakt. Viel zu groß ist die Vorfreude auf die neue Saison, die direkt mit dem vermeintlichen Top-Spiel zwischen Marius‘ Palomaten und dem SC Poppenbüttel beginnt. „Ist doch gut“, sagt Marius und nippt an seiner Apfelschorle, „so eine Begegnung habe ich gerne direkt zu Beginn.“

Ehrgeizig und locker

Wenn man sich mit Marius Nitsch über Fußball austauscht, spürt man eine seltene Mischung aus Ehrgeiz und Lockerheit. Trotz A-Lizenz ist er kein Fußballprofessor, der sein Wissen jedem auf die Nase binden muss. Vielleicht ist es ja der Amateurfußball, der ihn so greifbar sein lässt. Was die Zukunft noch für ihn bringt, wisse er nicht, sagt er. Klar wird aber auch, dass er noch größere Ziele hat. Erst mit dem USC Paloma 2, und dann vielleicht auch irgendwo anders. „Es kommt, wie es kommt“, sagt er. Die Mischung aus fachlicher Kompetenz und menschlicher Gelassenheit wird ihn noch weit bringen. Da bin ich mir sicher.

Wir fragen nach der Rechnung. Es dauert ewig, bis sie kommt. Deswegen gibt es noch ein paar Anekdoten zu unseren Weggefährten Jan-Hendrik Haimerl (BU) und Koray Gümüs (ETV), zu unserer Stammtisch-WhatsApp-Gruppe mit einem weiteren Haufen fußballverrückter Trainer und zu Ex-Profi Tim Borowski, der Marius beim A-Lizenz-Lehrgang nachhaltig beeindruckt hat. „Und dann sitzt du da neben dem als Trainer von Paloma 2“, grinst er.

Dann kommt doch endlich die Rechnung. Die Unterhaltung ist zu Ende, aber nur bis zum nächsten Mal. Am Spielfeldrand im Januar oder vermutlich vorher. Doch dann wahrscheinlich mit Bier und Currywurst statt Schokoladensoufflé und Apfelschorle.

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